Badinter schützt uns vor dem "Mutterinstinkt"

Buchrezension "Der Konflikt – Die Frau und die Mutter"


 

Die "Mutterliebe" ist laut der französischen Autorin Elisabeth Badinter keinesfalls ein natürliches Phänomen. Sie ist abhängig vom jeweils herrschenden Frauenbild, das je nach Wirtschafts- und sozialer Lage schwankt. Badinter stützt diese These mit der Tatsache, dass zum Beispiel in der Bundesrepublik fast 30 Prozent der Frauen sich ein sinnvolles Leben ohne Kinder vorstellen können beziehungsweise leben. Der Erklärungsdruck, warum Frauen keine Kinder haben, müsste somit eigentlich schwinden. Aber das Gegenteil ist der Fall.

von Gina Cornehl, Hamburg

Badinter spricht in ihrem neuen, im August erschienen Buch von einer reaktionären Schlacht mit einem unvermuteten Mitspieler: dem essentialistischen Feminismus (das lateinische Wort "essentia" bedeutet Wesen). Kernstück ist "die Mutter", was für Badinter ein Aufgeben der sogenannten Urformel des Feminismus, nämlich des Kampfes um Gleichheit, bedeutet.

Das Baby als Freund des Patriarchats

Elisabeth Badinter appelliert an die (Entscheidungs-)Freiheit der Frau! Die wird ihrer Meinung nach durch eine naturalistische Offensive, eine "heilige Allianz der Reaktionäre", massiv angegriffen. Startpunkt ist für sie das Krisenjahr 1973. Klaro müssen Frauen und Mütter als Teil der industriellen Reservearmee auch bei weiteren (dem Kapitalismus so eigenen) Krisen wieder nach Hause verbannt werden. Das passiert im Fall der Mütter, laut Badinter, durch Lobreden auf das Stillen nach Bedarf (als 24-Stunden-Job) sowie der Bonding-Theorie, wonach Mütter die ersten drei Jahre zu Hause bleiben sollten: keine Krippen, sonst gibt"s Verhaltensprobleme, Breiselbeerkochen und so weiter.

Und das funktioniert? Badinter erklärt, warum. Zunächst wurde die Mutterschaft ideologisch massiv aufgewertet. Eine gute Mutter zu sein bedeutet, etwas für den sozialen Zusammenhalt und die Zukunft der Gesellschaft ("Standortfaktor") zu tun. Das wirkt, wenn wir uns Folgendes vor Augen führen: Mutter sein heißt heute Sehnsucht nach der Welt draußen, Identitätsverlust, ein Ende der Freiheit. Die (wenige) Anerkennung, die Frauen durch ihren Beruf oder anderes Wirken im gesellschaftlichen Raum ergattern, fällt durch ein Kind schlagartig weg. Das ist laut Badinter ein Grund, sich verzweifelt an die idealisierte Mutterrolle zu klammern.

Badinters Forderungen und wo sie stecken bleiben

Laut Badinter kann nur die gleiche Verteilung der Aufgaben ab der Geburt zwischen Mann und Frau Abhilfe schaffen. Und sie hat noch eine Idee: Druck auf die Politik machen für eine andere Familienpolitik. Eine, die Mütter unterstützt, so dass diejenigen Frauen, die sich das vorstellen können, gerne Kinder kriegen. Das wäre doch laut Badinter auch für den Nationalstaat toll und wesentlich effektiver als die reaktionäre Variante "Zurück an den Herd". Alle happy?

Badinters Ideen bleiben hinter den Mauern des Privaten stecken. Enttäuschend ist ihr Abdriften in eine (nationale) "effektive Familienpolitik". Und für die Mehrheit der Bevölkerung, besonders für Hartz IV-EmpfängerInnen, sind ihre Vorschläge ein Witz. Sie ignoriert die notwendige materielle Voraussetzung für die Freiheit der Frau und lässt den Menschen in Abhängigkeit von den Launen der Wirtschaft und Politik. Statt entmündigt und entwürdigend um Krippenplätze "zu betteln", sollten die Menschen, die es etwas angeht, über die Anzahl der Krippen, Krippenplätze und -öffnungszeiten kollektiv nach ihren Bedürfnissen entscheiden. Nur gemeinsam und im Streik können wir uns gegen lebensunsichere und prekäre Arbeitsbedingungen wehren, in die vor allem Mütter immer wieder abgeschoben werden. Erst wenn Hausarbeit und Kinderbetreuung aufhören privat organisiert zu sein, können wir wirksam gegen die Ideologie der "guten Mutter" und gegen Sexismus angehen. Eine demokratische, selbstorganisierte Gesellschaft ist die Grundlage für eine wirkliche Gleichstellung der Frau.

Fazit: Eine sehr schön zu lesende Kritik an der heutigen Ideologie der Mutter. Mit den Alternativen hapert"s aber. Mit bürgerlichen Feministinnen verkrabbeln wir uns im Sandkasten.