Angeschlagene Organismen sind anfälliger für Krankheiten. In dem Sinne sind die dramatischen ökonomischen und politischen Folgen des Virus ein Anzeichen dafür, dass das System schon vorher krank und anfällig für äußerliche Schocks war. Statt der berühmte Arzt am Krankenbett des Kapitalismus zu sein, muss DIE LINKE jetzt in die Offensive für einen grundlegenden Systemwechsel.
von Sebastian Rave, Bremen
So richtig weiß DIE LINKE nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen soll. Klar, es ist schwieriger als Oppositionspartei gehört zu werden, wenn die Regierung den Krisenbewältiger macht und sich nicht ganz so dumm anstellt wie in den USA, in Britannien oder in Brasilien. Aber es gibt genug gesellschaftliche Wunden, in die der Finger gelegt werden muss: Angefangen beim zusammengesparten Gesundheitssystem, wo DIE LINKE durch vorherige Kampagnen ein gutes Standing hat. Die soziale Ungleichheit, die voll durchschlägt, wenn arme Familien auf engstem Raum und ohne ausreichende Ausrüstung auf einmal Homeschooling mit Homeoffice vereinbaren müssen. Oder auch bei der Einschränkung von demokratischen Rechten, die zwar das massenhafte Arbeiten und Konsumieren erlaubt, das Protestieren aber deutlich erschwert hat. Zu all dem hat DIE LINKE durchaus etwas zu sagen – aber ohne großen Nachdruck, ohne Leidenschaft, ohne Kampf.
Die Partei wirkt in diesen Zeiten wie ein vom Abstieg bedrohter Bundesligaverein, dessen strategisch-politische Schwächen in Geisterspielen ohne Unterstützung von den Rängen noch deutlicher werden. Auf dem rechten Flügel fällt Dietmar Bartsch unangenehm mit völliger Oppositionsverweigerung auf („Es ist eine besondere Krisensituation und da steht man nicht nölend an der Seite“). Im Mittelfeld bemüht sich Kapitänin Katja Kipping stets, spielentscheidende Ideen kommen ihr aber nicht. Ihrer Forderung nach Millionärsabgabe und Subventionen nur für Unternehmen, die keine Boni und Dividenden auszahlen, fehlt es an Weitblick über das System hinaus. In einem Strategiepapier schreibt sie immerhin davon, dass die Produktion von Schutzausrüstung für Beschäftigte im Gesundheitsbereich „mit Anreizen oder zur Not auch mit Eingriffen in Eigentumsrechte im Produktionsbereich“ angegangen werden könnte. Entscheidend ist aber auf dem Platz, und vor Fernsehpublikum traut sie sich solche Steilpässe in die Spitze leider nicht zu. Nur auf links außen kommen Impulse von der AKL, die aber alleine die politische Schwäche der Mannschaft nicht ausgleichen können.
Rein in die Kämpfe!
Die Taktik von Trainer Bernd Riexinger, offensiv für Rot-Rot-Grün auf Bundesebene zu werben, ist ein grober Schnitzer. Die Landesregierung in Bremen zeigt die Grenzen der Regierungsbeteiligung auf: Im Erstaufnahmelager für Geflüchtete in der Lindenstraße ist es zu einem Corona-Ausbruch gekommen und weder die grüne Sozialsenatorin noch die linke Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard haben es rechtzeitig geschafft, der Forderung der Geflüchteten und der Solidaritätsbewegung nachzukommen und das Lager zu schließen. Die linke Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt geht mit der Anpassung noch einen Schritt weiter und fordert Hilfen für die Autoindustrie – ein bitteres Eigentor gegen die Verkehrswende und die Klimabewegung. In der Krise wird der Handlungsspielraum in der Regierung kleiner, und damit der Gegensatz zwischen Partei und Bewegung größer.
DIE LINKE muss sich jetzt entscheiden, ob sie angesichts der nahenden größten Rezession seit Jahrzehnten auf der Ersatzbank von SPD und Grüne sitzen und in Zukunft gegen die arbeitenden Menschen gerichtete und militaristische Politik in einer Bundesregierung mittragen will und sich damit in Widerspruch zu Bewegungen bringt, oder ob sie in der Krise eine Klassenposition bezieht und an der Seite von Bewegungen den Widerstand mit aufbaut. Es muss jetzt darum gehen, den Widerstand dagegen aufzubauen, die Kosten der Krise auf die Arbeiter*innenklasse abzuwälzen. Ein Startpunkt dafür könnten entweder regionale oder eine gemeinsame bundesweite Demonstration im zweiten Halbjahr sein. Die Krise hat gezeigt: Der Markt regelt gar nichts. Es braucht jetzt eine eigenständige politische Strategie zur Abschaffung der Fallkostenpauschalen, für ein bedarfsgerechtes Gesundheitswesen, für kleinere Klassen, für Maßnahmen, welche die Reichen und Unternehmen für die Krise zahlen lassen. Dafür muss DIE LINKE den Markt und das Privateigentum an den großen Schlüsselindustrien offensiv in Frage stellen, raus aus der Regierungslogik und rein in die Zweikämpfe gegen Corona und Kapital.