DGB-Führung attackiert linke Gruppen auf Demo

Dokumente eines Skandals


 

Auf der Gewerkschaftsdemonstration am 16. Mai in Berlin gingen Ordner des DGB rabiat gegen Info-Stände linker Gruppen vor und zerstörten dabei unter anderem einen Pavillon der SAV. Laut DGB-Beschluss durften am Platz der Abschlusskundgebung keine Infomarmationsstände politischer Parteien aufgebaut werden. Dieses Verbot wurde von DGB-Ordnern mit physischer Gewalt durchgesetzt. Dass es hierbei jedoch nicht um Parteien bzw. politische Gruppierungen im Allgemeinen geht, wird dadurch deutlich, dass ein Informationsstand der CDU-Untergruppierung CDA (Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft) unbehelligt durchgeführt werden konnte. Es ging den DGB-Bürokraten darum, kritische Stimmen von links klein zu halten.

Das Vorgehen des DGB war offenbar von langer Hand geplant, wie die unten dokumentierten Anweisungen an OrdnerInnen zeigen. Ein Skandal ist auch, dass hier die Gefahr von Provokationen durch rechtsextreme Gruppen negiert wird. Solche haben erst am 1. Mai Gewerkschaftskundgebungen angegriffen und sind die Feinde der Arbeiterbewegung. Die DGB-Bürokratie richtet ihr Augenmerk stattdessen auf linke Gruppen, weil sie inhaltliche Kritik fürchtet – denn seit wann sind Transparente eine Störung einer Kundgebung?

Das Vorgehen des DGB widerspricht den Traditionen der Arbeiterbewegung, nach denen es eine offene Meinungsäußerung aller Strömungen geben kann.

Wir dokumentieren außerdem einen Protestbrief von dem Hamburger LINKE-Vorstandsmitglied David Schultz und die Antwort, die er aus dem DGB-Vorstand erhalten hat. Zur Antwort des DGB ist zu sagen, dass erstens nicht nur Parteien, sondern alle linken Gruppen von dem Vorgehen betroffen waren. Es ist auch nicht wahr, dass das gewalttätige Vorgehen von den privaten Sicherheitsdiensten ausging, die der DGB engagiert hatte. Der Gewerkschaftsvertreter Andrew Walde war Wortführer bei diesen Auseinandersetzungen und zeichnet auch für das ganze Vorgehen der Ordner verantwortlich.

Auszug aus dem DGB-Info für die Ordner:

"Folgende Dinge sind dabei von Wichtigkeit.

1. Wir müssen einen geordneten Ablauf der Auftaktkundgebungen auf dem Breitscheidplatz und am Hauptbahnhof sicherstellen

2. Wir müssen die beiden Demozüge begleiten, von den Auftaktkundgebungen zur Straße des 17. Juni bis Siegessäule .

3. Wir müssen den Bereich vor der Bühne so freihalten, dass die Gewerkschaftsfahnen und -transparent dort das Bild bestimmen.

4. Wir müssen die Flächen in der Straße des 17. Juni bis zur Siegessäule freihalten von unerwünschten Ständen oder Aktionen.

5. Wir erwarten keine Störungen durch rechte Gruppierungen.

6. Wir erwarten massive Störungen durch linke Gruppierungen. Dies können u. a. sein:

– große Transparente bei den Kundgebungen, Demozügen oder der Abschlussveranstaltung,

– unerwünschte Infostände bei den Auftaktkundgebungen oder der Abschlusskundgebung,

– Lautsprecherwagen oder mobile Akku-Anlagen bei den Auftaktkundgebungen, in den Demozügen oder bei der Abschlussveranstaltung.

Wir benötigen daher mindestens 50 Ordner der Berliner Gewerkschaften."

Brief von David Schultz an die persönliche Referentin von DGB-Vorsitzendem Michael Sommer

Hallo Kollegin Susec,

ein Bekannter von mir hat mir (unglücklicherweise sehr farbig und detailliert) geschildert, wie Ordner des DGB auf der Demonstration die Durchführung linker Infostände rabiat verhindert haben. Das ist ein absolut nicht tolerierbares Verhalten. Welches Signal geht bitte von unserer Gewerkschaft aus, wenn Initiativen und Organisationen, die seit Jahzehnten für gewerkschaftliche Forderungen eintreten von unseren Demonstrationen verjagt werden und gleichzeitig wird an der Demonstrationsspitze der demonstrative Schulterschluss mit PolitikerInnen demonstriert, denen wir unter anderem die Hartz-Gesetze zu verdanken haben?

Ich bin seit mittlerweile 11 Jahren Gewerkschaftsmitglied, bin mit 19 in die ÖTV eingetreten und habe mich NIE so dafür geschämt wie nachdem ich das gehört habe. WOLLT ihr, das alle übriggebliebenen KollegInnen, die noch in der Gewerkschaft sind austreten?

Der Schaden ist jetzt entstanden, und ich kenne viele Leute, die zwischen Ungläubigkeit und Wut schwanken. Ich bin mir sicher: Mit jedem Tag, an dem der DGB zu solchen Handlungen nicht eindeutig Stellung bezieht wird der Schaden größer. Wir sollten gerade jetzt alle Kräfte sammeln, die gegen die Krisenauswirkungen aktiv Politik machen – wie das hier in Hamburg bei der Antikrisendemonstration im Februar auch ganz selbstverständlich passiert ist.

Hier in Hamburg würde ein solches Verhalten wie es in Berlin vorkam MIT SICHERHEIT massenhafte Austritte oder sogar aktive Proteste vor dem Gewerkschaftshaus hervorrufen – ich glaub die einzigen, denen eine solche Ausgrenzungspolitik lieb ist sind die Arbeitgeber und die Vertreter der Industrie- und Handelskammer.

Immer noch schwer geschockt und in der Hoffnung auf eine gegenüber den Betroffenen Organisationen entschuldigende Stellungnahme und vor allem darauf, das eine solche Praxis NIE WIEDER auf Gewerkschaftsdemonstrationen möglich ist.

Solidarische Grüße

David Schultz

Mitglied im Landesvorstand der Linkspartei Hamburg

Antwort des DGB

Lieber David Schultz,

vielen Dank für deine Mail.

Hierzu einige Anmerkungen:

Dem DGB geht es nicht darum, keine kritischen Stimmen auf seinen Demonstrationen zuzulassen. Das haben die zahlreichen Fahnen, Ballons und Flugblattverteilaktionen auch gezeigt, die in den Demonstrationszügen auf den Kundgebungen vertreten waren.

Aber der DGB hatte sich im Vorfeld entschieden, dass keine Partei auf dem Kundgebungsgelände einen Stand aufbauen sollte. Den Parteien hatten wir dies deshalb auf Nachfrage auch mitgeteilt. Daran sollten diese sich dann auch halten.

Zum Sicherheitsdienst (Auftreten und Kleidung) kann ich dir nur beipflichten und versichern, dass wir bei künftigen Veranstaltungen in die Verträge einerseits entsprechende Formulierungen aufnehmen werden und andererseits auf das Benehmen und Auftreten Einfluss nehmen werden. Wir wollen, dass unsere Veranstaltungen respektiert werden, aber nicht in dem von dir beschriebenen Tonfall.

Deshalb abschließend einen herzlichen Dank, dass du uns auf diese Themen hingewiesen hast. Bei Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Bernhard Schulz

DGB-Bundesvorstand