Spanien: Neue Explosion der 15M-Bewegung am 19. Juni

Verstärkt den Kampf um einen Generalstreik!


 

Am letzten Sonntag gab es in Spanien die größten Massendemonstrationen seit dem Beginn der Wirtschaftskrise, die UnterstützerInnen der 15M-Bewegung füllten die Straßen aller größeren Städte. Ein menschlicher Tsunami aus Jungen und Alten tauchte wie aus dem Nichts auf und begeisterte die Protestierenden und AktivistInnen die den 19. Juni (19-J) wochenlang vorbereitet hatten.

von Danny Byrne, CWI-Reporter in Madrid

Die Beteiligung an den Demonstrationen übertraf alle Erwartungen und zeigt eine wichtige Verbreiterung der Bewegung. Die Medienberichte und die dreisten Lügen über die Beteiligung machen alle, die an den Demonstrationen teilgenommen haben sprachlos. Und diese Lügen sind leicht zu entlarven.

El Pais berichtet, dass „Zehntausende“ auf die Straße gegangen seien. Darin enthalten sind „42000“ in Madrid und „98000“ in Barcelona. Aber sie behaupten auch, dass in Madrid „über 1000 Polizisten“ auf der Straße gewesen wären. Ein Blick auf Fotos oder Videos von den Protesten zeigt, dass das angebliche Verhältnis von einem Polizisten zu 40 Protestierenden lächerlicht ist! Zweitens zeigt das Video am Ende des Artikels Demonstrierende in Madrid. Wie viele Menschen sind dort? Anscheinend sind tatsächlich „Zehntausende“ im Blickfeld der Kamera, und das Ende ist nicht in Sicht. Aber das ist nur einer von sechs Demonstrationszügen, die sich am Morgen des 19. Juli als Sternmarsch aus verschiedenen Teilen der Stadt und der Provinz ins Stadtzentrum bewegten, wo sich viele weitere Menschen anschlossen!

Das und die Behauptung, dass die Demonstration in Barcelona mehr als doppelt so groß gewesen sein soll wie die in Madrid, dem Geburtsort und Epizentrum der 15-M-Bewegung, entlarvt diese Zahlen. In Barcelona war die Demonstration ähnlich groß oder größer als die, die während des Generalstreiks am 29. September stattfand. Laut den Gewerkschaften nahmen damals 400000 Menschen an der Demo teil. Die OrganisatorInnen in Sevilla geben an, dass dort 70000 demonstrierten. Es steht außer Frage, dass zusammen mit den riesigen Demonstrationen in Valencia, Bilbao, Murcia und vielen anderen Städten insgesamt viele Hunderttausende „Indignados“ (Empörte) auf den Straßen waren. Ihre Zahl übersteigt fast sicher die der 1,4 Millionen Menschen, die am 29. September 2010 demonstrierten.

Keine „Jugendbewegung“ mehr?

Die prokapitalistische Presse und das politische Establishment verbrachten die Tage vor dem 19. Juni mit feindseligen Angriffen auf die 15-M-Bewegung. Sie behaupteten, die Bewegung sei zu einer „Minderheit“ geworden und gewalttätige Gangster hätten sie übernommen, nachdem Polizeiprovokateure bei der friedlichen Blockade des katalanischen Parlaments am 15. Juni für entsprechende Szenen gesorgt hatten. Letzten Freitag forderte Artur Mas, Präsident der katalanischen Regionalregierung, „exemplarische Bestrafung“ derer, die versucht hatten die brutale Gewalt seiner Regierung zu verhindern – die Gewalt brutaler Kürzungen bei Bildung und Gesundheit – und bezeichnete sie als „undemokratische Minderheit“. Esteban Gonzalez Pons, ein Führer der PP, unterschied in einer Presseerklärung zwischen „dem 15-M des Mai und dem 15-M des Juni“, den „Friedlichen“ und den „Gewaltbereiten“, der Massenbewegung und der „Minderheitsbewegung“. Wenn die Proteste vom Sonntag eine Minderheitsbewegung repräsentieren, wüssten wir gern wie eine Bewegung der Mehrheit aussieht! Aber in einem gewissen Sinn ist die Unterscheidung, die Pons zwischen Mai und Juni macht richtig. Im Mai gab es die Explosion einer Jugendrevolte mit Platzbesetzungen und Camps, die breite Unterstützung aus der Gesellschaft bekamen. Diese Bewegung hat sich mit dem 19. Juni fortgesetzt, aber auch andere Teile der Gesellschaft einbezogen. Die am stärksten unter der Krise leiden, besonders ältere ArbeiterInnen, werden jetzt aktiv.

Obwohl die Demonstrationen letzten Sonntag noch hauptsächlich aus Jugendlichen bestanden, gab es auch eine riesige Beteiligung von ArbeiterInnen, Familien und sogar RentnerInnen. Und sie kamen, um zu protestieren, nicht nur um ihre Unterstützung für die Bewegung der Jugendlichen zu zeigen. Viele hatten selbstgemalte Transparente mit Forderungen. In Barcelona gab es neben vielen Anderen mächtige Blöcke von Post-, Müllabfuhr-, Krankenhaus- und BildungsarbeiterInnen. Im Kontext der fehlenden kämpferischen Führung durch die Gewerkschaften ist klar, dass viele ArbeiterInnen angefangen haben, 15-M als ihre Bewegung zu betrachten. Das ist eine wichtige und extrem positive Entwicklung, die jetzt genutzt werden muss. Die massive Verbreiterung der Bewegung muss zur Bildung einer Massenbewegung führen, die die DemonstrantInnen vom Sonntag einbeziehen kann. In diesem Sinn sind die Vorschläge von Socialismo Revolucionario (spanische Schwesterorganisation der SAV) für eine Demokratisierung und Verknüpfung der Stadtteilversammlungen und ihre Ausbreitung in die Arbeitsplätze, um eine Massenbewegung von Unten aufzubauen, jetzt noch dringender.

Den Kampf für einen Generalstreik jetzt steigern! Kämpfen wie die GriechInnen!

Die FührerInnen der großen Gewerschaften CCOO und UGT haben in den Tagen vor 19-J ihre Herangehensweise geändert und die Mitglieder zur Beteiligung aufgerufen. Die Bewegung muss das begrüßen. Aber die Unterstützung in letzter Minute kam wahrscheinlich zustande, nachdem klar war, dass sich Gewerkschaftsmitglieder darauf vorbereiteten am 19-J die Straßen zu füllen, mit oder ohne Aufruf der Führungen. Socialismo Revolucionario betont die Bedeutung von Kampfeinheit zwischen Jugendlichen und ArbeiteraktivistInnen. Die 15-M-Bewegung war bis jetzt ein großartiges Beispiel dafür, wie diese Einheit erreicht werden kann, nicht von oben sondern von unten, durch Aufrufe an ArbeiterInnen und GewerkschafterInnen an der Basis. 15-M muss sich weiterhin als Bewegung entwickeln, die für einen Bruch mit der demobilisierenden Strategie der GewerkschaftsführerInnen kämpft. Sie muss von unten eine Kampagne für einen neuen Generalstreik gegen die Welle von Angriffen auf den Lebensstandard der Bevölkerung führen. Ermutigend für wichtige GewerkschaftsaktivistInnen waren Initiativen wie der Protest von tausenden Indignados vor den Gewerkschaftshäusern von CCOO und UGT gegen die Pakt- und Kollaborationspolitik der Führungen und für einen Generalstreik.

Die Forderung nach einem Generalstreik war am letzten Sonntag stark vertreten. Selbst die KorrespondentInnen des BBC waren gezwungen, das zu kommentieren. Auf der Demo in Barcelona war die Generalstreikforderung einer der Hauptslogans. Ein Generalstreik könnte die Macht der Arbeiterklasse ins Spiel bringen und die bereits geschwächte Zapatero-Regierung oder jede verrottete PP- oder Koalitionsregierung die sie ersetzen würde, stürzen. Die GewerkschaftsführerInnen (die noch über einen Ausverkauf des Rechts auf Tarifverträge diskutieren) könnten unter Druck jetzt oder bald einen Generalstreik, vielleicht in ein paar Monaten, ankündigen um ihr Gesicht zu wahren. Aber ein Generalstreik muss ausgerufen werden, um die wachsende Dynamik des Widerstands zu nutzen. Es steht außer Frage, dass bei einem Generalstreik zu dem die Gewerkschaften jetzt aufrufen würden und der von 15-M vorbereitet und unterstützt würde, die überwältigende Mehrheit der ArbeiterInnen mit oder ohne feste Verträge aktiv werden würden.

In Griechenland hat das Vorbild von 15-M zu noch größeren sozialen Unruhen geführt als in Spanien. Die größere Klassenkampferfahrung in Griechenland in den letzten Monaten, mit 10 Generalstreiks und der Jugendrevolte im Dezember 2008, ist dabei ein wichtiger Faktor. Wie Spanien Griechenland inspiriert hat, zeigen jetzt die griechischen ArbeiterInnen und Jugendlichen den Weg für den spanischen Widerstand. In Griechenland wird zu einem 48-stündigen Generalstreik aufgerufen, der wahrscheinlich Ende Juni stattfinden wird. Im Geist des Internationalisms, der in der aktuellen Bewegung tief verwurzelt ist, sollten die spanischen Gewerkschaften gleichzeitig einen 24-stündigen Generalstreik organisieren, als Ausdruck der Grenzen überschreitenden Macht der Arbeiterklasse. So ein Streik sollte der erste Schritt in einem demokratisch von den Versammlungen einer vereinten Massenbewegung beschlossenen Aktionsplan sein, der eine Serie von Generalstreiks beinhaltet, die zu 48-stündigen und wenn notwendig zu unbefristeten Streiks eskalieren, um eine Alternative zur kapitalistischen Krise und Sparpolitik zu erkämpfen.

“Europa der Menschen, nicht der Märkte”

Die Forderungen und Slogans der Proteste zeigen eine Reifung der Bewegung. Der Pakt für den Euro, eine Vereinbarung zwischen europäischen Regierungen die ein Programm von Sparpolitik, Kürzungen und unternehmerfreundlichen Arbeits-“Reformen“, war ein Fokus der Proteste. Zusammen mit der allgemeinen Orientierung der Bewegung auf den Kampf gegen Kürzungen und die Bewegung gegen Wohnungspfändungen repräsentiert dies einen starken Instinkt innerhalb der Bewegung, an die Arbeiterklasse zu appellieren und alle, die unter der Krise leiden zusammenzubringen. Der Kapitalismus ist in einer tiefen Krise. Seine Repräsentanten stehen gemeinsam hinter der Sparoffensive, durch die ArbeiterInnen und Jugendliche für die Krise bezahlen sollen. In dieser Situation können die Forderungen der Bewegung nur im Kontext eines umfassenden Programms zum Bruch mit der Diktatur der Märkte und den Kürzungen, die sie erzwingt, umgesetzt werden.

Deshalb kämpft und organisiert sich Socialismo Revolucionario für revolutionäre sozialistische Forderungen. Nur ein Bruch mit dem Kapitalismus und die Alternative demokratischer Kontrolle über den Wohlstand und Schlüsselbereiche der Wirtschaft kann die Sparpolitik wirklich überwinden und echte Demokratie erreichen, durch eine Regierung der ArbeiterInnen und Jugendlichen. Der Slogan „Für ein Europa der Menschen, nicht der Märkte“ war am letzten Wochenende bei hunderten von Protesten in ganz Europa und darüber hinaus allgegenwärtig. Mit einem internationalen Kampf der ArbeiterInnen und Jugendlichen auf der Basis solcher Forderungen und einem europaweiten Generalstreik könnte dieser Slogan verwirklicht werden.