Für ein „bedingungsloses Grundeinkommen“?

Foto: https://www.flickr.com/photos/generation-grundeinkommen/ CC BY-NC 2.0
Foto: https://www.flickr.com/photos/generation-grundeinkommen/ CC BY-NC 2.0

Was ist unter dem „bedingungslosen Grundeinkommen“ (BGE) zu verstehen? Im Kern soll jeder, unabhängig vom Einkommen, vom Staat monatlich einen bestimmten Betrag erhalten. Ganz gleich, ob man erwerbslos, lohnabhängig beschäftigt oder selbstständig, ob man steinreich oder bitterarm ist. Der gleiche Betrag für alle – existenzsichernd, ohne Bedürftigkeitsprüfung, ohne Arbeitszwang.

Diese Idee ist nicht neu. Ganz verschiedene Kräfte verbergen sich heute dahinter: Teile von attac, diverse Erwerbsloseninitiativen und das 2004 gebildete Netzwerk Grundeinkommen, dessen prominenteste Fürsprecherin die Ko-Vorsitzende der LINKEN Katja Kipping ist. Übrigens postuliert auch die FDP schon seit den achtziger Jahren das sogenannte Bürgergeld. Der bekannteste Anhänger des BGE auf Unternehmerseite ist der Drogeriemarktbesitzer Götz Werner.

Der Bundesparteitag der Linkspartei in Berlin vom 9. bis 11. Mai will sich nun auch mit dieser Frage beschäftigen. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir hier einen Beitrag von Heino Berg aus Göttingen (leicht gekürzt) nach, der in der „Solidarität“ vom März 2011 mit Ronald Blaschke, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestagsbüro von Katja Kipping und Mitglied im Rat des Netzwerkes Grundeinkommen, hierüber diskutierte und die Position der SAV vertritt:

Warum das BGE der falsche Weg ist

Die SAV spricht sich seit Jahren gegen diese Forderung aus, weil sie die notwendige Einheit der erwerbstätigen und arbeitslosen Teile der Arbeiterklasse praktisch unmöglich macht. Das „bedingungslose Grundeinkommen“ würde staatliche Leistungen, die ja letztlich aus der Erwerbsarbeit finanziert werden, nicht nur denen, die sie benötigen, sondern auch denen zukommen lassen, die ohnehin mit der Ausbeutung der Lohnabhängigen Profite machen.

Das BGE würde wie ein universeller Kombilohn wirken und – ähnlich wie die Hartz-Gesetze – wie eine staatliche Lohnsubvention. Die Kapitalbesitzer müssten den Wert der Ware Arbeitskraft (also das, was zu deren Erhaltung notwendig ist) nicht mehr direkt in Form von Löhnen zahlen, weil die Existenzsicherung ja bereits aus Steuermitteln (und damit indirekt wiederum durch die lohnabhängige Mehrheit der Bevölkerung) über den Sockel des BGE finanziert werden soll. Die schreiende Ungerechtigkeit der Einkommensverteilung im Kapitalismus würde durch das BGE also zu-, und nicht etwa abnehmen.

Die Popularität des BGE unter vielen Erwerbslosen ist eine verständliche Reaktion auf die skandalösen Schikanen, die ihnen durch die Hartz-Gesetze zugemutet werden. Dagegen muss DIE LINKE die vollständige Rücknahme der Hartz-Gesetze, die Entfristung der Arbeitslosenhilfe und eine sanktionsfreie Grundsicherung, die deutlich über Almosen hinausgeht und eben zu einer wirklichen Grundsicherung reicht, verlangen, welche die übrigen Sozialleistungen nicht ersetzt, sondern ergänzt.

Die Enttäuschung von vielen Arbeitslosen über das Verhalten der Gewerkschaftsführung im Kampf gegen die Hartz-Gesetze, gegen die Massenarbeitslosigkeit und die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse darf nicht zur Flucht in Scheinlösungen führen. So wichtig es ist, für eine menschenwürdige Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Krankheit oder im Alter zu kämpfen: Deren Finanzierung und Zukunft ist – unabhängig vom „Modell“ dieser Grundsicherung – mit der grassierenden Massenarbeitslosigkeit und mit dem Kapitalismus in seiner historischen Krise nicht vereinbar. Letztlich sind es die Lohnabhängigen, die den gesellschaftlichen Reichtum und damit den Spielraum für sogenannte „Transferleistungen“ produzieren. Nur wenn die vorhandene Arbeit durch drastische Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich auf alle verteilt wird, die dazu in der Lage sind, können die sozialen Errungenschaften der Arbeiterbewegung verteidigt und ausgebaut werden.