Erster Erfolg für Tekel-Beschäftigte

Tekel-ArbeiterInnen sehen eine neue Chance ihren Kampf zu gewinnen und feiern die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.


 

Ein Stimmungsbericht aus Ankara

Kurz vor vier Uhr Nachmittag breitet sich am 1. März in der Zeltstadt der Tekel-ArbeiterInnen Jubelstimmung aus. Schnell verbreitet sich die Botschaft: Der oberste Gerichtshof verlängert die Frist für die Annahme von C4 (C4 bedeutet die Weiterbeschäftigung in einem anderen Staatsbetrieb zu wesentlich schlechteren Bedingungen – wie etwa kein Kündigungsschutz) um acht Monate.

Das bedeutet für die kämpfenden Tekel-ArbeiterInnen vor allem eines: Acht Monate Bezug von 75% des bisherigen Lohnes bei Tekel. Die Erleichterung darüber ist überdeutlich spürbar. Es wird aber auch gefeiert, dass die verhasste AKP-Regierung eine Niederlange einstecken musste.

Um 16 Uhr versammeln sich die Tekel-ArbeiterInnen, SympathisantInnen, GewerkschafterInnen und verschiedene Linke um zu demonstrieren. Über 2.000 sind gekommen. Bei der Spontanaktion am Tag davor waren es ca. 800 gewesen. Viele wollen mitfeiern. Viele PassantInnen applaudieren, als der Demonstrationszug durch die Innenstadt zieht.

Immer wieder wird auch das Solidaritätstransparent der österreichischen Gewerkschafterdelegation beklatscht. Solidarität und vor allem internationale Solidarität wird hier sehr hoch gehalten und ist mehr als eine leere Phrase. Nach einer längeren Demonstration rund um die Zeltstadt und durch die Innenstadt von Ankara gibt es immer wieder Kleindemonstrationen die sich zu größeren Zügen formieren. Übertragungswagen aus der ganzen Türkei und von internationalen Sendern kommen an. Auch die Polizei bezieht direkt bei der Tekel-Zeltstadt Stellung.

Für erste Debatten über die weitere Einschätzung ist es vielen ArbeiterInnen noch zu früh. Die Kritik und das große Misstrauen gegen die Gewerkschaft bleiben voll aufrecht, reden will aber – wenige Stunden nach der Urteilsverkündung – kaum jemand darüber.

Klar wird der Unterschied zwischen Gewerkschaftsführung und Basis vor allem wenn es darum geht, was mit der Zeltstadt werden soll. Die Tekel-ArbeiterInnen wollen in ihrer großen Mehrheit bleiben und Zelte zur Not auch gegen die Polizei verteidigen. Die Gewerkschaft will die Zelte abbauen um „den Kampf in die Orte zu tragen“ wie sie immer wieder betont. Fast alle ArbeiterInnen würden das als Niederlage empfinden. Ihr Kampf dauert nun mehr als 77 Tage. Vielen sieht man die Müdigkeit und die Strapazen der letzten Wochen an. Umso ausgiebiger wird gefeiert und vor allem getanzt. Gerammelt voll mit tanzenden klatschenden Menschen ist auch das Zelt der ArbeiterInnen aus Dyiarbakir. Alle freuen sich: „Das verschafft vielen die lang ersehnte Verschnaufpause.“ „Jetzt haben wir noch eine Chance.“ „Jetzt können wir den Spieß noch einmal umdrehen“, so könnte man die ersten Einschätzung der meisten zusammenfassen.

Was fehlt ist ein Vorschlag für eine politische Strategie an die Tekel-ArbeiterInnen, wie man die Gunst der Stunde nutzen kann. Weder die offizielle Linke, noch die Gewerkschaftsbewegung kann so was bieten. Die Idee eigener ArbeiterInnenkomitees, die den Kampf selbst koordinieren und die Gewerkschaft kontrollieren wird positiv aufgenommen, ebenso der Vorschlag für einen Generalstreik – allerdings glauben viele nicht an diese Möglichkeit. Eine Ausweitung des Kampfes auf andere bedrohte Teile der türkischen ArbeiterInnenschaft ist jedenfalls dringend nötig um die Möglichkeiten, die das Gerichtsurteil geboten hat für die Tekel-ArbeiterInnen zu nutzen.