Die NRW-LINKE vor den Wahlen

claus-ludwig_linkeInterview mit dem Kölner Aktivisten Claus Ludwig

Vorbemerkung: Das Interview wurde vor dem Parteitag der LINKEN in NRW geführt, auf dem der Programmentwurf durch die Delegierten an einigen Punkten deutlich verbessert wurde. Der Text des Programms findet sich hier.

Wie positioniert sich die LINKE in Nordrhein-Westfalen rund sieben Monate vor der Landtagswahl?

Der Parteitag im November diskutiert und beschließt das Landtagswahlprogramm. Der vorliegende Entwurf ist gut gelungen. Damit macht die LINKE in NRW deutlich, dass sie anders als sämtliche andere Parteien für die Interessen der Lohnabhängigen, der Erwerbslosen und der Armen eintritt. Sie spricht sich klar gegen Privatisierung aus, für den öffentlichen Wohnungsbau, für Investitionen in Bildung, Gesundheit und Soziales, gegen die Schuldenbremse und die Finanznot der Kommunen. Als einzige Partei verteidigt sie die Geflüchteten und stellt der rassistischen Spaltung den Kampf für gemeinsame soziale Interessen entgegen.

Das Internet-Portal „Der Westen“ (WAZ-Gruppe) titelte bei der Vorstellung des Programmentwurfes „Die Linke lässt die Muskeln spielen“. Das stimmt. Die LINKE im größten Bundesland vertritt ihre Forderungen selbstbewusst.

Also ein rundum gutes sozialistisches Programm?

Leider nicht. Einige Formulierungen sind schlicht zu unscharf. Es wird teilweise eher verschämt angedeutet, wofür die LINKE steht. Das Ziel der Vergesellschaftung von Industriebetrieben wird erwähnt, aber versteckt. Die positiven Bezüge auf die Erfahrung der saarländischen „Industriestiftung“ schaffen eher Verwirrung. Der Begriff „Sozialismus“ taucht kaum auf. Nun ist klar, dass nicht allein in Nordrhein-Westfalen der Kapitalismus gestürzt wird, aber ohne Zielbestimmung sind auch die konkreten Schritte schwieriger.

Beschlossen wird das Programm auf dem Parteitag im November. Die Antikapitalistische Linke (AKL) hat Änderungsanträge gestellt, um die Formulierungen zur Regierungsfrage klarer zu fassen und das sozialistische Profil der Partei zu schärfen. Einige Vorschläge der AKL zum Kampf gegen Rassismus wurden bereits in den Entwurf eingearbeitet.

Es gibt nach wie vor Unterschiede bei der Einschätzung der Regierungsfrage. Mit SPD und Grünen ist meines Erachtens keine gemeinsame Regierung möglich. Das sollte die LINKE deutlich sagen und damit eine Haltung gegen das Establishment beziehen. Die meisten Genossinnen und Genossen in NRW dürften das so sehen. Aber viele wollen es „taktischer“ formulieren und sagen, an der LINKEN solle eine Regierungsbeteiligung nicht scheitern.

Immer wieder „schleichen“ sich Formulierungen in Programme, Beschlüsse oder Mitteilungen der Partei, welche eine Offenheit für R2G andeuten. Ob GenossInnen dies wirklich wollen wie der Flügel um Gysi und Co. auf Bundesebene oder nur taktieren wollen, ein Problem sind diese Formulierungen allemal. Sie überzeugen nicht diejenigen, die zwischen LINKE, SPD und Grünen schwanken und sie entfremden die WählerInnen, welche SPD und Grüne zu Recht als neoliberal und unwählbar ansehen.

Die NRW-LINKE liegt bei Umfragen zwischen fünf und sechs Prozent, es scheint knapp zu werden. Immer wieder ist zu hören, wenn die Partei es dieses Mal nicht in den Landtag schafft, wäre der Aufbau im Westen gescheitert. Was denkst du?

Es wäre ein wichtiges Signal, wenn die NRW-LINKE in den Landtag einzieht, sowohl für den Bundestagswahlkampf als auch für die innerparteilichen Kräfteverhältnisse. Wenn ein als radikal geltender Landesverband gestärkt aus der Wahl hervorgeht, würde das zeigen, dass eine kämpferische linke Linie zum Erfolg führt, gerade im Vergleich mit den Verlusten im Osten.

Das Scheitern an der undemokratischen Fünf-Prozent-Hürde in Nordrhein-Westfalen wäre ein Rückschlag, jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Misserfolg des Projekts. Wahlen sind immer Momentaufnahmen.

Die Präsenz im Parlament ist wichtig, aber sie ist nur ein Pfeiler für den Aufbau der Partei. Die LINKE.NRW könnte auch als außerparlamentarische Kraft erfolgreich sein, zum Beispiel wenn sich die ökonomischen und sozialen Widersprüche zuspitzen, eine zukünftige Regierung Lebensstandard und Rechte der Lohnabhängigen attackiert und die Partei es schafft, eine aktive Rolle im Widerstand dagegen zu spielen.

Ich bin allerdings zuversichtlich, dass wir den Einzug in den Landtag schaffen. Die Regierung verwaltet lediglich den sozialen Niedergang des Bundeslandes. Die aktiven Mitglieder sind motiviert. Das Programm bietet eine gute Grundlage für einen engagierten Wahlkampf. Gerade unter Jüngeren gibt es mehr Interesse an der LINKEN.

Claus Ludwig ist Mitglied im Landesrat der LIINKEN NRW. Mit Texten zu den Themen Wohnen und Antirassismus war er bei der Erstellung des Programmentwurfs für die landtagswahl im Mai 2017 beteiligt. Er kandidiert für einen aussichtsreichen Platz auf der Landtagsliste bei der Wahlversammlung im Dezember und steht inhaltlich für eine klare oppositionelle Rolle der Partei und eine Absage an ein Regierungsbündnis mit SPD und Grünen. 
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