Rumänien: Massenproteste stürzen Regierung

Foto: CC0 Public Domain / FAQ pixabay.com/de/rumänien-flagge-land-karte-881116/
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Nach dem Tod von 45 Menschen bei Brand in einem Konzertsaal richtet sich die Wut gegen Korruption und Regierung
Am 30. Oktober war im Nachtclub „Colectiv“, im 4. Bezirk von Bukarest, während eines Rockkonzerts mit fast 400 BesucherInnen ein Feuer ausgebrochen. Das Inferno begann, als Feuerwerk zum Einsatz kam, das in weniger als einer Minute die Decke in Flammen aufgehen ließ. Diese war mit nicht brennbarem Schallschutz-Schaumstoff bedeckt. Das Feuer, giftige Dämpfe und das allgemeine Chaos, das einsetzte, als die Leute zum Ausgang drängten, führten dazu, dass bislang 45 Todesopfer zu beklagen sind. Viele weitere Opfer befinden sich immer noch im Krankenhaus, weil sie schwere Brandverletzungen davongetragen haben. Dies war die größte menschliche Tragödie in Rumänien seit dem Sturz des Stalinismus im Jahr 1989.

Von Vladimir Bortun

Verantwortlich für diese Katastrophe sind eine Reihe von Umständen. Zuerst sind die drei Besitzer des Clubs zu nennen, die nun in Haft sitzen und auf ihr Verfahren warten. Der Club hatte keinen Notausgang und keine Lizenz, Konzerte für hunderte von Menschen durchführen zu dürfen. Offiziell durften nur Veranstaltungen mit bis zu 80 Personen stattfinden, die alle einen Sitzplatz hätten haben müssen! Die Decke war mit billigem, nicht brennbarem Schaumstoff, den man im Baumarkt kaufen kann, verkleidet. Darüber hinaus tragen die Behörden eine Mitschuld, die eine Konzession ausgestellt haben, obwohl die Einrichtung keine Notausgänge hatte. Dies betrifft auch den Bezirksbürgermeister, der ebenfalls in Haft ist und auf den ein Verfahren zukommen wird. Regelmäßig haben dort Konzerte mit hunderten von Gästen stattgefunden. Als Drittes sind die Einsatzkräfte ins Visier geraten, die – trotz der großen Bemühungen des Personals vor Ort – schlecht organisiert und mangelhaft ausgestattet waren. Die Feuerwehrbrigade, die als erste am Einsatzort eintraf, konnte nicht ins Gebäude gelangen, weil sie keine Sauerstoffgeräte bei sich hatte. Das ist ein Mangel, der – wie wir weiter unten erläutern werden – Folge von strukturellen Problemen ist, die die Gesellschaft in Rumänien kennzeichnen.

In einem Land, in dem die Korruption schon als Normalzustand gilt, war ein derart trauriges Ereignis geradezu absehbar, auf gewisse Weise sogar nachvollziehbar, weil es voll und ganz auf die alte rumänische Vorgehensweise zurückzuführen ist, Gesetze zu umgehen. Betrieben wird dies von Behördenvertretern und BürgerInnen gleichermaßen. Der „Volkszorn“, den dieses Ereignis ausgelöst hat, wurde in der vergangenen Woche greifbar, als es zum wahrscheinlich größten Massenprotest in den letzten 25 Jahren gekommen ist. Mehr als 30.000 Menschen zogen durch Bukarest und weitere tausende Menschen gingen in anderen großen Städten des Landes auf die Straße. Die Folge davon war, dass die Regierung unter Premierminister Victor Ponta (einer der Namen, die mit am häufigsten mit der Korruption großen Stils in Verbindung gebracht werden) von der sozialdemokratischen Partei (SDP) noch am selben Tag zurücktrat. Dieses hastige Vorgehen kam für viele überraschend. Nach diesem Rücktritt bestellte der liberal-konservative Staatspräsident Klaus Iohannis sogenannte „Vertreter der Zivilgesellschaft“ zu sich ein, um sich mit ihnen über die Zusammensetzung und das Programm der neuen Regierung zu besprechen. Bei diesem Vorgehen, das von oben nach unten (engl.: „top-down“) durchgeführt worden ist, handelt es sich um nichts anderes als einen manipulativen Schritt, der darauf abzielt, den Menschen den Eindruck zu vermitteln, es herrsche „echte Demokratie“ und ein „sozialer Dialog“ würde geführt. Dieses Treffen ist sehr kurzfristig anberaumt worden, weshalb die „Vertreter der Zivilgesellschaft“ viel zu wenig Zeit hatten, sich entsprechend vorzubereiten. Hinzu kommt, dass lediglich nach Bukarest eingeladen wurde und es keine Treffen in den Regionen gab. Bei der vorbereiteten Tischvorlage handelte es sich um eine Liste von Minimalforderungen. Von daher ist es auch kein Wunder, dass es sich bei denjenigen, die die „großherzige“ Einladung des Präsidenten angenommen haben, hauptsächlich um gut finanzierte Nichtregierungsorganisationen mit besten Beziehungen handelt, die ein explizit neoliberales Programm verfolgen. Anwesend war das ganze Establishment der „Zivilgesellschaft“ Rumäniens. In diesem Prozess haben die Vertreter der Arbeiterklasse des Landes – was immerhin die Bevölkerungsmehrheit ist – keine nennenswerte Rolle gespielt.

Regierung der „Technokraten“

Nach diesen Konsultationen fanden dann Gespräche mit den im Parlament vertretenen Parteien statt, die am Dienstag, dem 10. November, – wie zu erwarten war – zur Ernennung eines Technokraten zum neuen Premierminister geführt haben. Hierbei handelt es sich um Dacian Ciolos, der bis zu den Wahlen in einem Jahr im Amt sein wird. Bei dem Begriff „technokratisch“ handelt es sich dieser Tage um ein Codewort für: neoliberal. Auch Ciolos stellt in diesem Zusammenhang keine Ausnahme dar. 2007 und 2008 war er Landwirtschaftsminister in einer rechts-konservativen Regierung, eine Zeit lang der landwirtschaftspolitische Berater des rechts-konservativen Präsidenten Basescu, nur um dann zum „Kommissar für Landwirtschaft“ in der „Europäischen Kommission“ von Barroso zu werden (von 2010 bis 2014). Im vergangenen Jahr war er dann Sonderberater des amtierenden Präsidenten der „Europäischen Kommission“, Jean-Claude Juncker.

Von daher steht die politische Ausrichtung dieses „Experten“ in direkter Verbindung zu den rechts-konservativen, neoliberalen politischen Parteien und Köpfen. Es wird davon ausgegangen, dass er „institutionelle Reformen“ umsetzen und den „Kampf gegen die Korruption“ in Rumänien beginnen wird. Am wahrscheinlichsten ist, dass dies genau in besagtem neoliberalen Rahmen ablaufen wird.

Auch wenn man in Rumänien von einer zutiefst korrupten Tradition sprechen kann, so wäre es nicht nur oberflächlich sondern auch gefährlich, sich allein auf dieses Problem zu beschränken. Das würde (wie in der Vergangenheit schon häufig der Fall) nur dazu dienen, dem Kapitalismus neoliberaler Spielart ein populistisches Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem die tiefer liegenden strukturellen Probleme in Rumänien auf diese Weise verschleiert oder gar legitimiert werden könnten. Die gesellschaftliche Klasse der Kapitalisten würde davon unmittelbar profitieren. Es geht hierbei auch um schwere Fälle von Korruption und ausgefeiltere Formen (wovon einige direkt für die Tragödie beim Konzert im „Colectiv“ verantwortlich sind).

In Rumänien ist die Korruption, von der das multinationale Großkapital durchzogen ist, permanent durch den sogenannten „Anti-Korruptionskampf“ verhüllt worden. Zur Durchsetzung der eigenen Interessen sind multinationale Unternehmen häufig Bestandteil der „korrupten Kultur“ auf lokaler Ebene. Letztes Jahr flog ein Riesen-Skandal auf, bei dem „Microsoft“ mehr als 50 Millionen Dollar an Schmiergeldern an hohe Beamte gezahlt hatte, die drei aufeinander folgenden rumänischen Regierungen angehört haben. Das Ziel des Unternehmens bestand darin, höhere Lizenzgebühren für seine Produkte zu bekommen! Nach und nach stellte sich heraus, dass auch verschiedene andere Giganten der IT-Sparte (wie zum Beispiel IBM, „Fujitsu-Siemens“, „Compaq“ und „Hewlett-Packard“) Teil dieses riesigen Schmiergeld-Systems waren! In anderen Fällen (z.B. beim Fracking-Projekt von „Chevron“ in Ost-Rumänien vor zwei Jahren) drehte sich alles ausschließlich um die Korrumpierbarkeit der rumänischen Politiker und die korrupten rumänischen Mitarbeiter der betroffenen Firmen, weil letztere unabhängig von ihren Muttergesellschaften gehandelt hatten. In Wirklichkeit sind sie lediglich der inneren Logik des Kapitalismus gefolgt, nach der es gilt, mit allen erdenklichen Mitteln die Profite zu steigern. Gesetze, Vorschriften und Rechte stellen in dieser Hinsicht nichts anderes als Hürden dar und wenn das Großkapital Schmiergelder zahlen kann, um diese Hürden zu vermeiden, dann wird es dies mit Freude tun.

Das Mantra vom „Kampf gegen die Korruption“ ist in Rumänien auch dazu genutzt worden, um damit die brutalsten Austeritätsmaßnahmen zu legitimieren, die in Osteuropa zur Anwendung gekommen sind. 2010 nahm die rechts-konservative Regierung von Emil Boc einen IWF-Kredit auf, der hauptsächlich dazu genutzt worden ist, um die rumänischen Ableger ausländischer Bankhäuser zu rekapitalisieren. Wie überall in Europa wurde diese neoliberale Form staatlicher Intervention mit Kürzungen bei Renten und Löhnen im öffentlichen Dienst (bei denen es sich ohnehin schon um die niedrigsten in der EU handelt) sowie durch einen Abbau an sozialen Dienstleistungen und bei der öffentlichen Gesundheitsversorgung finanziert. All diese Kürzungen im öffentlichen Dienst (der im EU-Vergleich bereits der am meisten unterfinanzierte ist) sind – oh Wunder – mit den üblichen Sprüchen gerechtfertigt worden. Demnach seien sie Teil des „Kampfes gegen die Korruption“ und alle Maßnahmen würden sich gegen „die Faulen (richten), die Sozialbetrug betreiben und von unseren Steuern leben“ oder gegen das „korrupte und ineffektive Personal im öffentlichen Gesundheitssystem“. Zwar ist es richtig, dass viele Menschen in Rumänien den ÄrztInnen und dem Pflegepersonal unter dem Tisch Geld zuschieben. Die Lösung des Problems besteht jedoch nicht darin, dem öffentlichen Gesundheitssystem noch weniger Geld zur Verfügung zu stellen, sondern offensichtlich darin, die lächerlichen Bezüge des medizinischen Personal anzuheben.

Kürzungen und Korruption

Diese Kürzungen werden nicht nur dazu führen, dass sich derlei korrupte Praktiken noch viel stärker ausbreiten werden als zuvor. Sie werden auch Menschenleben fordern, wie die Feuerkatastrophe im Bukarester Club gerade erst unter Beweis gestellt hat. Eine neue, dem aktuellen Stand der Technik entsprechende Krankenstation für Brandopfer konnte nicht genutzt werden, weil das Geld für den Kauf eines Luftreinigungssystems gefehlt hat, das zur Inbetriebnahme der Station nötig gewesen wäre. Die Front im „Kampf gegen die Korruption“, der NGOs genauso angehören wie verschiedene rechtslastige Medien und öffentlich bekannte Intellektuelle, hat einem Austeritätsprogramm Legitimität verliehen, das bewiesenermaßen genauso fatale wie vorhersehbare Folgen nach sich gezogen hat. Bei diesem Programm handelt es sich an sich schon um eine Form von Korruption höchsten Ranges. Bei der Austerität handelt es sich definitiv um nichts anderes als großangelegten, organisierten und systematischen Diebstahl an den arbeitenden Menschen durch die politischen und ökonomischen Eliten. Wenn sie durch die Kürzungsmaßnahmen nicht bereits zu Tode gekommen sind, stehen erstere am Ende mit noch weniger da als vorher.

Dass das Augenmerk einzig und allein auf die „nationale Korruption“ gerichtet wird, überschattet die neoliberale Politik der Deregulierung von Wirtschaftsbetrieben und des Arbeitsmarkts. Einhergehen tut dies mit einer allzu oft hysterischen konzernfreundlichen Attitüde. Auf diese Weise soll in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein geschaffen werden, mit dem jede Kritik an Konzernen von vornherein als „kommunistisches Gerede“ abgetan wird, und Arbeitgeber geradezu als unantastbare Helden betrachtet werden, die für Arbeit und Wohlstand sorgen. Es ist genau dieses gewissenlose kapitalistische Denkmuster, das zusammen mit der Korruption der örtlichen Behörden zur Tragödie im „Club Colectiv“ geführt hat. Damit wurde zur Profitmaximierung – koste es was es wolle – motiviert und diese überhaupt erst initiiert. Selbst die Gesundheit und Sicherheit von arbeitenden Menschen und / oder VerbraucherInnen wird dabei auf´s Spiel gesetzt. Unter den 45 Toten befand sich auch Maria Ion, eine 38-jährige Witwe, die als Reinigungskraft in dem Club gearbeitet hat. Sie lebte mit ihren fünf Kindern und einem gelähmten Vater in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Erneut bestand die Rolle der Behörden darin, ihren Pflichten nicht nachzukommen. Das ist eine nicht zu leugnende Tragödie. Die Besitzer des Clubs wussten, dass sie mit ihrem menschenverachtenden Verhalten würden davonkommen können. Sie scherten sich weder um die Einhaltung der grundlegendsten Gesundheitsbestimmungen noch um Sicherheitsregeln, weil sie wussten, dass sie nur die richtigen Leute schmieren mussten.

Alternative Linke

Bei der Debatte um die Korruption in Rumänien ist die entscheidende Frage durchweg ausgespart worden. Sie lautet: Wodurch wird Korruption befördert? Was ist es, das ÄrztInnen, die ihre PatientInnen eigentlich kostenlos behandeln sollten, und KontrolleurInnen, die illegal betriebene Einrichtungen eigentlich dichtmachen sollten, dazu treibt, das Gegenteil zu tun und stattdessen Schmiergelder anzunehmen? Bei der Antwort auf diese Fragen spielen „traditionelle Verhaltensmuster“ und Gewohnheiten sicherlich auch eine Rolle. Die wesentlichen strukturellen Ursachen für Korruption als zu beobachtendes Massenphänomen gingen immer und werden immer auf zwei Grundprobleme zurückgehen: auf die Armut und die Ungleichheit. Beides wird umgekehrt durch die Korruption wieder verstärkt. Statistiken zeigen, dass die korruptesten Staaten der Welt diejenigen sind, die auch die größte soziale Ungleichheit und die stärksten in Armut lebenden Bevölkerungsanteile aufweisen. Selbst ein standfest neoliberales Magazin wie „Forbes“ muss einräumen, dass Korruption auf der einen Seite zusammenhängt mit sozialer Ungleichheit auf der anderen. Beim sogenannten „Kampf gegen die Korruption“ in Rumänien hat man sich durchgehend über diesen Zusammenhang hinweggesetzt und ausschließlich mit der „nationalen Korruption“ beschäftigt. Wie oben skizziert geschah dies auf sehr oberflächliche Art und Weise und nicht mit Blick auf die strukturellen Ursachen namens Armut und Ungleichheit. Wenn aber die Ursachen übersehen und nur einige Symptome angegangen werden, so wird der „Krankheitsverlauf“ lediglich verzögert und die „Krankheit“ am Ende chronisch. Letztendlich dient dies solchen Gruppen, die sowohl von den Ursachen als auch den Symptomen profitieren.

Für die heutige rumänische Linke besteht eine der wesentlichen Aufgaben darin, den Zusammenhang zwischen der Korruption und dem sogenannten „Kampf gegen die Korruption“ einerseits sowie dem Großkapital, neoliberaler Politik, Armut und Ungerechtigkeit andererseits aufzuzeigen. All diese Probleme hängen unbestreitbar miteinander zusammen und können jeweils nicht angegangen werden, ohne dabei auch ein anderes dieser Problemfelder zu berühren. Der Grund dafür ist, dass sie alle dieselbe Wurzel haben: den Kapitalismus. In den letzten Wochen gab es allerdings einige positive Signale, dass es – im Gegensatz zu den Massenprotesten von 2013 gegen das Goldabbau-Projekt in Rosia Montana – diesmal tatsächlich in diese Richtung gehen könnte. Vor zwei Jahren war die Linke fragmentiert, schlecht organisiert und ziemlich ängstlich. Dieses Mal haben mehrere Mitglieder verschiedener linker Gruppen in Bukarest einen offenen Brief unterzeichnet, der den Titel trägt: „Die Zukunft hat einen kollektiven Verfasser: Es sind die Forderungen der Linken“ (was nicht nur eine direkte Anspielung auf den Veranstaltungsort ist, in dem sich die Tragödie von Bukarest abspielte, sondern auch eine der Parolen bei den Protesten von 2013 war). Die UnterzeichnerInnen gehören Gruppierungen an wie etwa der „Frontul Comun pentru Dreptul la Locuire“ (dt.: „Gemeinsame Front für das Recht auf Wohnraum“), „Gazeta de Arta Politica“ („Zeitung für politische Kunst), „Pumn“ („Faust“), „Claca“, „MozaiQ“, „Quantic“, „CriticAtac“. Die Petition, die bisher von fast 1.000 Personen unterschrieben worden ist (auch wenn nur die ersten beiden der genannten Organisation den offenen Brief als solche unterzeichnet haben), umfasst sieben Forderungen: 1. bessere Finanzierung des öffentlichen Gesundheitssystems, 2. bessere Finanzierung staatlicher Stellen zur Überwachung öffentlicher Dienste und des Arbeitsmarkts, 3. Durchsetzung des Rechts auf Wohnraum für alle ohne Ansehen der ethnischen Zugehörigkeit oder sozialer Herkunft, 4. Korrektur des gesamten Steuersystems und Einführung einer Steuerprogression auf Einkommen und Profite, 5. Verstaatlichung leerstehender Gebäude und Nutzung derselben für öffentliche und soziale Zwecke, 6. Umschichtung der Mehrausgaben für Sicherheits- und Überwachungsdienste in Richtung öffentlicher und sozialer Dienstleistungen, 7. Stopp der Überfinanzierung der rumänisch-orthodoxen Kirche durch den Staat.

Diese Forderungen gehen zwar in keinster Weise über reformistische Vorschläge hinaus, und der Begriff des Kapitalismus oder gar die Notwendigkeit, selbigen überwinden zu müssen, werden gar nicht erst erwähnt. Und dennoch steht dieser Forderungskatalog für einen offensichtlichen Fortschritt im Vergleich zu vorangegangenen ganz ähnlichen Situationen. Schließlich geht es hierbei um die erste öffentliche und gemeinsame Erklärung der ansonsten stark zerstückelten und noch jungen alternativen Linken in Rumänien. Bei den Protesten in Bukarest haben Mitglieder der meisten dieser Gruppierungen sogar einen kompakten gemeinsamen Block formiert und eindeutig linke Parolen ausgegeben wie z.B.: „Armut tötet!“, „Krankenhäuser, Schulen und soziale Einrichtungen statt Kathedralen!“, „Wir müssen zuerst sterben, bevor wir ein Anrecht auf eine Sozialwohnung bekommen: Maria Ion, 1977-2015“ etc. Sowohl die Petition als auch die Präsenz der Linken bei diesem Protestzug sind ein Schritt in die richtige Richtung für die Linke in Rumänien. Vor nicht einmal fünf Jahren wäre dies noch unvorstellbar gewesen. Der nächste Schritt sollte darin bestehen, eine wirklich sozialistische politische Organisation zu gründen, um sich gegen den neoliberalen Kapitalismus und den Neokolonialismus zur Wehr setzen zu können. Schließlich klafft auf der Linken in Rumänien ein riesiges Loch. Gleichzeitig sind derzeit wohl die besten Voraussetzungen für eine solche Organisation seit 1989 vorhanden.