Corona-Krise in der Gastronomie

Die Zeche bezahlen die Beschäftigten

Es ist Sonntag, der 2. Mai. Die Chefs laden ein zur verpflichtenden Versammlung. Unbezahlt. Natürlich. Illegal? Versucht mal, in einem kleinen Gastronomie-Betrieb einen Betriebsrat zu gründen, oder auch nur eine pünktliche, regelmäßige Bezahlung durchzusetzen. Schneller, als du Gewerkschaft sagen kannst, hat dein Chef dich gekündigt.

von Wolf Rodius, Gastronomie-Beschäftigter aus Bremen

Gründe? Na, die finden sich. Du kannst ja klagen, aber ob deine Nerven und deine Rücklagen reichen? Du musst ja schließlich einen neuen Job finden in dieser Konjunkturlage.

Aber ich schweife ab… Also wieder: Sonntag, 2. Mai. Meine Kolleg*innen und ich sitzen im Biergarten. Wir werden gefragt, ob wir die amtlichen und betrieblichen Dokumente in unserem verpflichtenden Whatsapp-Kanal gelesen haben.

Es gibt ein wenig Hin und Her, letztlich zustimmendes Gemurmel. Beim anschließenden Schnelldurchlauf der Dokumente kommt heraus, das zwar von amtlicher Seite aus konkrete Angaben zum Tragen und Wechseln der Masken vorliegen, in der innerbetrieblichen Anweisung steht jedoch, das der Betrieb eine (!) Maske stellt und wir weitere selbst mitbringen müssen. Dies sollen wir unterschreiben.

Auf meine kritische Nachfrage, ob das deren Ernst sei, wird erst rumgedruckst, dann wird eingeräumt, dass wohl in Zukunft Einwegmasken bereitgestellt würden, allerdings seien diese schwer zu bekommen. Die Bitte, beim Desinfektionsmittel sehr sparsam zu sein, da dieses (nicht nur nach gebranntem Tequila riecht, sondern auch) zur Zeit so teuer sei, verstehe ich. Wenn man mir, als unbefristeten Festangestellten, nur den Bremer Gastro-Mindestlohn von Brutto 9,96 Euro zahlt, dann ist die Sicherheit der Mitarbeiter*innen und Gäste im Vergleich dazu zu teuer.

Bartender‘s Blues

Nun arbeite ich meinen achten Tag in vier Wochen, Mund-Nasen-Schutz gibt‘s, bis auf eine schlecht sitzende und vom Material her wirkungslose Stoffmaske, keinen weiteren. Es sind anscheinend auch keine in Sicht. Wir haben den 5. Juni. Lohn beziehungsweise Kurzarbeitergeld? Fehlanzeige.

Es sind 27 Grad im Schatten, das Tragen der Maske, einer selbstgenähten und mitgebrachten, ist unerträglich. Das Desinfektionsmittel stinkt, Hände und Haut sind kaputt. Gäste gibt es kaum – in einem Job, in dem du zum Überleben Trinkgeld brauchst, die totale Katastrophe. Die acht Gäste retten weder mich, meinen Kochkollegen, geschweige denn unsere Stimmung durch die Arbeitstage.

Die 450-Euro-Kräfte, die Aushilfen, suchen entweder händeringend nach einem Job, der sie über Wasser hält, oder haben schon einen, und die wenigsten werden ins Team zurückkehren. Für uns Festangestellte sieht es übel aus. Ein chaotisch geführter, mittelmäßig laufender Betrieb mit Schulden. Uns war klar, dass unser Betrieb das nicht länger als wenige Monate durchhält. Wie lang geht das noch so?

Dazwischen Diskussionen mit uneinsichtigen Gästen. Sie wollen keine Masken tragen (auf dem Weg zu den Tischen oder dem WC), beschweren sich über dies und jenes (wie immer) und wettern über die Hände-Desinfektion. Auch das spürt man am Trinkgeld. Als ob der Service sich die Regeln ausgedacht hat, um die Gäste mal so richtig zu schikanieren.

Während wir in den Sommermonaten regulär irgendwann zwischen 00:00 und 3:40 Uhr schließen, habe ich um 21:00 Uhr alles geputzt, die Kühlschränke ein- und das Pfand verräumt. Um 21:30 habe ich die Abrechnung fertig, ich dimme das Licht und schließe ab.

Das Trinkgeld für mich und meinen Koch: Jeweils 5,40 Euro.