Venezuela: Gefahr der Konterrevolution wächst

Foto: http://www.flickr.com/photos/periodismodepaz/ CC BY-NC 2.0
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Kampf gegen Kapitalismus und die politische Rechte nötig

Mit nur hauchdünner Mehrheit von lediglich 200.000 Stimmen ist Nicolas Maduro bei den venezolanischen Präsidentschaftswahlen ins oberste Regierungsamt geradezu geschliddert und schlug damit Capriles, den Kandidaten der politischen Rechten. Eigentlich war erwartet worden, dass Maduro, der von Chavéz als sein Nachfolger vorgeschlagen worden war, die Wahl mit größerem Abstand für sich entscheiden würde.

von W. Prieto und J. Rivas, Mitglieder von Socialismo Revolucionario (Schwesterorganisation der in Venezuela)

Diese denkbar knappe Mehrheit wirft die Gefahr eines Sieges der rechten, konterrevolutionären auf.

Seit den Wahlen scheint die Rechte darauf zu verzichten eine offene Konfrontation einzugehen. Stattdessen fordert sie (zusammen mit John Kerry, dem Vertreter des US-Imperialismus) die Neuauszählung der Stimmzettel. Sie scheinen es nun darauf anzulegen, die schwache neue Regierung zu untergraben und sie dadurch wieder aus dem Amt zu bekommen,. Am liebsten wären ihr so schnell wie möglich Neuwahlen.

Als am 5. März dieses Jahres der Tod von Chavéz verkündet wurde, strömten Millionen von Menschen auf die Straße, um ihre Trauer und Unterstützung für die Bolivarianische Revolution zum Ausdruck zu bringen. Dieser Augenblick ließ zusammen mit der Tatsache, dass der Chavismus bei den Gouverneurswahlen vom Dezember 20 der 23 zu vergebenen Posten gewann, alles danach aussehen, dass man gut aufgestellt sei, um jede beliebige Präsidentschaftswahl zu gewinnen.

Als die Präsidentschaftswahlen dann auf den 14. April terminiert wurden, deutete alles auf einen klaren Sieg für Maduro hin, obwohl die Unzufriedenheit unter den Massen aufgrund der wirtschaftlichen Lage, der Ineffizienz und der Bürokratisierung der staatlichen Strukturen zunimmt.

„Socialismo Revolucionario“ (SR) verfasste im Vorfeld dieser Wahl ein Dokument, das auf unserer Positionierung vom Oktober 2012 anlässlich der damaligen Präsidentschaftswahlen basierte. Darin äußerten wir: „Es wird nicht genügen, für Maduro zu stimmen!“. SR verteidigte ein Programm für revolutionäre Demokratie und sozialistische Forderungen zur Ausweitung und Vertiefung der Revolution, Abwehr des Kapitalismus und Korrektur des bisherigen Programms, das nicht den Weg in Richtung Vollendung der sozialistischen Revolution weist.

Die Position von SR stand in diametralem Gegensatz zu der einiger anderer linker Organisationen. Viele von diesen vertreten eine sektiererische Haltung und plädierten dafür, mit „Nein“ zu stimmen, ohne die Folgen eines Sieges der Rechten, die extreme Polarisierung im Land oder das derzeitige Bewusstsein der Massen zu berücksichtigen. Das andere Extrem war, ohne jede Kritik an der von Maduro vertretenen Entwicklungsrichtung oder seinem Programm, in opportunistischer Art und Weise zu seiner Wahl aufzurufen.

Im Gegensatz zu vielen anderen dieser Gruppierungen verteilten wir unsere Position in den Tagen vor der Wahl in Form von Flugblättern vor U-Bahn-Stationen in Caracas und bei der Abschlusskundgebung von Maduros Wahlkampagne. Dabei wurden wir scharf kritisiert, weckten aber auch das Interesse von Mitgliedern von der Basis der PSUV, der Partei von Chavéz.

Diese Parteimitglieder sagten, sie gingen davon aus, dass der Tod von Chavéz nun den Raum bieten würde, um über den Fortgang der Revolution zu diskutieren. Tatsächlich machte aber die Führung der PSUV klar, dass jetzt nicht der Zeitpunkt sei, Kritik zu üben, sondern die Kandidatur von Maduro zu unterstützen.

Viele FunktionärInnen des Chavismus waren und sind immer noch von Parteiausschlussverfahren bedroht, weil sie Kritik geübt haben, die wesentlich milder geäußert wurde als das, was die SR-Mitglieder in ihren Flugblättern vorbrachten. Solche Methoden, intern geäußerte Kritik und Diskussion von Grund weg auszuschließen – eine vom Stalinismus bestens bekannte Methode – hatte einen extrem negativen Effekt vor allem innerhalb einer Partei, die von sich behauptet, unter dem Banner des revolutionären Sozialismus zu operieren.

Maduro hat die Wahl mit minimalem Vorsprung gewonnen. Das war selbst für die unkritischsten PSUV-Mitglieder ein Weckruf und wirft innerhalb der Parteimitgliedschaft Fragen auf, die genau diese Kritik zu Tage fördern werden. In nur sieben Monaten seit der letzten Präsidentschaftswahl hat Maduro fast 700.000 WählerInnen der mehr als acht Millionen Stimmberechtigten verloren, die Chavéz auf sich vereinen konnte.

Selbst Diosdado Cabello, der aktuelle Präsident der Nationalversammlung und Vorsitzende der PSUV, fragte öffentlich, wie es sein kann, dass einE ArbeiterIn für den Unterdrücker (gemeint war Capriles) stimmen könne und sagte, dass nun die Zeit der „Selbstbetrachtung“ gekommen sei.

Die Antwort auf Cabellos Frage lautet, dass der Arbeiterklasse, den Armen und Unterdrückten wie auch Teilen der Mittelschicht keine echte revolutionäre Alternative angeboten wird. Bedauerlicherweise betrachten so viele Menschen die heuchlerische, populistische und opportunistische Rechte als Lösung für ihre Probleme. Diese täglichen und grundlegenden Probleme und das Fehlen einer Debatte darüber haben es für einige schwer werden lassen, die Regierung weiterhin zu verteidigen.

Der Unwille der sogenannten revolutionären FührerInnen, diese Missstände zu diskutieren, hat viele dazu gebracht, sich von der Regierung abzuwenden. Die Arbeiterin und Arbeiter, der/dem gesagt wird, dass die regelmäßigen Stromausfälle teilweise ihre Schuld aufgrund von Überbeanspruchung des Stromnetzes sei, und die Arbeiterin und der Arbeiter, die/der tatsächlich für die derzeitige Wirtschaftskrise in Form von Währungsabwertungen finanziell aufkommt und sich mit Lebensmittelknappheit rumschlagen muss, wird leider in die Arme von gefährlichen politischen Rechtspopulisten getrieben, die sich momentan als faire und demokratische Kraft präsentieren, die nur das eine will: die „Einheit“.

Im Übrigen ist die Lebensmittelknappheit das Ergebnis einer parasitären bürgerlichen Schicht, die im Venezuela von heute immer noch existiert. Das hat ebenfalls die Regierung zu verantworten, die die genannte Schicht weiterhin mit Geld unterstützt, mit dem Waren importiert werden, die den ArbeiterInnen aber die entsprechenden Industriezweige nicht überantworten will.

Und nun?

Wir haben es heute mit einer Rechten zu tun, die an Selbstvertrauen gewonnen und zudem eine bedeutende gesellschaftliche Basis gewonnen hat. Auf der Wahlebene ist sie fast so stark wie der Chavismus. Teilweise liegt das an der Fähigkeit der Rechten, auf demagogische Weise Kapital aus den Fehlern und den Schwächen der Regierung zu schlagen. Sie ist in Teilen aber auch in der Lage, das Vakuum einer kritischen, linken, sozialistischen Opposition auszufüllen, die es bislang nicht geschafft hat, sich im revolutionären Prozess zu entwickeln.

Der Ball liegt jetzt bei Maduros Regierung. Sie kann sich in Richtung einer Aussöhnung mit der Rechten bewegen oder den revolutionären Prozess radikalisieren und verfestigen, um sich in Richtung Sozialismus zu bewegen. Wenn sie die letztgenannte Option wählt, was wir natürlich hoffen und wofür wir kämpfen, dann muss sie die große gesellschaftliche Basis anerkennen, die die Rechte heute als ihre Alternative für Wandel betrachtet und einen neuen Kurs erklären, mit dem man deren Unterstützung erneut für sich gewinnen kann.

Nach 14 Jahren des Kampfes, allgemeinen Abnutzungserscheinungen innerhalb der Bewegung und einem hohen Maß an aufgestauter Unzufriedenheit sowie einer ganzen Reihe begangener Fehler muss ein massiver Kampf geführt werden, um diese Hürden überwinden zu können und eine Bewegung zu entwickeln, mit der die sozialistische Revolution auf demokratischer Basis erreicht werden kann.

Dies ist eine von etlichen Herausforderungen, vor denen die Regierung Maduro steht. Wir dürfen nicht in die Falle treten und denken, dass alle sieben Millionen Menschen, die für Capriles gestimmt haben, Kapitalisten oder Oligarchen sind. Wie Fidel Castro während eines Treffens der beiden schon vor Jahren zu Chavéz sagte: „[…] glaube nicht, dass die fünf Millionen, die heute zur Opposition in Venezuela gehören, alle Bürgerliche wären“.

„Socialismo Revolucionario“ warnt vor der wachsenden Gefahr eines Sieges der rechten, konterrevolutionären Kräfte. Die Arbeiterklasse, die verarmten Massen und all jene, die wollen, dass es mit der Revolution voran geht, müssen dringend die Lehren aus dem Erstarken der Rechten bei diesen Wahlen ziehen. Es ist nötig, die Revolution voranzutreiben und mit dem Kapitalismus zu brechen.

Die arbeitenden Massen und jungen Leute müssen dringend zu Versammlungen zusammenkommen, um die Gefahr der Konterrevolution zu bannen. Die Massen müssen ihre eigenen Organisationen und ihre Kraft aufbauen. Übernehmt die Betriebe, etabliert Komitees zur demokratischen Kontrolle und Verteidigung gegen die Angriffe von rechts.

Kämpft für die Verstaatlichung der Produktionsmittel, die zum Großteil immer noch im Besitz der parasitären kapitalistischen Klasse sind. Sie müssen vorbehaltlos unter die demokratische Kontrolle der ArbeiterInnen und der BewohnerInnen in den Nachbarschaften gestellt werden und dürfen nicht – wie derzeit – unter der Kontrolle der Bürokratie verbleiben.

Für die demokratische Organisierung der ArbeiterInnen und Nachbarschaftsviertel in Komitees, die den Auftrag haben müssen, für eine geplante Wirtschaft zu sorgen, mit der unsere Bedürfnisse befriedigt werden können und nicht die der herrschenden Klasse. Diese Ökonomie wird nicht dieselbe sein wie die kapitalistische Wirtschaft, die derzeit noch unter einem Deckmantel dessen existiert, was heute in Venezuela als „Sozialismus“ bezeichnet wird.

Maßnahmen wie diese werden nicht nur den Vorstoß der Rechten aufhalten und unsere Brüder und Schwestern zurückgewinnen, die von der Rechten verführt worden sind. Sie werden auch zu internationaler Solidarität mit denen führen, die für wirklichen Wandel eintreten. Und wir werden dazu anregen, dass dieser Wandel Wirklichkeit wird. Solche Schritte sind nun dringend geboten, um einen Triumph der Rechten zu verhindern.