Der Krieg um den Rohstoff-Reichtum im Kongo

Jetzt, da Zehntausende auf der Flucht aus Goma sind, droht eine weitere humanitäre Katastrophe

von Per-Åke Westerlund, „Rättvisepartiet Socialisterna“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Schweden)

Grundsätzlich geht es bei dem militärischen Konflikt in der „Demokratischen Republik Kongo“ um die Kontrolle über die Bergbaugebiete und Riesen-Profite. Mit den Anliegen der „einfachen“ Bevölkerung hat dieser Krieg rein gar nichts zu tun. Mehr als 60.000 Menschen sind in der jüngsten Zeit vertrieben worden.

Am Dienstag, dem 20. November, ist Goma, die die Hauptstadt der Provinz Nord Kivu und größte Stadt im Osten des Kongo, von den Rebellen der Fraktion „M23“ eingenommen wurden. Bei den „M23“ handelt es sich um eine von Ruanda unterstützte bewaffnete Bewegung, die im Mai 2011 gegründet wurde.

Schon vorher wurden rund eine Million Menschen aus Kivu gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. Immer neue Flüchtlingswellen mit zehntausenden von Vertriebenen aus Goma und anderen Orten machen sich auf die Suche nach Notunterkünften und Schulgebäuden, in denen es meist weder Lebensmittel noch Medikamente gibt.

Mehr als sechs Millionen Menschen sind in Folge der Kriege im Kongo seit 1998 ums Leben gekommen. Die meisten von ihnen starben an Unterernährung und Krankheiten. Die tiefere Ursache für die Kriege im Kongo liegt im enormen Reichtum an Naturschätzen mit Gold- und Kupfervorkommen sowie einer Reihe seltener Bodenschätze begründet. Es ist die Fortsetzung der Ausplünderung aus Zeiten des Kolonialismus und Imperialismus, die 130 Jahre lang andauerte.

USA und EU wie auch die Regierenden in China haben das Regime von Joseph Kabila in der Hoffnung unterstützt, einen ausreichenden Grad an Stabilität zu erreichen, um mit der Ausbeutung der Rohstoffe des Kongo fortfahren zu können. Trotz des Wahlbetrugs, der schwerwiegenden Repression und militärischer Konflikte hat der korrupte Präsident finanzielle Hilfe erhalten, und mit 20.000 Soldaten hat auch die UNO ihren Beitrag geleistet.

„M23“ wurde 2011 gegründet, reicht aber auf eine bewaffnete Vorgängerbewegung, die CNDP, zurück, die im Jahr 2008 kurz davor war, Goma einzunehmen. „M23“ wird von Bosco Ntaganda befehligt, der im Januar 2009 die Führung über die CNDP vom berüchtigten Laurent Nkunda übernahm. Letzterer suchte in Ruanda.

Die Bewegung hat ihren Namen von einem „Friedensabkommen“, das am 23. März 2009 zwischen der kongolesischen Regierung und der CNDP getroffen wurde. In diesem Abkommen ist festgelegt, dass die militärischen Einheiten der CNDP und parallel dazu die örtlichen Autoritäten in die staatliche Armee, die FARDC, und Regierungseinheiten eingegliedert werden.

Bosco Ntaganda, der neben Nkunda vom „Internationalen Gerichtshof“ in Den Haag gesucht wird, war mehr als zwei Jahre lang nach dem Friedensabkommen hochrangiger Offizier in der kongolesischen Armee. Aber eine Zusammenarbeit zwischen den ehemaligen Führern der CNDP und der Regierung unter Präsident Joseph Kabila in Kinshasa war nicht möglich.

„Finanz-Rivalitäten um die Kontrolle der Minen“

Wegen des Konflikts zwischen den alten und den neuen Offizieren der CNDP hat sich die FARDC, die Landesarmee, gespalten. Grund dafür war die „Finanz-Rivalität […] um die Kontrolle über die Minen“. Dies gilt vor allem für das Terrain um Walikale in der Provinz Nord Kivu, so die Krisen-Forschungsgruppe „International Crisis Group“. Bosco Ntaganda selbst ist ein reicher Geschäftsmann. Im Februar 2011 wurde in Goma in seinem Privatflugzeug eine Goldlieferung entdeckt.

Die Regierungstruppen, die eine zeitlang von Bosco befehligt wurden, schafften es nicht, andere bewaffnete Kräfte in der Region – wie etwa die Mai-Mai-Gruppen und die FDLR-Miliz der hut – zu bezwingen, die mehrere Bergbaugebiete kontrollieren. Und statt Frieden zu bekommen, wurden neue bewaffnete Einheiten zusammengeschmiedet. Einige von ihnen nur deshalb, um die eigenen Wohnorte gegen bewaffnete Angriffe, Plünderung und illegitime Steuereintreiber zu schützen, die sowohl aus den Reihen der Armee als auch der Milizen kommen.

Für die Regierung des benachbarten Ruanda hat der Kampf gegen die FDLR eine besondere Bedeutung. Die FDLR wird von Hutus geführt, die aus Ruanda kommen und die an der Vernichtung von einer Million Tutsi im Jahre 1994 beteiligt waren. Erst im August dieses Jahres haben ruandische Einheiten die Ortschaft Rutshuru im Kongo verlassen, in der sie stationiert waren und von wo aus sie gegen die Kräfte der FDLR gekämpft haben. Die UNO kritisiert Ruanda dafür, die „M23“-Einheiten zu unterstützen und zu finanzieren.

Nachrichtenagenturen zu Folge hat die „M23“ nur etwas über eintausend Soldaten. Trotzdem haben sie es relativ einfach geschafft, die Regierungstruppen aus Goma zu vertreiben. UN-Einheiten in der Stadt haben die Armee dabei aus der Luft mit Helikoptern unterstützt, griffen gegen „M23“ aber auf dem Boden nicht ein. Wie in früheren Fällen hagelte es auch diesmal harrsche Kritik von Ortsansässigen und Flüchtlingen gegenüber der UNO.

Das erklärte Ziel von „M23“ ist es, weitere Städte im Osten Kongos einzunehmen, um dann einen Schlag gegen die Hauptstadt Kinshasa zu fahren, die sich 1.500 Kilometer westlich befindet. Dann würden sie genau das gegen Laurent Kabila wiederholen, was dieser 1996/-97 gegen seinen Vorgänger Mobutu geschafft hat: einen Sieg mit militärischen Mitteln. 1998 begann der große Krieg, als Kabilas Regime ernsthaft – in erster Linie durch Truppen, die von Ruanda und Uganda unterstützt wurden – herausgefordert wurde. Und nun leistet Ruanda erneut „heimliche“ Hilfe für ganz bestimmte Kräfte im Kongo – dieses Mal ist die „M23“ der Adressat.

Die Regierungen in Kinshasa und eine Reihe weiterer afrikanischer Länder, die von den USA und der EU unterstützt werden, haben den „M23“-Truppen ein Ultimatum gestellt. Der Präsident von Ruanda hat allerdings nicht am Afrika-Gipfel teilgenommen, der dieses Wochenende stattgefunden hat.

Bei dem Gipfel, der nur eine Stunde dauerte, wurden außerdem vollkommen unrealistische Pläne für eine neue gemeinsame Militäreinheit aufgestellt, in der die offizielle Armee neben „neutralen“ Einheiten aus Tansania zusammen mit den „M23“-Milizen vereint werden sollten – und das alles finanziert durch Südafrika.

Kann die Regierung die „M23“-Truppen vertreiben?

Die Frage lautet, ob die Regierungstruppen in der Lage sind, die „M23“-Einheiten militärisch zu bezwingen, wenn die Rebellentruppe Goma nicht von selbst wieder verlässt. „Die Wahrheit ist, dass die Moral [der Regierungs-] Truppen sehr schlecht ist. Sie haben das Vertrauen in ihre Obrigkeit verloren.”, so eine UNO-Quelle gegenüber Reuters. In der Ortschaft Minova, die von der Armee kontrolliert wird, „sind die Soldaten der Regierungsarmee in der zweiten Nacht in Folge auf Plünderungstour gegangen“, so eine andere Quelle.

Warlords wie Präsident Kabila und Bosco Ntaganda von den „M23“ benutzen die Bevölkerung als Kanonenfutter und SklavenarbeiterInnen. Sie kollaborieren mit multinationalen Konzernen wie etwa „Swedish Mineral Invest“ und „Lundin Mining“, die beide Bergwerke im Kongo betreiben. Schlacht bezahlte Soldaten, die schlechtes Essen bekommen, und auf allen Seiten anzutreffen sind, begehen schreckliche Gräueltaten an der Bevölkerung. Sie vergewaltigen und richten Massaker an. Die UNO und die westlichen Mächte sind Verbündete der Konzerne und des Regimes – nicht der Menschen, die im Kongo leben.

Die Aufgabe für SozialistInnen und AntikriegsaktivistInnen im Kongo besteht darin, die Einheit der arbeitenden Menschen und der Armen herzustellen, um für eine neue demokratisch-sozialistische Bewegung im Kongo zu kämpfen. Der Reichtum muss den ArbeiterInnen und Armen gehören und unter ihrer Kontrolle stehen. Warlords und internationale Konzerne müssen abgewehrt werden. Eine neue sozialistische Bewegung muss ungeachtet der ethnischen Zugehörigkeit alle Unterdrückten und Ausgebeuteten organisieren, um zu kämpfen und zur Selbstverteidigung gegen den Missbrauch, den die Milizen begehen. Gekämpft werden muss gegen alle Warlords und die Einmischung lokaler wie regionaler reaktionärer Regimes und des Imperialismus.

  • Kongo hat 70 Million EinwohnerInnen.
  • Sechs Millionen Menschen sind in den Kriegen seit 1998 ums Leben gekommen. 200.000 Frauen wurden vergewaltigt.
  • 2,4 Millionen Menschen sind im Land selbst vertrieben worden und 450.000 flüchteten in Nachbarstaaten.
  • 4,5 Millionen Menschen hungern.
  • Die Lebenserwartung liegt bei 54 Jahren.
  • Das Bruttonationaleinkommen pro Kopf liegt bei weniger als einem US-Dollar am Tag.
  • 2012 wurden bisher 27.000 Fälle von Cholera gemeldet.