Klimakiller am Werk

Beschleunigte Erderwärmung in den letzten zwölf Monaten


 

Welcher Klimawandel? Fragen sich einige vielleicht schlotternd angesichts des frühen Wintereinbruchs. Tatsächlich heißt globale Klimaerwärmung aber nicht Tropen für alle, sondern vor allem extremere und unberechenbare Wetterbedingungen und einen sehr ungleich verteilten Temperaturanstieg.

von Conny Dahmen, Köln

Während wir schon im Schnee versanken, war die arktische Eisdecke Anfang Dezember rund eine Million Quadratkilometer kleiner als der Durchschnitt der Jahre 1978 bis 2008. Laut Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) führt die Erwärmung der Luft über dieser Region zum Entstehen von Tiefdruckgebieten, die kalte arktische Luft nach Nord- und Mitteleuropa leiten und so die Durchschnittstemperatur im Winter hier um 1,5 Grad Celsius absenken können.

In einigen Regionen Afrikas oder der arabischen Halbinsel könnten dagegen die extremen Lufttemperaturen (mit großen Dürren und Wasserknappheit als Folge) schon bald bis hin zu lebensbedrohlichen Werten ansteigen. Während im globalen Mittel jeder Mensch 6.000 Kubikmeter Frischwasser zur Verfügung hat, würden es 2015 in der arabischen Welt nur noch 500 Kubikmeter sein (Bericht des Arabischen Forums für Umwelt und Entwicklung). 1960 gab es in der Region noch viermal so viel Wasser. Hinzu kommen womöglich Zulaufprobleme für die Flüsse: Vertreter des UN-Umweltschutzprogramms UNEP berichteten beim UN-Klimagipfel im mexikanischen Cancún, dass die Gebirgsgletscher vor allem in Asien, Alaska und Südamerika stark abschmelzen.

Die Klimakatastrophe hat bereits begonnen

Harte Winter, Rekordhitzewellen, die weltweite Zunahme von verheerenden Dürren, Waldbränden, Stürmen und Überschwemmungen sind der Klimawandel, der schon heute Millionen von Menschen ins Elend stürzt. Allein der letzte Sommer hat mit der Flutkatastrophe in Pakistan, die 14 Millionen Menschen vor dem Nichts stehen ließ, und den Waldbränden in Russland einen Vorgeschmack auf die Zukunft gegeben, die uns droht, wenn die Erderwärmung nicht aufgehalten wird.

Hungersnöte und kriegerische Konflikte um Wasser und Nahrungsmittel werden die Folge der Dürren vor allem in unterentwickelten Ländern werden – wie jetzt schon im Sudan. Nahrungsmittelkrisen mit Getreidepreissteigerungen von über 300 Prozent wie im Jahr 2008 werden wiederkehren und sich verschärfen.

Die Auswirkungen der Klimaveränderungen wird neue Flüchtlingswellen auslösen und weite Gebiete unbewohnbar machen oder gar vom Erdboden verschwinden lassen, wie beispielsweise das Urlaubsparadies Malediven, welches ohne eine Emissionsverringerung von mindestens der Hälfte des derzeitigen CO2-Ausstoßes in den Industriestaaten im Meer versinken wird. Schon heute müssen auf einigen Pazifikinseln wegen des steigenden Meeresspiegels Siedlungen aufgegeben werden.

Zynischer Kapitalismus

Alles halb so schlimm, meint Umweltminister Norbert Röttgen. In Cancún sagte er: „In Deutschland hat in den letzten Jahren ein Umdenken begonnen. In Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sehen wir den Klimawandel nicht mehr als Bedrohung, sondern als Chance und Herausforderung" (SPIEGEL vom 9. Dezember).

Mit dem Klimawandel lässt sich nämlich auch Kasse machen: Durch die Reduktion der Kohlendioxidemissionen von über 25 Prozent bis Ende letzten Jahres, für die sich die deutsche Regierung bei der Klimakonferenz auf die eigene Schulter klopfte, können die Energiekonzerne weniger erfolgreicher Länder die überschüssigen Emissionsrechte kaufen und damit ungehindert weiter ihren Dreck in die Luft pusten. Es ist wenig überraschend, dass bisherigen Berechnungen zufolge der Emissionshandel unter den EU-Staaten zwischen 2008 und 2012 wohl nur 0,33 Prozent reale Kohlendioxidreduktionen bringt, zumal viele Industriekonzerne in der Krise Emissionsrechte sozusagen hamstern konnten. Mit der Bekämpfung des Klimawandels hat das nichts zu tun.

Noch zynischer ist, dass Einnahmen aus dem Emissionshandel zum Teil den 75 Milliarden Euro schweren „Grünen Klimafonds“ finanzieren sollen, über den die Industriestaaten laut Beschluss des mexikanischen UN-Klimagipfels bis 2020 Klimaschutzmaßnahmen in den Entwicklungsländern finanzieren wollen. Mit dem Waffenverkauf wird also den Mordopfern der Sarg bezahlt.

UN-Klimagipfel in Cancún

Auch sonst hat sich in Cancún die Serie leerer Versprechungen, Blockaden und Heuchelei fortgesetzt. Mit ihrem Beschluss, den Anstieg der globalen Temperatur auf zwei Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau zu begrenzen, hat die Klimakonferenz den Klimawandel akzeptiert. Die Auflage des Kyoto-Protokolls, dem die Industriestaaten, ausgenommen China und die USA, unterliegen, bis 2020 den CO2-Ausstoß um 25 bis 40 Prozent (im Vergleich zu 1990) herunter zu schrauben, reicht dazu noch nicht einmal aus. Nach Ansicht von WissenschaftlerInnen des UN-Umweltprogramms würde sich damit die Atmosphäre immer noch um 3,5 bis 4,5 Grad gegenüber 1850 aufheizen. Um größere Katastrophen zu vermeiden, dürfte die Erwärmung sogar nur 1,5 Grad betragen, was eine 85-prozentige Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2050 erfordert.

Die Welt auf Messers Schneide

Trotz aller Konferenzen von Rio bis Cancún ist der weltweite CO2-Ausstoß kontinuierlich gestiegen. Auch für 2010 gilt der oft wiederholte Satz: Das vergangene Jahr war eines der heißesten Jahre seit Anbeginn der Wetteraufzeichnungen 1850 (Analyse der UN-Weltmeteorologieorganisation, WMO). Gleichzeitig haben die weltweiten Kohlendioxidemissionen im selben Jahr um circa drei Prozent zugenommen, während im letzten Jahrzehnt der Durchschnitt bei 2,5 Prozent lag, in den Neunzigern bei ein Prozent.

Keine UN-Klimakonferenz wird die Erderwärmung wirklich stoppen können. Dominiert von den führenden imperialistischen Mächten und China stehen hier am Ende immer die kurzfristigen Profitinteressen der Großkonzerne im Vordergrund. Zwar wächst der Sektor für erneuerbare Energie weltweit um 25 bis 30 Prozent jährlich. Die Unternehmen dieses Sektors profitieren aber sehr von staatlichen Subventionen, welche in der EU um ein Fünftel im ersten Quartal 2010 zurückgegangen sind und im Zuge von Anti-Krisen-Kürzungsmaßnahmen wahrscheinlich weiter zusammengestrichen werden.

Gleichzeitig werden nach wie vor Kohlekraftwerke gebaut und betrieben, allein in Deutschland sind neun im Bau und elf weitere in Planung (Greepeace, August 2010). Immer noch werden Autos im Überfluss produziert und der öffentliche Personenverkehr eingeschränkt. Selbst wenn Angela Merkel, Barack Obama und andere Regierungschefs den Ernst der Lage sehen sollten, werden sie keine Maßnahme treffen, welche die Profite der Energie-, Auto- und Ölkonzerne antasten würde. Mit einer verstärkten Abschottung der „Festung Europa“, einer härteren Anti-Flüchtlingspolitik, Aufrüstung und Auslandseinsätzen des Militärs bereiten sich die Industrienationen schon heute auf die weltweiten sozialen Folgen des Klimawandels vor.

Forderungen der SAV

Emissionshandel stoppen. Für eine Reduzierung der Emissionen um mindestens 50 Prozent bis 2020 und um mindestens 90 Prozent bis 2050

Öffentliches Forschungs- und Investitionsprogramm zum massiven Ausbau regenerativer Energien

Bei der Produktion Energie sparen und Müll vermeiden statt industrieller Energieverschwendung und Verpackungs-Wahnsinn

Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs. Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr

Ausarbeitung eines Plans, um bei sämtlichen öffentlichen Gebäuden und Wohnungen Wärmedämmung zu betreiben

Sofortige Stilllegung aller Atomkraftwerke

Überführung der Auto-, Energie-, Verkehrs- und Lebensmittelkonzerne sowie weiterer Großkonzerne und Banken in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung

Für nachhaltige Lebensmittelproduktion, ökologische Methoden in der Landwirtschaft und der Wiederaufforstung von Wäldern

Schluss mit Aufrüstung, Waffenexporten und Kriegseinsätzen. Enteignung der Rüstungsindustrie

Statt Produktion in Konkurrenz und für den Profit: Entwicklung einer demokratisch geplanten Wirtschaft zur Befriedigung der Bedürfnisse von Mensch und Natur