„Aktivität lohnt sich. DIE LINKE in Köln wurde gestärkt.“

Interview mit Claus Ludwig, Sprecher der LINKEN im Kölner Stadtteil Kalk, eine der Hochburgen der Partei.

Wie schätzt du das Wahlergebnis in NRW ein?

Knapp daneben ist auch vorbei. Es ist frustrierend, den Einzug um 8000 Stimmen zu verpassen, vor allem nach einem so aktiven und engagierten Wahlkampf. Die 5%-Sperrklausel ist allerdings undemokratisch und willkürlich. Über 415.000 linke WählerInnen haben durch diese Hürde keine Vertretung im Landtag. Gäbe es sie nicht, würden wir jetzt einen Sieg feiern. Die Partei hat ihre Stimmen verdoppelt und das Ergebnis von 2010 wieder erreicht. Es gibt viele neue Mitglieder und Aktive, vor allem jüngere Menschen. Ich bin mir sicher, dass wir bei den Bundestagswahlen im Herbst deutlich über fünf Prozent in NRW holen.

Wie ist der Wahlkampf vor Ort gelaufen?

Sehr gut. Der Zuspruch auf der Straße war groß. Deswegen hatten wir ein besseres Ergebnis erwartet – und dies in Köln ja auch erzielt. 8,4% in Köln und fast 17% im Stadtteil Kalk sind eine deutliche Steigerung, wir konnten die Stimmen fast verdreifachen. Wir konnten unsere Hochburgen im Land z.T. massiv ausbauen, aber gleichzeitig waren die Fortschritte in anderen Regionen geringer. Die Ergebnisse der LINKEN sind weniger flächendeckend, differenzierter als bei vorigen Wahlen. In einigen Großstädten haben wir acht bis neun Prozent erzielt, in innenstädtischen Stadtteilen zwölf Prozent oder mehr. Im Kölner Stadtbezirk Ehrenfeld haben wir mehr absolute Stimmen geholt als bei den Bundestagswahlen. Doch in den meisten ländlichen oder kleinstädtischen Regionen haben wir eher drei bis vier Prozent erreicht, in einigen Ruhrgebietsstädten wie in Duisburg keine sechs Prozent.

Die Differenzierung sehen wir selbst in unserem Stadtbezirk: Im Stadtteil Kalk, dem Zentrum des gleichnamigen Stadtbezirks, haben wir gut zugelegt, sogar mehr absolute Stimmen geholt als bei der Bundestagswahl 2013, sind vor der CDU zur zweitstärksten Kraft geworden. In den angrenzenden Stadtteilen Humboldt-Gremberg und Höhenberg haben wir auch hohe Gewinne. Aber etwas stadtauswärts – in Vingst, Ostheim und Neubrück – war die Steigerung geringer, zudem von einem niedrigeren Grundsockel aus, gleichzeitig konnte dort die AfD überall an uns vorbeiziehen.

Wie erklärst du dir diese deutlichen Unterschiede auf kurze Distanz?

Einerseits hat das mit der Sozialstruktur zu tun. In den Vierteln Richtung stadtauswärts finden sich Hochhaussiedlungen direkt neben Eigenheim-Gebieten. Viele Menschen dort fühlen sich teilweise stärker abgehängt, gehen kaum wählen, während andere, die ihren tatsächlichen oder vermeintlichen Wohlstand bedroht sehen, stärker empfänglich sind für Law-and-Order-Parolen seitens der Konservativen oder Rechtspopulisten.

Andererseits geht es auch um die Präsenz der Linken. Wir haben deutlich mehr Wahlkampf-Aktivitäten im Stadtteil Kalk gemacht als in den anderen Veedeln. Dort haben wir ein erfolgreiches Stadtteilfest organisiert und viel plakatiert. Zusätzlich zum Material von Landesebene haben wir 4000 eigene Flyer zu örtlichen Themen gedruckt und verteilt. Aber es geht nicht nur um die Wahlkampfzeit. Wir sind schon mehrere Jahre aktiv im Stadtteil, haben Kampagnen gegen hohe Mieten geführt, gegen rechte Aufmärsche mobilisiert und immer wieder Kundgebungen zu verschiedenen Themen gemacht. Viele AnwohnerInnen kennen unsere AktivistInnen aus persönlichen Gesprächen.

Das ist ermutigend. Das Wahlergebnis zeigt, dass Aktivität sich lohnt. DIE LINKE in Köln insgesamt und in unserem Stadtteil wurde gestärkt. Das zeigt aber auch, welche Arbeit noch vor uns liegt. Wir müssen sozialistische Ideen langfristig verankern, wir müssen den Gebrauchswert der LINKEN in konkreten sozialen Kämpfen nachweisen.

Was waren eure inhaltlichen Schwerpunkte im Wahlkampf?

Mit unserem Direktkandidaten, dem Mietenaktivisten Kalle Gerigk, haben wir natürlich den Kampf gegen hohe Mieten und für den Bau günstiger kommunaler Wohnungen in den Mittelpunkt gestellt. Die Mieten in Köln steigen immer weiter, auch für DurchschnittsverdienerInnen wird jeder Umzug zum finanziellen Risiko. Bis zum AfD-Parteitag am 22. April in Köln war jedoch die Mobilisierung für die Gegenproteste für uns zentral. Wir haben nicht nur gesagt„wählt uns“, sondern einen Beitrag zum konkreten Widerstand geleistet. Wir haben unsere Wahlplakate genutzt, um gegen den AfD-Parteitag zu mobilisieren und waren dem Tag teil der Blockaden und der Demo des Bündnisses „Köln gegen Rechts“.

Mit der Betonung des Kampfes gegen Rechtspopulismus waren wir nicht ganz auf der Linie der Landespartei. Diese hatte stark die sogenannte „soziale Frage“ thematisiert und hielt es für nicht sinnvoll, die Gegnerschaft gegen Rassismus prominent zu behandeln. Für uns sind jedoch Antirassismus und Kampf für soziale Verbesserungen untrennbar miteinander verbunden. Wir haben die Gefahren, die von der AfD ausgehen, direkt angesprochen und nicht drumherum geredet. In unserem Flyer haben wir nicht nur den Rassismus der AfD thematisiert, sondern auch beschrieben, dass die Rechtspopulisten eine Politik gegen die Lohnabhängigen und Armen machen. Unserem Stimmergebnis hat dies keineswegs geschadet.

Was sind die nächsten Schritte im Stadtteil?

Wir haben seit dem Herbst 2016 eine ganze Reihe neuer Mitglieder gewonnen, vor allem junge Leute. Im Wahlkampf sind weitere hinzu gekommen. Jetzt geht es darum, diese Mitglieder zu integrieren und mit ihnen zusammen Ideen zu entwickeln, wie wir über die Wahlkämpfe hinaus eine alltägliche stärkere Präsenz im ganzen Stadtbezirk erreichen, uns über das Stadtteil-Zentrum hinaus ausdehnen können.

Aktuell haben wir als einzige Gruppe eine Kritik am Bau einer zusätzlichen ICE-Trasse formuliert, die zu einer massiven Bau- und Verkehrsbelastung im Stadtteil bei geringem Nutzen für die AnwohnerInnen würde. Wir haben schon positive Resonanz bekommen und wollen helfen, eine Bürgerinitiative zu gründen.

Wir können selbstbewusst auftreten. Die SPD liegt im Stadtteil Kalk bei 31 Prozent, wir bei 17 Prozent. Die deutsche Sozialdemokratie steht noch am Anfang ihres Niedergangs und wird perspektivisch in Richtung ihrer Schwesterparteien in Frankreich, den Niederlanden, Irland und Griechenland gehen. Wir werden sie überholen, wir wollen stärkste Partei werden, zum Beispiel bei den nächsten Kommunalwahlen 2020.