Kroatien: Zwischen altem Nationalismus und neuer linker Hoffnung

Als der deutsche Nationaltorhüter Manuel Neuer im Urlaub ein Lied einer rechtsextremen kroatischen Band mitsang, wurde das Thema des kroatischen Nationalismus in die deutsche Öffentlichkeit gerückt. Die Band „Thompson“ sieht sich auch in der Tradition der sogenannten Ustascha, unter deren faschistischer Herrschaft zwischen 1941 und 1945 neben der systematischen Jagd auf Jüd*innen und Roma auch weit über 300.000 Serb*innen ermordet wurden.

Von Peter Narog, Saarbrücken

In der kroatischen Popkultur halten sich bis heute Lieder der Ustascha. Symbole und Rhetorik des Faschismus wurden während der Zerschlagung Jugoslawiens auch von Vertreter*innen der heutigen Regierungspartei HDZ genutzt. Bei den letzten Parlamentswahlen wurde der konservative HDZ stärkste Kraft und konnte mit Abgeordneten kleinerer liberaler Gruppen und einzelnen konservativen Abgeordneten der nationalen Minderheiten eine Regierung ohne Sozialdemokratie oder Beteiligung der AfD-ähnlichen Heimatbewegung stellen. Letztere erhielt jedoch immerhin 10,9 % und hat daher einen informellen Anspruch auf den Posten eines Vizeparlamentspräsidenten. Ihr Spitzenkandidat, der völkische Volksmusikant Miroslav Skoro, wurde mit nur einer Gegenstimme in diese Position gewählt.

Die Gegenstimme kam von Katarina Peovic der „Radnicka Fronta“ (RF , „Arbeiter*innenfront“), die als Teil eines links-ökologischen Bündnisses am 5. Juli 2020 ins Parlament gewählt wurde. Das Bündnis legte mit einem Stimmenanteil von 7 % einen Blitzstart bei den unter den Bedingungen der Pandemie vorgezogenen Wahlen hin und deckt ungefähr die politischen Strömungen ab, die in Deutschland in der LINKEN zu finden sind.

Hoffnung von links

Bereits im Wahlkampf präsentierte sich RF als kämpferischster Teil des Bündnisses, stellte Forderungen nach Besteuerung der Reichen und Ausfinanzierung von Bildungs- und Gesundheitswesen und betonte die Notwendigkeit klassenkämpferischer Gewerkschaftspolitik. Auch wenn verschiedene Kandidat*innen sich unterschiedlich dazu äußerten und man keine ausformulierte Position findet, wie man sie erreichen kann, steht RF auch für eine sozialistische Gesellschaft.

Obwohl ca. ein Drittel der abhängig Beschäftigten in Gewerkschaften organisiert sind, endeten die betrieblichen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in Niederlagen. Die vorwiegend sozialdemokratische Gewerkschaftsführung will Kämpfe vermeiden und schließt lieber vorschnelle „Kompromisse“ ab, wie im Fall der Werftenschließungen der Uljanik-Gruppe in Pula und Rijeka, wodurch 2018-19 über 4500 Arbeitsplätze vernichtet wurden.

Vorwiegend junge Menschen organisieren sich in der erstarkenden LGBTQI- und der feministischen Bewegung und konnten in den letzten Jahren einige Großveranstaltungen organisieren. An der Pride Parade 2018 in Zagreb nahmen rund 10.000 Menschen teil. 2019 hatte die Freilassung von fünf Verdächtigen in einem Vergewaltigungsfall in Zadar eine landesweite Bewegung mit Massenwirkung gegen sexualisierte Gewalt ausgelöst.

Linke Mandate nutzen

Das gute Wahlergebnis für das linke Bündnis drückt nicht nur diese wachsende Unzufriedenheit aus, sondern eröffnet fast dreißig Jahre nach der Wiederherstellung des Kapitalismus, jahrzehntelangen neoliberalen Kürzungen, Privatisierungen und nationalistischer und reaktionär-katholischer Meinungsmache die Möglichkeit, Gegenwehr zu mobilisieren und zu organisieren. Wenn Sozialist*innen Bewegungen mit aufbauen, organisieren und diesen Gehör im öffentlichen Raum verschaffen, kann nicht nur die Blockadepolitik rechter Gewerkschaftsfunktionär*innen gebrochen, sondern es können auch Kämpfe gewonnen werden.