Militante Arbeiterkämpfe nehmen zu

Aus Verzweiflung über die Folgen der Weltwirtschaftskrise greifen die ArbeiterInnen überall in der Welt zu immer härteren Mitteln.


 

von Ronald Luther, Berlin

Anders als in Europa stehen ArbeiterInnen in der restlichen Welt nach ihrer Entlassung zum Großteil ohne jede soziale Absicherung da. Werden Betriebe geschlossen oder ArbeiterInnen entlassen, dann landen die meisten von ihnen mitsamt ihren Familien in bitterste Armut oder sogar in Obdachlosigkeit. Für sie gibt es kein Arbeitslosengeld, keine Kurzarbeiterregelung und keine Auffanggesellschaften. Mit dem Rücken an der Wand greifen deshalb die ArbeiterInnen zu immer härteren Mitteln. Hier zwei Beispiele für Kämpfe der Arbeiterklasse.

Arbeiteraufstand erschüttert China

Immer wieder wird China von Unruhen, Streiks und spontanen Demonstrationen erschüttert. Besonders in den chinesischen Nordost-Provinzen kam es in der Vergangenheit immer wieder zu sozialen Unruhen. Unabhängige Interessensvertretungen entstanden, deren Führer von der chinesischen Regierung allerdings meist sehr schnell ins Gefängnis gesteckt wurden, so dass bisher eine weitergehende und bessere Organisierung der chinesischen Arbeiterklasse verhindert werden konnte. Das erklärt auch die Eskalation, die der jüngste Arbeiteraufstand in der Nordost-Provinz Jilin erfuhr.

Nachdem der Top-Manager Chen Guojun am 23.Juli auf einer Belegschaftsversammlung verkündete, im Zuge der Übernahme der staatlichen Stahlfirma Tonghua durch das private Stahlunternehmen Jianlong würden 30.000 Arbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren, brach sich die Wut unter den Stahlarbeitern ungehemmt Bahn. Nach einer kurzen Verfolgungsjagd wurde der Top-Manager in einem Raum des Stahlbetriebes von den wütenden Arbeitern gestellt. Anscheinend in Unkenntnis seiner Lage provozierte der Manager die Stahlarbeiter weiter, als er diese laut Zeugenaussagen im Hongkonger Magazin Yazhou Zhoukan anschrie: „Auch wenn ich nur noch einen Atemzug in mir behalte, seid ihr morgen alle gefeuert“. Daraufhin erschlugen ihn die wütenden Arbeiter kurzerhand. Anschließend lieferten sich die Stahlarbeiter stundenlange Kämpfe mit der chinesischen Polizei, die dem Manager zur Hilfe kommen wollte.

Besonders wütend machte die Stahlarbeiter, das ein Rentner nach jahrzehntelanger Knochenarbeit am Hochofen nur 200 Yuan (etwa 20 Euro) im Monat erhält, während ein Manager bei Jianlong im Jahre 2008 bis zu drei Millionen Yuan (300 000 Euro) bekam. Wütend machte die Arbeiter aber auch das Missmanagment sowie die Mauscheleien und die Korruption zwischen den Managern und staatlichen Stellen beim Privatisierungsvorgang. Daraufhin wurde die Privatisierung sicherheitshalber erst mal „vertagt“.

Da es ArbeiterInnen in China verboten ist, sich unabhängig gewerkschaftlich und politisch zu organisieren, ist es für sie auch schwierig oder unmöglich, sich bessere Arbeits- und Lebensbedingungen oder höhere Löhne zu erkämpfen. Während in China eine Minderheit immer reicher wird, verschlechtert sich die sowieso schon katastrophale Lage für die Masse der Arbeiterklasse und BäuerInnen durch die Weltwirtschaftskrise immer mehr. Viele ArbeiterInnen und BäuerInnen sehen dann keinen Ausweg mehr und greifen zu Mitteln, die letztendlich ihre Lage auch nicht verbessern. Sobald der chinesische Staat die Kontrolle zurückgewonnen und die „Rädelsführer“ verhaftet hat, wird es einen erneuten Versuch der Privatisierung geben. Auch lässt sich ein Manager leicht ersetzen. Die chinesische Arbeiterklasse wird nicht umhin kommen, weiterhin zu versuchen, sich unabhängige Organisationen wie Gewerkschaften und eine Arbeiterpartei zu schaffen, um darüber den Kampf gegen das Regime und die eigene Bourgeoisie sowie für eine sozialistische Demokratie zu organisieren.

Filmberichte über den Arbeiteraufstand in China bei Youtube (Film 1 und Film 2)

Heftige Kämpfe zwischen ArbeiterInnen und Polizei in Südkorea

Als im Zuge der Insolvenz der chinesischen Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) der von SAIC abhängige südkoreanische Autokonzern Ssangyong Motor die Entlassung von fast der Hälfte der noch 7.179 Automobilarbeitern ankündigte, traten etwa 1.000 von ihnen am 27.Mai 2009 in den Streik. Wenige Tage später wurde die Fabrik im südkoreanischen Pyongtaek besetzt. Trotz des Einsatzes von etwa 1.000 Streikbrechern aus der Verwaltung, von hunderten Sicherheitsleuten und von hunderten Polizisten gelang es dem Unternehmen wochenlang nicht, die Fabrik wieder unter ihre Kontrolle zu bekommen. Die Fabrikbesetzer hatten sich in den Fabrikgebäuden effektiv verbarrikadiert, indem sie zum Beispiel auf den Dächern der Fabrikgebäude Hubschraubersperren anbrachten. Am 4.August kam es schließlich zum großen Showdown. Etwa 2.500 Polizisten der Aufstandsbekämpfungseinheiten, unterstützt durch von der Firmenleitung gedungene Schläger, griffen die besetzte Fabrik mit brutalsten Mitteln zu Lande und aus der Luft an. Tränengas und neueste Elektroschockwaffen wurden von der Polizei massiv eingesetzt. ArbeiterInnen, die in die Hände der Polizei fielen, wurden teilweise so lange geschlagen, bis sie bewusstlos waren. Dabei schlugen die Polizisten sogar mit Schutzschilden auf die Arbeiter ein. Die Schlägertrupps wiederum schossen mit Steinschleudern auf die ArbeiterInnen und überfielen brutal das Unterstützungscamp der Familien der ArbeiterInnen. Aber auch die ArbeiterInnen wussten sich mit Stühlen, Tischen, Molotowcocktails und Steinschleudern zu wehren. Erst nach stundenlangen Kämpfen und nachdem die ArbeiterInnen auf nur noch ein Fabrikgebäude zurückgedrängt waren, gaben sie nach Verhandlungen schließlich auf. Zugesichert wurde ihnen nur, dass etwa die Hälfte der Streikenden in unbezahlten Urlaub gehen dürfen und nach 1 Jahr geprüft wird, ob die Situation ihre Rückkehr in die Produktion wieder zulässt. Alle Anderen wurden entlassen.

Auch hier zeigt sich, dass der Kapitalismus der Arbeiterklasse und den BäuerInnen keine Perspektive mehr anzubieten hat. Vielfach, so aktuell mit den Bossnapping-Aktionen in Frankreich, kämpfen die ArbeiterInnen nur noch um eine möglichst hohe Abfindung. Ihren Job, den sie zum Überleben brauchen, können sie damit aber nicht retten. Es stellt sich also für die Arbeiterklasse auf der ganzen Welt, nicht nur in China oder Südkorea, die Aufgabe, neue Massenparteien der ArbeiterInnen zu schaffen und organisiert den Kampf für eine sozialistische Welt ohne Hunger, Armut und Krieg zu beginnen.

Bilder zu Südkorea:

von dem Versuch von Streikbrechern, am 16:Juni das koreanische Werk zu stürmen (von den koreanisch-sprachigen Webseite der Gewerkschaftsunion KCTU)

diverse Bilder von den Kämpfen um das Autowerk

Videos zu Südkorea:

Arbeiter bereiten sich auf die Schlacht vor

Aufstandsbekämpfungseinheiten stürmen Dach eines Fabrikgebäudes

Aufstandsbekämpfungseinheiten stürmen Fabrikgelände

Bilder vom 04.August vom Sturm auf die koreanische Fabrik

Bilder vom 05.August vom Sturm auf die koreanische Fabrik

Bilder vom 06.August vom Sturm auf die koreanische Fabrik (incl. Nach dem Streik)