Honduras: Radikaler Widerstand gegen Militärputsch

„Wenn der Militärputsch einen positiven Effekt hatte, dann ist das die Einigung der zahlreichen Organisationen der fortschrittlichen Bewegung. Gewerkschaften, Campesinoorganisationen, Frauengruppen und linke Parteien stehen nun zusammen wie nie zuvor in Honduras“, sagte Israel Salinas, Generalsekretär des honduranischen Gewerkschaftsverbandes CUTH und führendes Mitglied der Nationalen Front gegen den Militärputsch. An diesem Wochenende endet ein Ultimatum des vor drei Wochen abgesetzten Präsidenten Manuel Zelaya. Sollten die Putschisten ihn nicht einsetzen, werde er zurück kommen. Seine Unterstützer rief er unterdessen zum „Aufstand“ auf.


 

von Ted León (CWI Costa Rica)

Widerstand regt sich im ganzen Land, auch wenn die Putschregierung mit gleichgeschalteten Medien und Militärgewalt versucht den Eindruck zu erwecken, alles sei ruhig. Seit einer Woche bestreiken die Lehrer alle Bildungseinrichtungen des Landes, in 50 Städten wurden zentrale Straßen und Plätze besetzt, wichtige Landstraßen werden immer wieder blockiert und bewaffnete Landarbeiter und Kleinbauern haben sich dem Militär entgegen gestellt. Offenbar desertierten auch erste Militäreinheiten. Solidaritätsaktionen gibt es täglich in den anderen zentralamerikanischen Ländern. Aktivisten blockieren die Grenzübergänge in Nicaragua und El Salvador, um den Warentransport nach Honduras zu unterbrechen und so wirtschaftlichen Druck auf das Putschregime auszuüben.

Die mutige Volksbewegung in Honduras bezahlt den Widerstand mit Schweiß und Blut. Militär und Polizei gehen immer wieder brutal gegen Protestierende vor und verhaften diese wahllos. Auf unbewaffnete Demonstranten eröffneten sie das Feuer und verletzten einige lebensgefährlich. Zudem berichten Vertreter der Nationalen Front gegen den Putsch von gezielten Überfällen und Attentaten auf führende linke Aktivisten.

Wie kam es zu dem Putsch?

Trotz einiger Warnsignale kam der Putsch in Honduras für die meisten unerwartet. Mit dem Ende der Bürgerkriege in der Region glaubte man das düstere Kapitel der Militärdiktaturen sei abgeschlossen. Nun zeigt sich, dass der Schoß noch fruchtbar ist, aus dem faschistische Militärregime kriechen. Die herrschende Klasse in Honduras ist ein Konglomerat aus Militär und Unternehmern, brutal wie sonst in keinem Land der Region. Das Land ist das schwächste Glied der bürgerlichen Demokratien in Zentralamerika und dort droht eine Kette bekanntlich zu reißen.

Seit 28 Jahren haben sich die bürgerlichen Parteien Liberale und Konservative wie in einem Duopol an der Macht abgewechselt. Traditionell vertreten die Konservativen den reaktionären Flügel, Honduras Liberale übernahmen auch die eine oder andere fortschrittliche Forderung und galten eher als Garant der bürgerlichen Demokratie. Diesen Ruf hat die Parlamentsfraktion nun freilich verspielt, denn willfährig stimmte sie für die Einsetzung von Putschpräsident Mitchelleti; übrigens auch ein Mitglied der Liberalen Partei PLH. Genau wie der abgesetzte Manuel Zelaya.

Zelaya geht seit dem Putsch mit der Bourgeoisie seines Landes hart ins Gericht. Vergessen darf man aber nicht, dass er selbst Sohn einer gut situierten Großgrundbesitzerfamilie aus dem ländlichen Olancho in Zentralhonduras ist. Als Bilderbuchminister wurde er in der Vergangenheit für seine effiziente Amtsführung ausgezeichnet und von der UNO gelobt. Mit linken Äußerungen hatte er sich bis zu seinem Amtsantritt 2006 nicht verdächtigt gemacht. Mit Erstaunen mag die Ultrarechte zur Kenntnis genommen haben, dass sich der eher moderate Zelaya auch mit Beratern umgab, die ihren politischen Hintergrund in der schwachen Linken des Landes fanden.

Angesichts der tiefen Krise seines Landes und nicht zuletzt der Weltwirtschaftskrise begann er sich Kreisen zuzuwenden, die von der honduranischen Politik stets ignoriert worden waren: Gewerkschaften und die soziale Bewegung. Nicht alle ließen sich auf diese Allianz ein. Der honduranischen Sektion der Sozialistischen Partei Zentralamerikas (PSOCA) – eine trotzkistische Partei mit freundschaftlicher Beziehung zum CWI – etwa blieb Zelaya Klassenfeind, wenn auch mit menschlichem Antlitz.

Auf der einen Seite begründete er eine politische Freundschaft mit Fidel Castro und Hugo Chávez, welche in Honduras ALBA-Mitgliedschaft mündete. Den Mindestlohn erhöhte er um bis zu 60 Prozent und er legte eine Reihe neuer Sozialprogramme auf. Aber echte Mitspracherechte der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen gab es nicht, ganz zu Schweigen von Ansätzen der Selbstverwaltung. Die Arbeitsbedingungen in den Maquiladoras blieb haarsträubend, gewerkschaftliche Rechte wurden ignoriert und Aktivisten ermordet. Frauenrechte und emanzipatorische Forderungen ignoriert. Ein Linker ist Manuel Zelaya nicht. Trotzdem unterstützen wir den Kampf für die Wiedereinsetzung des Präsidenten, gleichzeitig betonen wir aber immer die Notwendigkeit, dass die Arbeiterbewegung organisatorisch und politisch unabhängig bleibt.

Aber die Ultrarechte musste erkennen, dass sie diesen Präsidenten nicht unter Kontrolle hatte. Sie entfesselte ihre Furie, denn besonders die wachsende Nähe zu Kuba und Venezuela machte sie rasend. Anders als in den anderen Staaten Zentralamerikas sind die führenden Militärs in Honduras eng mit dem nationalen Kapital verflochten. Die Diktatur der stets gut von den USA ausgebildeten Führungsoffiziere endete offiziell zwar mit der Verfassung von 1982. Damals änderten sie aber einfach ihre Strategie und bauten ihre Macht im Wirtschaftssektor aus. Heute beherrschen sie nicht nur Zentralamerikas stärkste Militärmaschine, sondern sie bewegen Milliarden US-Dollar durch Verträge mit Unternehmen, deren stillen Teilhaber sie sind. Sie sind Mehrheitsaktionisten von TV-Stationen, Zeitungen und Zeitschriften, der Agrarindustrie sowie Nutznießer der Privatisierung von öffentlichen Betrieben. Ihre Verbündeten haben diese Militär-Kapitalisten in den ultrarechten Kreisen in Washington und dem CIA.

Hugo Chávez nannte sie Gorillas, wobei er den Riesenaffen mit der friedfertigen Natur eigentlich nicht gerecht wird. Diese Militär-Kapitalisten sind gewohnt, dass man in Honduras nach ihrer Pfeife tanzt. Egal, welche Farbe des Parteilogos des jeweiligen Präsidenten hat. Manuel Zelaya wollte sich nicht länger an diese Spielregel halten und forderte ihren Zorn heraus.

Es mag überraschen, dass sie eine anberaumte, nicht vinkulative Umfrage mit einem Putsch kontert. Aber die meisten Führungsoffiziere von heute haben als junge Soldaten an den Massakern in den 70ige rund 80iger Jahren teilgenommen. Linke und demokratische Oppositionelle wurden damals systematisch verfolgt, gefoltert und ermordet. Sprich diese Militärs wissen, wie sie Friedhofsruhe herstellen können.

Neue Chancen für die Linke

Für die Linke bestehen in diesem Moment der reaktionären Offensive neue Möglichkeiten in Honduras. In den vergangenen Jahrzehnten gelang es ihr nie, im Gegensatz zu den Nachbarländern Nicaragua und El Salvador, Massenunterstützung zu gewinnen. Revolutionäre Parteien wurden vom Militärregime brutal verfolgt und hatten kaum Aufbauchancen. Linke Aktivisten sammelten sich in Graswurzelorganisationen oder verließen das Land.

PSOCA und CWI sind sich darin einig, dass die von den USA eingefädelten „Friedensverhandlungen“ zwischen Zelaya und Micheletti ein abgekarteter Versuch sind, um die Putschregierung zu stabilisieren. Friedensnobelpreisträger und Präsident Costa Ricas Oscar Arias von der rechts-sozialdemokratischen und traditionell anti-marxistischen „Partei der Nationalen Befreiung“ (PLN) beruft sich auf seine Rolle im Friedensprozess von Esquipulas in den Achtziger Jahren, bei dem die Nicaraguas sandinistische Regierung mit den rechten Präsidenten der Region an den Diskussionstisch kam. Dieser Friedensprozess endete mit der Entwaffnung und Niederlage der Linken in Zentralamerika und war der Beginn von zwei Jahrzehnten neoliberaler Dominanz. Oscar Arias ist der treueste Verbündete der USA in der Region. Mittlerweile ist auch belegt, dass US-Präsident Barack Obama doppeltes Spiel treibt. Der CIA, der US-Botschafter in Honduras und die US-Militärbasis im Land haben den Putsch mit initiiert, während ihn Vertreter der Obama-Regierung verbal verurteilten. Während der ersten Verhandlungsrunde in Costa Rica bekam Putschistenpräsident Micheletti indes persönliche Beratung von Daniel Radcliffe, der PR-Experte ist enger Vertrauter von Ex-Präsident Bill Clinton und der amtierenden Außenministerin Hillary Clinton und war extra aus den USA angereist.

Wir lehnen die sogenannten Friedensgespräche ab und fordern die bedingungslose Einsetzung des gewählten Präsidenten. Dabei darf sich die honduranische Volksbewegung nicht auf internationale Gremien wie UNO oder OAS verlassen. Diese verurteilen den Putsch verbal, werden dem aber keine Taten folgen lassen. Es liegt in den Händern der Arbeiter, Kleinbauern, Indígenas und Jugendlichen von Honduras, die Putschisten zu vertreiben. Der heroische Widerstand der vergangenen drei Wochen ist beispielhaft, aber es ist überfällig, dass die Gewerkschaften den angekündigten Generalstreik endlich in die Tat umsetzen.

Zur Selbstverteidigung ist der Aufbau von Widerstandskomitees notwendig. Als nächsten Schritt schlagen wir die Einberufung einer revolutionären Volksversammlung für eine neue Verfassung vor.

Internationale Solidarität ist wichtig! Sendet Soliabotschaften an:

– die honduranische Sektion der Sozialistischen Partei Zentralamerikas (PSOCA): elsoca@elsoca.org

– das CWI in Zentralamerika: alternativa.socialistaCR@gmx.info