Südafrika: Landesweites Streikkomitee wurde am 13. Oktober gegründet

Wichtiger Schritt für streikende Bergleute in Südafrika

Nachdem sozialismus.info bereits eine Übersetzung des Berichts vom Daily Maverick über die Gründung des landesweiten Streikkomitees veröffentlichte, bringen wir hier den Bericht und die Einschätzung von DSM, der Schwesterorganisation der SAV in Südafrika zu dem Treffen, der sich auch ausführlicher mit der Rolle von COSATU und NUM auseinandersetzt.

von „Democratic Socialist Movement“, DSM (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Südafrika)

Am Samstag, dem 13. Oktober, trafen sich über 120 BergarbeiterInnen, um die aktuelle Lage des Streiks zu beurteilen und auszuloten, wie es weitergehen kann. Bei den Anwesenden handelte es sich um VertreterInnen der Streikkomitees aus der gesamten Bergbauindustrie. Bedeutend dabei war, dass zum ersten Mal auch Delegationen von außerhalb der North West-Provinz dabei waren. Ein wichtiger Schritt war dann die Ausweitung des bisherigen „Rustenburg Strike Coordinating Committee“ (dt.: „Streik-Koordinierungskomitee von Rustenburg“) zum „National Strike Coordinating Committee“ (dt.: „Landesweites Streik-Koordinierungskomitee“), das nun auch die Goldminen in der Provinz Gauteng und die Platinminen in der Provinz Limpopo vertritt. Dieses Koordinierungskomitee erhielt Anrufe aus den Kohleminen der Provinz Mpumalanga, den Goldminen in der Provinz Free State und sogar aus den Diamantenminen in der Provinz Northern Cape. Von großer Bedeutung war, dass auch eine Delegation der Mine des Unternehmens „Lonmin“ gekommen war. Die KollegInnen nahmen aus Solidarität teil, obwohl ihr Streik bereits zu Ende ist. Elmond Maredi, Mitglied des DSM und Regionalsekretär der „Pan African Student Movement of Azania“ (PASMA) in der Gauteng, überbrachte die Grüße der Studierendenbewegung und sicherte Unterstützung für den Streik zu.

Vor dem Hintergrund permanenter staatlicher Repression, willkürlicher Auflösung von Versammlungen und Demonstrationen sowie der Tatsache, dass die Polizei Menschen erschossen hat und seither in Rustenburg eine Art von Ausnahmezustand herrscht, fand die Nachricht von dem Treffen nicht nur unter Bergleuten sondern auch bei ArbeiterInnen aus anderen Branchen großes Interesse. Die Medien schickten große Kontingente an JournalistInnen und FotografInnen und am Abend berichteten landesweit Fernseh- und Radiosender über die Veranstaltung. Am Montag drauf titelte die Zeitung „New Age daily“ (www.thenewage.co.za), die der Regierungspartei ANC nahe steht: „Neue Bewegung bedroht die Minen“ (http://www.thenewage.co.za/mobi/Detail.aspx?NewsID=65858&CatID=1007). Darin wurde eine kurze Geschichte zum DSM geliefert, in der es hieß, dass das DSM nicht mit Julius Malema und seinen „Economic Freedom Fighters“ (dt.: „Kämpfer für wirtschaftliche Freiheit“) in Verbindung stehe und sich davon sogar distanziert habe. Indessen fährt „New Age“ dann damit fort, Mametlwe Sebei zu zitieren, wonach die Forderung Malemas nach Verstaatlichung nur darauf ausgerichtet sei, die emporstrebende dunkelhäutige kapitalistische Klasse reicher machen zu wollen. Demgegenüber stehe das DSM für eine Verstaatlichung unter der Kontrolle und Geschäftsführung der Beschäftigten, um größere gesellschaftliche Gleichheit zu erreichen.

Die Polizeirepression hat zu verstärkter Wut innerhalb der Wohnviertel und Communities geführt. Die Bergbaugewerkschaft NUM behauptet, dass 13 ihrer Betriebsräte getötet worden seien und dass andere in sicherere Gegenden umziehen mussten. Selbst die NUM musste sich aber wieder von Anschuldigungen distanzieren, dass die Toten auf das Konto der anderen Bergarbeitergewerkschaft, der AMCU, gehen würden. In den Wohnvierteln von Rustenburg herrscht das Gefühl, dass die neue Welle von Erschießungen vorsätzlich inszeniert ist, um dem Staat die Kulisse zu schaffen, die es für verstärkte Repression braucht. Dutzende sind verhaftet worden und als das Treffen vom 13. Oktober zu Ende war, gab es Berichte, dass einer der 22 Leute, die in der Woche, nachdem ein Minibus in Brand gesetzt worden war, inhaftiert wurden, starb, nachdem die Polizei ihn gefoltert hatte.

Unter Vorsitz von Mametlwe Sebei, einem Genossen vom DSM, hielt der Genosse Alec Thraves von der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in England und Wales), der die Grußworte von den 45 Sektionen des „Committee for a Workers’ International“ (CWI, deren Sektion in Deutschland die SAV ist) überbrachte, die Eröffnungsrede. Sein Aufruf zur Bildung einer Massenpartei der ArbeiterInnen, die mit einem sozialistischen Programm ausgerüstet sein müsse, wurde enthusiastisch begrüßt und seine Rede, in der er auf den britischen Bergarbeiterstreik von 1985 wie auch auf den Druck Bezug nahm, den heute das „National Shop Stewards Network“ auf den Gewerkschaftsbund TUC ausübt, um zum ersten Generalstreik in Großbritannien seit 1926 zu kommen, erhielt starken Beifall.

Wie eine Demonstration ihres Kampfgeistes und ihrer Missachtung gegenüber der Konzernleitung wiesen die 12.000 entlassenen ArbeiterInnen bei „Anglo Platinum“ die von der Geschäftsleitung gesetzte Drei-Tages-Frist zurück, innerhalb derer sie gegen ihre Kündigung hätten Einspruch einlegen können. Der letzte Tag dieses Ultimatums war exakt der Tag des hier beschriebenen Treffens. Auf die Rede des Genossen Alec folgte eine Diskussions- und Fragerunde. Danach gab es dann Berichte aus allen Regionen über die jeweilige Lage vor Ort. Als Reaktion auf die Drohungen, die Minen zu schließen, bemerkten ArbeiterInnen, dass aufgrund der niedrigen Löhne, die sie überhaupt erhielten, es keinen großen Unterschied mache, ob sie nun arbeiten würden oder nicht und ob die Bergwerke nun in Betrieb seien oder nicht. Demnach könnten die Arbeitgeber, wenn sie den Forderungen der ArbeiterInnen nicht nachkommen, die Minen auch ganz stilllegen.

Als Antwort auf Einwände, wonach die Beschwerden der VertragsarbeiterInnen nicht genügend Beachtung finden würden, wurde vereinbart, dass das Koordinierungskomitee, dass seine Arbeit nun aufnehmen wird, nicht nur nach einem regional bedingten Repräsentanz-Schlüssel zusammengesetzt sein wird, sondern auch zu einem Drittel aus VertragsarbeiterInnen bestehen soll. Auch die weiblichen Kolleginnen sollen genügend repräsentiert werden. Zudem wird das Koordinierungskomitee auch einen aus weniger Personen bestehenden geschäftsführenden Ausschuss gründen.

Das Koordinierungskomitee verteilte einen Aufruf für einen Generalstreik und eine Demonstration am 3. November. Ziel sind die „Union buildings“, der Sitz der Regierung in Pretoria. Der Generalstreik soll der Forderung nach einem monatlichen Mindestlohn von 12.500 (rund 1.100 Euro) Nachdruck verleihen. Dabei handelt es sich um die Summe, für die die Beschäftigten bei „Lonmin“ in den Streik getreten waren. Der Genosse Sebei rief die ArbeiterInnen aus allen Branchen – von Industriebetrieben bis hin zur Landwirtschaft – dazu auf, als Vorbereitung auf den 3. November in ihren Betrieben Streikkomitees zu gründen. Der Aufruf des Genossen Sebei, die Bergwerke unter der Kontrolle und Geschäftsführung der Beschäftigten zu verstaatlichen, wie auch seine unterstützenden Worte für den Appell des Genossen Alec, eine Massenpartei der ArbeiterInnen mit sozialistischem Programm anzustreben, erhielten Applaus. Gaddafi Mdoda, Mitglied im Koordinierungskomitee, lobte ausdrücklich die Arbeit des DSM. Er erklärte, dass dieser Streik ohne das DSM schon längst zu Ende sei und beendete seine Rede, indem er rief: „Viva DSM! Viva!“.

Die NUM, deren T-Shirts verbrannt und in einem Sarg begraben wurden, und zu deren Regional-Geschäftsstelle in Rustenburg hunderte ArbeiterInnen zogen (auseinandergetrieben von der Polizei), um die sofortige Aufhebung ihrer Mitgliedschaft zu fordern, wurde mehrfach verurteilt. Dasselbe galt für den Gewerkschaftsbund COSATU und die ANC-Regierung. Zur ewigen Schande für den COSATU ist dieser trotz der sich ausbreitenden Wut im Land mit keinem einzigen Vorschlag herausgekommen, um eine Aktion oder gar Aktionen gegen das Blutbad von Marikana durchzuführen. Und trotz der Streikwelle, die das Land erfasst hat, gab es noch nicht einmal Pläne für Solidaritätsaktionen für die Bergleute. Um die Kontrolle über das Handeln der Bergleute zurückzugewinnen hat die COSATU-Führung stattdessen versucht, die Forderung nach einem Mindestlohn von 12.500 Rand auf heuchlerische Art und Weise aufzugreifen und die NUM dafür kritisiert, dass sie versucht hat, die ArbeiterInnen zu überreden, einen Streik abzubrechen, der von ihr (der NUM) nicht ausgerufen worden ist. Auch hat der COSATU Druck auf die „Chamber of Mines“ (Arbeitgeberverband CoM) ausgeübt, um zurück an den Verhandlungstisch zu kehren.

Die Strategie der COSATU-Führung bestand darin, die Glaubwürdigkeit der NUM und das Ansehen von Tarifverhandlungen wieder herzustellen, um den Streik schließlich beenden zu können. Aber nicht allein dies ist schiefgegangen. So endeten die Verhandlungen mit der CoM in einer Sackgasse, nachdem die Geschäftsführung ein lächerliches Angebot vorgelegt hatte: Man könne gerne die Vergütungsstufe eins abschaffen. Dabei handelt es sich um die niedrigste Lohnstufe. Ein Angebot, mit dem man auf die wesentlichen Forderungen eingegangen wäre, gab es aber nicht.

Weil die ArbeiterInnen auch angesichts von Drohungen mit Massenentlassungen und Schließung von Bergwerken standhaft bleiben und wegen der Ausweitung des Koordinierungskommittees zu einem nun landesweit agierenden Organ, ist damit nun die Grundlage geschaffen, um die Aktionen von mehr als 100.000 Bergleuten, die sich momentan im Streik befinden, miteinander zu vereinen. Beschäftigte anderer Branchen – darunter auch die Kohlebergwerke, beraten zur Zeit über Aktionen. Über die Bergwerksbranche hinaus und trotz der Einigung, die beim Arbeitskampf der LKW-FahrerInnen erzielt wurde, sind ArbeiterInnen anderer Branchen dabei, sich mit in die Welle der kämpferischen ArbeiterInnen zu stürzen, die über das ganze Land hereinbricht und bis jetzt dazu geführt hat, dass 1,6 Millionen Arbeitstage durch den Ausstand verloren gegangen sind. Und dazu zählen auch PolizistInnen oder Kommunalbeschäftigte, die momentan darüber abstimmen, wie lange ihre Arbeitskampfmaßnahmen dauern sollen. Bei ihnen geht es um die Frage: eintägiger oder unbefristeter landesweiter Streik.

Angesichts der Feigheit von COSATU ist es das Koordinierungskomitee, dem es zugekommen ist, die Führung zu übernehmen und die weit verbreitete Wut zu kanalisieren. Dieses Komitee ist entschlossen, den Kampf gegen die Konzernherren zu vereinen. Deren Strategie scheint hingegen vollkommen ohne jeden Zusammenhang, wenn nicht sogar vollkommen wirr zu sein. So schlugen sie am selben Tag, an dem die Konzernchefs von „Anglo Platinum“ die Entlassung der 12.000 KollegInnen ankündigten, ein Treffen mit dem Streikkomitee vor.

Die Taktik von Zwelinzima Vavi, dem Generalsekretär des COSATU, das eigene Fähnchen einfach in den Wind zu drehen, geht mittlerweile noch darüber hinaus, die Mindestlohnforderung zu unterstützen und die Bergarbeitergewerkschaft NUM zu kritisieren. So hat er tatsächlich auch schon seine Fühler in Richtung des Koordinierungskomitees ausgestreckt. Aber das Komitee ist sich vollkommen im Klaren über seine dahinter stehenden Absichten, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und ein Ende des Streiks sicherzustellen. Trotzdem hat man beschlossen, dass man nicht grundsätzlich gegen ein Treffen ist. Dabei wird das Komitee aber den COSATU auffordern, den Generalstreik und den Marsch ins Regierungsviertel von Pretoria zu unterstützen.

Das Koordinierungskomitee vereinbarte auch, dass es – auch wenn es kein Ersatz für bestehende Gewerkschaften sein kann – nach einer Beendigung der Streiks weiter bestehen und beim Wiederaufbau einer demokratischen und kampfbereiten Gewerkschaftsbewegung mithelfen wird. Die Notwendigkeit dafür leitet sich ab, aus der wütenden Reaktion der Beschäftigten der „Amandel Bult“-Platinmine in der Nähe von Rustenburg. Dort wollte Vavi mit den ArbeiterInnen sprechen und hatte einen ganzen Stab an MedienvertreterInnen dabei. Als er geltend machen wollte, dass er als Vertreter von COSATU und nicht im Namen der NUM gekommen sei, antworteten die ArbeiterInnen, dass COSATU und die NUM ein und dasselbe seien. Als Vavi weitere Argumente vorbringen wollte, flogen nur noch die Steine, und Vavi und seine Mitreisenden blieb nichts als ein würdeloser Rückzug.

Der Albtraum der NUM, der COSATU und der herrschenden Elite im ANC, auf den sich der Leitartikel in der südafrikanischen Wirtschaftszeitung „Business Day“ vom 17. August 2012, dem Tag nach dem Blutbad von Marikana, bezog, besteht darin, dass der Aufstand der BergarbeiterInnen die ganzen Verwicklungen im Land offenlegt. Im Artikel heißt es, dass „es ein Machtzentrum im Land gibt, auf das sie nur wenig bis gar keinen Einfluss haben und das selbst nur wenig bis gar keinen Respekt hat vor den Mächten, die sich ihnen entgegen stellen mögen“. Das Schicksal ist über die NUM hereingebrochen. Und es lässt erahnen, was auch dem COSATU passieren kann und dann wohl auch auf den ANC zukommen mag: Selbst mittelfristig wird die Partei, da die Schlacht um die Nachfolge auf dem Präsidentenposten in vollem Gange ist, in einen ausgewachsenen Bürgerkrieg hineingezogen. Das „Landesweite Streikkomitee“ wird eine wichtige Rolle bei der Formierung einer Massenpartei der ArbeiterInnen spielen. Und das wird zu einem enormen Druck auf das DSM führen, weil die Erwartung wachsen wird, das DSM müsse diese Massenpartei ins Leben rufen.