Unruhe bei Federal Mogul in Wiesbaden
Seit Mittwoch früh steht die Produktion beim Autozulieferer Federal Mogul in Wiesbaden. Belegschaft entschlossen, 436 angekündigte Entlassungen zu verhindern.
von Daniel Behruzi, Wiesbaden
Viel ist dieser Tage von „sozialer Unruhe“ die Rede. Vor dem Tor eins des Autozulieferers Federal Mogul in Wiesbaden ist sie zu besichtigen: Seit Mittwoch früh stehen die Bänder still, die Beschäftigten blockieren in roten Streikwesten die Werkszufahrt. „Es kommt keiner mehr rein“, stellt Betriebsratschef Alfred Matejka klar. „Seit heute sechs Uhr ticken die Uhren anders: Wir bestimmen jetzt, was hier passiert – und sonst niemand.“
Tatsächlich haben die Wiesbadener Arbeiter des US-Konzerns das Heft des Handelns in der Hand. Als erste Belegschaft, die durch die dramatische Absatzkrise der Automobilindustrie von Entlassungen bedroht ist, ist sie in einen unbefristeten Streik getreten. 94,39 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder haben sich dafür ausgesprochen. So wollen sie die geplante Entlassung von 436 Kollegen verhindern. „Wir lassen uns nicht aus dem Betrieb rausschmeißen wie die Hunde“, ruft Matejka auf der Kundgebung vor dem Tor.
Kämpferische Töne schlägt auch IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild an: „Dies ist der Ausgangspunkt für einen heißen Sommer 2009, der zeigen wird: Wir zahlen nicht für eure Party.“ Das Vorgehen des Konzerns sei „eine fürchterliche Entgleisung des Kapitalismus, den wir doch soziale Marktwirtschaft nennen sollen“, so der Gewerkschafter. Deshalb sei „soziale Unruhe“ durchaus angebracht: „Wenn wir solidarisch zusammenstehen, dann ist das soziale Unruhe.“
Die Solidarität unter den Beschäftigten ist in der Tat vorhanden. Auch Ugur Cil hat sich zu den Streikposten gesellt. Er ist seit 20 Jahren bei Federal Mogul. Deshalb glaubt er nicht, dass er unmittelbar von Kündigung bedroht ist. „Man muss auch an die Kollegen denken, die vielleicht auf der Abschussliste stehen“, sagt er auf die Frage, warum er sich dennoch am Ausstand beteiligt. „Keiner weiß, wen es treffen wird“, meint hingegen Michael Harz, der hier seit fast 33 Jahren als Elektriker arbeitet. Seine Frau ist ebenfalls bei Federal Mogul angestellt. „Wenn es uns beide trifft, dann wird es extrem hart“, sagt der Vater einer 14jährigen Tochter nachdenklich. In der gleichen Situation ist Christine Isaak-Mrazek. Die 39jährige ist normalerweise für die Qualitätskontrolle zuständig. Doch heute bewacht sie das verschlossene Betriebstor, das mit einem großen Banner mit der Aufschrift „Arbeitszeit kürzen statt kündigen“ dekoriert ist. Ihr Mann, mit dem sie zwei schulpflichtige Kinder versorgt, ist ebenfalls im Unternehmen. „Die meisten Kollegen wohnen hier in der Gegend. Wenn die das hier durchziehen, trifft man sich auf dem Arbeitsamt wieder“, meint die junge Frau.
„Wir ziehen das durch bis zum bitteren Ende“, heißt es von den Streikenden immer wieder. Ein Arbeiter gibt zu bedenken, dass die Auftragslage tatsächlich schlecht ist. „Wenn es nur 50 Prozent Aufträge gibt, wird 50 Prozent Streik nicht reichen. Ich gehe davon aus, dass es länger dauern muss, damit der Arbeitgeber überhaupt was merkt.“ Richard Altz, Leiter des IG-Metall-Vertrauenskörpers, berichtet hingegen, die Liefertermine seien sehr eng. Bei einem längeren Ausstand „würde innerhalb kürzester Zeit die gesamte Autoindustrie lahmgelegt“.
Das hat die Gewerkschaftsspitze aber offenbar noch nicht vor. „Es kann sein, dass wir einen Teil der Produktion wieder aufnehmen müssen, um Dinge zu vermeiden, die wir anderswo nicht mehr vermitteln können“, sagt Bezirksleiter Schild. Die IG Metall werde aber „alles daran setzen, dass dieser Streik von allen getragen wird“.