Mit einem Comic gegen Links?

NRW-Verfassungsschutz warnt SchülerInnen vor politischem Engagement


 

Im November erschien die dritte Ausgabe des „Andi“-Comics, dieses Mal dem „Linksextremismus“ gewidmet. Die ersten zwei Comics sollten vor Rechtextremismus und Islamismus warnen. Herausgeber aller Hefte ist der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz. „Andi 3“ startet mit einer Auflage von 100.000. Von „Andi 2“ wurden bereits 200.000 Exemplare gedruckt.

von Dima Radschuk, Aachen

Mit dem neuen „Andi“-Comic werden Nazis, die in Deutschland nach der kapitalistischen Wiedervereinigung 129 Menschen umgebracht haben, und Linke gleichgestellt! „Jugendliche sollten dazu in der Lage sein, extremistische Propaganda zu entlarven“, erklärte der Innenminister Ingo Wolf. Der Verfassungsschutz in Kooperation mit dem Schul- und Innenministerium von NRW geht damit gegen AnarchistInnen, SozialistInnen und alle politisch links eingestellten Menschen vor.

Antikommunistische Traditionen

Wirklich neu sind solche Materialien nicht. In den USA wurden zum Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg Propagandafilme gedreht wie „Red Nightmare“ aus dem Jahr 1962.

Die Bundesrepublik sollte damals zum Bollwerk gegen den „Kommunismus“ werden. Genau deswegen wurde 1956 die KPD verboten, was fast 200.000 Verfahren gegen Mitglieder oder SympathisantInnen zur Folge hatte. In den siebziger und achtziger Jahren wurden bundesweit insgesamt 1,4 Millionen Personen infolge des Extremistenbeschlusses überprüft.

Heute kristallisiert sich langsam aber sicher wieder eine wachsende Wut gegenüber dem Profitsystem heraus. Die Linkspartei legt zu – auch wenn sie derzeit keineswegs offensiv für eine sozialistische Politik eintritt. Und das Schlimmste für viele Politiker: Immer mehr Studierende und andere lesen wie-der Marx, gehen auf Demos und besetzen Hörsäle!

Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, sollen linke AktivistInnen kriminalisiert werden. Darüber hinaus versuchen die heutigen Staatsvertreter verschiedentlich, Jugendliche und abhängig Beschäftigte davon abzuhalten, politisch aktiv zu werden.

„Andi“-Comic

Worum geht es nun in dem Comic? Andi und sein Kumpel Ben besuchen ein Konzert in einer von Autonomen besetzten Fabrik. Dort treffen sie einen alten Bekannten von Ben, den militanten Autonomen Klaus. Nach ein paar Dosen Bier und gründlicher Diskussion mit den Anarchisten besprüht Ben eine Wand und wird von der Polizei auf die Wache mitgenommen. Am Wochenende geht Ben mit Klaus zu einer antifaschistischen Demo, die natürlich mit Randalen und brennenden Autos endet. Ben findet das nicht gut und will kein Autonomer mehr sein. Punkt. Dann folgen neun Seiten mit Informationen zu den Themen Links, Marxismus, Anarchismus und sogar Trotzkismus.

„Theorie“-Teil

Der „theoretische“ Schlussteil des Comics basiert auf der so genannten „Totalitarismustheorie“. Dahinter steckt eine Gleichsetzung von Faschismus und Kommunismus (wobei die Bürgerlichen sowieso gern Stalinismus als Sozialismus verkaufen wollen). Solch eine „Theorie“ vergleicht einfach oberflächliche Erscheinungsformen einer Gesellschaft mit einer an-deren, ohne den Dingen auf den Grund zu gehen. Für die Bürgerlichen war das notwendig geworden, um sich vom Nationalsozialismus distanzieren zu können. Sie wollen so vernebeln, dass die Kapitalbesitzer von Krupp, Thyssen und so weiter Hitler an die Macht brachten, um den Kapitalismus seinerzeit zu retten.

Der „theoretische“ Teil des Comics wimmelt von Fehlern. Leo Trotzki war beispielsweise angeblich „der Überzeugung, eine einmalige Revolution reiche nicht aus, man müsse zu einer permanenten Revolution kommen“ (was Trotzki eigentlich unter der Theorie der Permanenten Revolution verstand, kann hier leider nicht erläutert, aber auf unserer Website nachgelesen werden).

Der letzte Artikel des Hefts bespricht das Thema „Gewalt“. „Nur der Staat darf zur Durchsetzung des Rechts Gewalt anwenden.“ Den „Linksextremisten“ wird vorgeworfen, gegen den „neutralen“ Staat zu kämpfen. Dabei belegte der „neutrale“ BRD-Staat zum Beispiel im Verlauf der fünfziger und sechziger Jahre im Zusammenhang mit dem KPD-Verbot über 10.000 Personen mit Haftstrafen. Die Zahl der gegen Kommunisten gefällten Urteile war im Zeitraum 1951 bis 1968 fast sieben Mal so hoch wie die gegen NS-Täter. So neutral ist die bürgerliche Demokratie also nicht.

Demokratie

Auf den letzten Seiten des Heftes wird ein Loblied auf die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ angestimmt. Aber einmal alle vier Jahre zur Wahl zu gehen und danach Korruptionsskandale und Lobbyistengerangel im Fernsehen verfolgen zu dürfen, kann doch nicht der Gipfelpunkt der Volksherrschaft sein. Für „Linksextremisten“, nein, für uns als SozialistInnen bedeutet Demokratie jedenfalls die Teilhabe von Millionen an Entscheidungen, die unser Leben direkt betreffen: ob Produktionsplan, gerechte Verteilung, Umweltschutz, Gesundheits- oder Bildungspolitik.