Wie konnte ein Anders Breivik in der norwegischen Gesellschaft entstehen?

Kampf gegen Rechts mit Kampf gegen Sozialabbau verbinden


 

Die bürgerlichen Medien – sowohl in Skandinavien als auch in Deutschland – wurden im letzten Monat nicht müde, Anders Breivik (der am 22. Juli in Norwegen ein Massaker verübte, bei dem er 77 Menschen tötete) als irregeleiteten Einzeltäter ohne Verbindung zu anderen darzustellen. Oftmals wird verschwiegen, dass Breivik Mitglied einer islamophoben internationalen Vereinigung war, die sich vor allem auf dem Blog „Gates of Vienna“ austauschte. Breivik war zudem mehrere Jahre Mitglied der rechtspopulistischen Fortschrittspartei.

von Stefan Godau, Kopenhagen

Anders Breivik setzte sich die Ausrottung des „Kulturmarxismus“ zum Ziel und beschrieb dies detailliert in seinem „Manifest“. Demzufolge war der Angriff auf das Sommerlager der norwegischen Jusos eine logische Konsequenz seiner Handlungen und ein direkter Anschlag auf die Arbeiterbewegung.

Aufstieg des Rechtspopulismus in Skandinavien

Die Wahlerfolge der Fortschrittspartei in Norwegen, der Dänischen Volkspartei, der Schwedendemokraten und der „Wahren Finnen“ hängen eng mit dem Niedergang der „Wohlfahrtsstaaten“ zusammen. Seit den neunziger Jahren wurden Staatsbetriebe wie Post, Telekom oder Eisenbahn privatisiert, Löhne und Sozialleistungen gesenkt und Wohnungsbau und ÖPNV dereguliert. Die sozialdemokratischen Führungen argumentierten damit, dass es keine Alternative zum Markt gäbe und huldigten dem „Dritten Weg“ Tony Blairs. Linke Ideen galten als „altmodisch“, SozialistInnen wurden aus den Parteien rausgedrängt.

Wie in Deutschland gab es Mitte der Neunziger eine Reihe von Nazi-Anschlägen auf Gewerkschaftsaktive, MigrantInnen und Linke. Die Sozialdemokratien heizten den Rassismus eher noch an. So forderten mehrere sozialdemokratische Bürgermeister einen Zuwanderungsstopp in den Kopenhagener Vororten.

In Norwegen und Dänemark sind die rechtspopulistischen Formationen als sogenannte Steuer-Protestparteien entstanden. Mit einem geschickten Mix aus Sozialpopulismus und nach und nach verstärkter rassistischer Hetze gelang es diesen Parteien, insbesondere enttäuschte sozialdemokratische WählerInnen anzusprechen und die jeweiligen Regierungen vor sich herzutreiben. In Dänemark wurde ein Gesetz beschlossen, das Ehen zwischen Dänen und MigrantInnen erst erlaubt, nachdem der ausländische Partner das 24. Lebensjahr vollendet hat. Die Sozialdemokratie hat dieses Gesetz damals mitbeschlossen und bei einem Regierungswechsel im Herbst sieht es nicht danach aus, dass Grüne und Sozialdemokraten einen Kurswechsel einleiten werden. Im Gegenteil: Auch eine kommende sozialdemokratisch geführte Regierung will ein Punktesystem für ZuwanderInnen einführen.

Gefahr von Rechts bleibt

Sowohl Siw Jensen von der norwegischen Fortschrittspartei als auch Pia Kjærsgaard von der Dänischen Volkspartei sehen keinen Grund, ihre Rhetorik jetzt zu ändern. Es ist durchaus vollstellbar, dass „Anders Breiviks“ auch andernorts entstehen können. Der Führer der dänischen Nazi-Partei DNSB warnte bereits die dänischen Jusos, sie sollten sich auf Ähnliches gefasst machen.

Sozialdemokraten und Grüne haben keine Antwort auf die Krise: Die Armut ist unter Rot-Grün in Norwegen gestiegen und der Plan einer kommenden rot-grünen Regierung in Dänemark, die Wochenarbeitszeit um eine Stunde zu erhöhen, ist wohl kaum dazu geeignet, sich als sozialer als der jetzige regierende Rechtsblock darzustellen.

Alternative zum Kapitalismus erforderlich

Auch wenn alles danach aussieht, dass die norwegische Sozialdemokratie die kommenden Kommunalwahlen gewinnt, so wird dies nicht das grundlegende Problem lösen: Das kapitalistische System bereitet den Boden für soziale Spaltung, auf dem Terroristen wie Anders Breivik und rassistische Parteien gedeihen können – gerade wenn die Linke keinen Ausweg aufzeigt. Deshalb wird es entscheidend sein, eine sozialistische Alternative zum kapitalistischen Profitsystem aufzubauen. Die Demonstrationen gegen Rassismus und Sozialabbau am 27. August in Kopenhagen und am 14. September in Stockholm sind hierfür wichtige Termine.