„Organisieren, nicht nur meckern!“

Interview mit Lutz Berger, Montierer im Daimler-Werk Berlin und aktiv in der Betriebsgruppe der „Alternativen Metaller“.


 

Daimler scheint die Krise überwunden zu haben. Das Unternehmen erwirtschaftete im letzten Jahr noch 2,6 Milliarden Euro Verlust, in diesem Jahr sind bis zu sieben Milliarden Euro Profit anvisiert. Wie bekommen die Kollegen die Veränderungen zu spüren?

Bis Anfang des Jahres waren viele Kollegen in Kurzarbeit. Anderen wurde die Arbeitszeit verkürzt, ohne Lohnausgleich. Die Kollegen hatten bis zu 600 Euro weniger. Das ist jetzt bei uns vorbei. Nun heißt es wieder: „Arbeiten bis zum Umfallen“. Teilweise werden die Nachtschichten auf zehn Stunden verlängert. Die Arbeit wird auch weiter verdichtet. Spezielle Teams laufen mit Stoppuhren herum und gucken, wo Arbeitsplätze eingespart werden können. Die Arbeit müssen dann die anderen mitmachen. Generell soll nicht nur mehr, sondern auch flexibler gearbeitet werden. Spezielle Betriebsvereinbarungen erlauben es dem Unternehmen, Schichten abzusagen und die Beschäftigten nach Hause zu schicken, und sie – wann immer es nötig ist – zum Nacharbeiten anzufordern. Auch am Wochenende, dann sogar ohne die üblichen Zuschläge.

Diese Regelungen ermöglichen dem Konzern also eine massive Produktivitätssteigerung. Die Fabriken können, je nach Auftragslage, optimal ausgelastet werden – auf Kosten der Kollegen.

Genau. Wir Arbeiter zahlten mit unseren Einkommen für die Krise. Jetzt im Aufschwung sollen wir weiter verzichten. Damit muss Schluss sein! Gerade jetzt brauchen wir mehr Personal, die Übernahme aller Azubis und die Verkürzung der Arbeitszeit, aber bei vollem Lohn. Leiharbeiter müssen fest übernommen werden. Bei gleichem Lohn. Das geht natürlich nur auf Kosten der Konzernprofite. Anstatt die Reichen immer reicher zu machen, sollten die Gewinne genutzt werden, um die Einkommenssituation der Arbeiter und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Diese Regelungen, die die Löhne senkten und die Arbeit weiter flexibilisierten, wurden zwischen dem Unternehmen und der IG-Metall-Führung und den Betriebsratsgremien vereinbart. Das gemeinsame Ziel der „Sozialpartner“: Daimler soll stärker aus der Krise kommen als die Konkurrenz. Gerade in der Autoindustrie erwies sich die Gewerkschaftsführung als verlässlicher Ordnungsfaktor der Konzernherren.

Du selber hast vor Monaten deine Mitgliedschaft in der IG Metall beantragt. Wie ist der Stand?

Mir wird bisher die Mitgliedschaft verweigert, weil ich auf der „Alternativen-Liste“ bei den Betriebsratswahlen kandidierte. Ich bin vor 16 Jahren enttäuscht aus der Gewerkschaft ausgetreten. Durch meine Mitarbeit bei der „Alternative“ habe ich gesehen, dass es an der Basis viele Mitglieder gibt, die mit der Politik der Führung unzufrieden sind. Man kann aber nicht nur meckern, man muss sich organisieren und für eine andere Gewerkschaftspolitik kämpfen. Deshalb will ich wieder Mitglied werden und den kämpferischen Flügel in der IG Metall stärken. Denn wenn es nicht gelingt mit der konzernfreundlichen Politik zu brechen, stehen viele Errungenschaften auf dem Spiel, die wir und unsere Vorfahren erkämpft haben.

Die Fragen stellte Johannes Burczyk