Streik beim Wiesbadener Autozulieferer Federal Mogul

Augenzeugenbericht


 

Der Kollege wirkt ruhig aber entschlossen. Gestern haben 97 Prozent der IG-Metaller für Streik gestimmt, heute setzen sie ihn durch. Durchs Werkstor darf keiner mehr ohne Genehmigung der Streikenden. Über 400 sollen entlassen werden, so wollen es die Bosse des Autozulieferers Federal Mogul in Wiesbaden. „Mit solidarischem Handeln, können wir uns wehren“, halten die Arbeiter dagegen.

von einem SAV-Mitglied aus Frankfurt/Main

Die Frau des Streikposten ist schwanger, sie hat ihm Glück gewünscht beim Kampf um den Arbeitsplatz. Alles wirkt gut organisiert.

Federal Mogul hat sich schon einmal, vor ziemlich genau 25 Jahren, beim Kampf um Arbeitszeitverkürzung hervorgetan. Damals wurde die Belegschaft ausgesperrt, woran der Betriebsratsvorsitzende in seiner Rede erinnert. Auch heute sei der Geschäftsleitung alles zuzutrauen, zum Beispiel, dass sie in einem unbewachten Moment schwache Streikposten mit gemieteten Streikbrechern zu überrumpeln versuchen. Damals, im Mai 1984, sei die Gewerkschaft im Betrieb nicht stark genug gewesen, selbst einen Streik zu initieren. Das ist heute anders. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad liegt bei 90 Prozent, in den letzten Monaten sei es noch zu weiteren Eintritten gekommen.

Massiv stehen die Kollegen vor dem Haupttor. Jede Schicht stellt in ihrer Arbeitszeit die Streikposten. Schon in der Nachtschicht wurde abgesprochen, welche Kollegen in der ersten Hälfte der Nacht, welche in der zweiten Hälfte dafür sorgen, dass alles unter Kontrolle der Beschäftigten bleibt. Schnell ist auch geklärt, welche Trupps vor den Nebentoren aufziehen.

Natürlich werden die letzten Kollegen der Nachtschicht noch rausgelassen. Wer dann aber sein Fahrzeug noch mutwillig im Werk hat, so die Streikleitung, muss die Konsequenzen tragen. „Der kommt nicht raus, wer es trotzdem versucht, kann nur noch die Schrottprämie kassieren.“

Selbstverständlich besteht auch ein Alkoholverbot bei den Streikposten. Zu schmerzhaft war in der Vergangenheit die Erfahrung bei anderen Streiks, das Provokateure zu Alkoholkonsum animierten, was dann in den Medien gegen die Streikenden verwendet wurde.

Ebenso wird zur Vorsicht gemahnt gegenüber einzelnen leitenden Angestellten, die Nerven verlieren und streikende Kollegen angreifen könnten. „Nerven behalten, zusammen stehen und nicht provozieren lassen“, ist die Parole.

Immer wieder hupen vorbeifahrende Fahrzeuge, teils aus Solidarität, teils weil die Kollegen auf der angrenzenden Straße stehen. Die IG Metall hat bereits eine Teilsperrung der Straße beantragt – mal sehen, wie schnell die Stadtverwaltung ist.

Auch die Geldfrage ist schnell geklärt. Nach jedem Streikposten stehen, gibt es im Streikleitungszelt den Stempel für das Streikgeld. Dort sind auch um 6.00 Uhr morgens schon Getränke zu erhalten. Dass der Kaffeenachschub kurz stockt, geschenkt. Wenig später rollt er wieder.

Gefragt sind also Entschlossenhait, Disziplin; Verlässlichkeit, Organisationsgeschick und Solidarität.

Inhaltlich sehen die Kollegen Kurzarbeit als eine noch nicht ausgeschöpfte Alternative zu den Entlassungen, trotz des damit einhergehenden Lohnverlusts. In Gesprächen und den Reden, wird ein weiterer Konflikt deutlich, mit dem die Kollegen zu tun haben: Einerseits ist die Auslastung des Werkes in letzter Zeit schlecht, das könnte die Kampfkraft schwächen. Andereseits sind viele Automobilfirmen abhängig von den just-in-time-Lieferungen von Federal Mogul. Das baut wiederum Druck auf. Aber droht dann nicht Kurzarbeit oder schlimmeres für die Kollegen in den betroffenen Abnehmerbetrieben? So deutet es

der Bezirksleiter der IG Metall an. Man müsse die Produktion im Zweifelsfall womöglich wieder hochfahren, sagt er. Das schwächt natürlich die Streikfront und vermindert den ökonomischen Druck. Bleibt die Frage, wie die Konsequenzen für die Beschäftigten der anderen Betriebe tatsächlich aussehen und ob sie nicht bereit wären, diese zu tragen, wenn sie von der Federal-Mogul-Belegschaft und ihrer Gewerkschaft darum gefragt würden. Die IG Metall müsste ihnen deutlich machen: Wenn die Unternehmer bei der gut organisierten Belegschaft von Federal Mogul in Wiesbaden mit Entlassungen durchkommen, werden andere nachziehen. Hier sind also die Solidarität anderer Metallbetriebe und eine gute Informationspolitik der Wiesbadener Kollegen gefragt.

Der hessische DGB-Vorsitzende brachte bei der Kundgebung zumindest seine Solidarität zum Ausdruck. Und uns von der SAV Ortsgruppe Frankfurt war es einen Vergnügen, sich um 5.00 Uhr Richtung Wiesbaden aufzumachen um daran teilzuhaben, wie eine kampferprobte Belegschaft auf so eindrucksvolle Weise ihre Macht demonstriert und zeigt, wie es aussieht, „wenn das Weisungsrecht der Geschäftsleitung endet“. Chaos bricht jedenfalls nicht aus.