BuKo von Linksjugend [`solid]: Antrag zu "Socialism reloaded"

dokumentiert: Beim Bundeskongress leider nicht behandelter Antrag zur Krise und den Schwerpunkten des Jugendverbands 2009


 

AntragsstellerInnen: Tinette Schnatterer (LV BaWü), Pablo Alderete (LV BaWü), Florian Toniutti (LV BaWü), Malena Alderete (LV BaWÜ), David Schultz (LV HH), Sönke Schröder (LV NRW), Lucy Redler (LV Berlin), Julia Altenburger (LV Bayern), Thies Wielkening (LV HH), Nina Baucke (LV NRW), Max Häberlein (LV Bayern)

„ We are all socialists now“*

Remmidemmi 09 gegen kapitalistische Krise: Socialism reloaded *Titel der Newsweek im Februar

Woher kommt die Krise?

Wir stehen am Beginn der wahrscheinlich tiefsten Krise seit 1929. Es handelt sich dabei nicht einfach um eine Finanzkrise, sondern um eine Krise der kapitalistischen Produktion. Die Ursachen dafür liegen nicht in politischem Fehlverhalten, sondern in den Widersprüchen des Kapitalismus selbst. Der Kapitalismus basiert auf Profit, Konkurrenz und der privaten Aneignung gesellschaftlich produzierter Güter. In diesem Prozess kommt es zum Aufbau von Überkapazitäten und Überproduktion (zum Beispiel in der Autoindustrie), weil es zu wenig profitable Anlagemöglichkeiten gibt.

Die Spekulationsblasen an den Finanzmärkten gehen zurück auf einen Mangel an profitablen Anlagemöglichkeiten, was sich schon in vergangenen Krisen ausdrückte, aber nicht behoben wurde. Die Krise, die wir jetzt erleben, ist geprägt durch ihre enorme Geschwindigkeit, Tiefe und die Tatsache, dass sie die ganze Welt gleichzeitig erfasst.

Folgen der Krise

Die globale kapitalistische Krise wird die bisherigen Verhältnisse grundlegend verändern:

Sozial wird die Krise uns Jugendliche und die arbeitende Bevölkerung am härtesten treffen. Uns werden die Zukunftschancen verbaut: Ausbildungsplätze werden abgebaut, Übernahmechancen verschlechtert, die Jugendarbeitslosigkeit wird dramatisch ansteigen und bei Bildung wird weiter gespart. Und das in einer Situation, in der laut aktueller DGB-Studie schon heute jeder zehnte Jugendliche auf Hartz IV angewiesen ist. Millionen Menschen werden durch Arbeitsplatzvernichtung neu in die Arbeitslosigkeit getrieben, weil ihre Arbeitskraft nicht mehr profitträchtig am Markt verkauft werden kann.

Politisch wird es zu einer Neuordnung der globalen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen kommen. Die USA ist als Supermacht geschwächt, es gibt jedoch keine neue Macht, die einfach an ihre Stelle treten kann, weil sich alle Teile der Welt in der Krise befinden. Ganze Staaten werden, wie Island, vorm Bankrott stehen. Eine Abschottung von Märkten und Nationalismus wird Teil der politischen Antwort der Herrschenden sein, was zu neuen Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten führen wird. Neue Kriege um Absatzmärkte und Einflusssphären sind wahrscheinlich. Die neokolonialen Länder sind in diesem Spiel die Hauptverlierer.

Ökologisch wird die Krise ebenfalls verheerende Folgen haben. Schon jetzt nutzt die Bundesregierung die Krise um den Ausstieg aus dem Atomausstieg vorzubereiten.

Eine Zunahme von Widerstand und Kämpfen gegen die Krisenfolgen sind schon jetzt sichtbar. Bereits jetzt prägen in Ländern wie Island, Frankreich und Irland Massenproteste gegen die Krise das Bild. Auch in Deutschland stehen wir am Beginn einer Bewegung gegen die Abwälzung der Krise auf unseren Rücken.

Ideologisch sind die bürgerlichen Parteien und die Think Tanks des Big Business mit ihrem Latein am Ende. Panisch versuchen sie gegenzusteuern. Ein Rezept gegen die Ursachen der Krise, die in der kapitalistischen Profitwirtschaft begründet liegt, haben sie nicht.

Mit Marx aus der Krise

Schon jetzt verändert die Krise die politische Stimmung und das Bewusstsein: Der Verkauf des Kommunistischen Manifests hat sich seit dem Bankencrash versiebenfacht, das Kapital entwickelt sich zum Kassenschlager. Marxistische Ideen werden von Tausenden, beispielsweise an den Universitäten, diskutiert.

Wir können als Jugendverband einen wichtigen Beitrag leisten, sozialistische Lösungsideen zur Diskussion zu stellen und gemeinsam mit anderen im Jahre 2009 eine starke sozialistische Jugendbewegung aufzubauen.

Beispiel Verstaatlichungen: Die Bundesregierung diskutiert über Verstaatlichungen und Enteignung und hat erste Teilverstaatlichungen (Bsp. Commerzbank) vorgenommen. Es geht ihr dabei nicht um Verstaatlichungen, um die demokratische Einflussnahme von Belegschaften und der allgemeinen Bevölkerung auf die Produktion zu erhöhen, sondern um die Rettung des kapitalistischen Finanzwesens und die Abwälzung von Verlusten auf die arbeitende Bevölkerung.

Wir schalten uns in diese Debatte ein mit der Forderung der Verstaatlichung aller Banken (auch der profitablen) und der Konzerne, die in der Krise Massentlassungen oder Schließung androhen (Bsp Opel). Damit diese verstaatlichten Banken und Betriebe wirklich im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung stehen, ist eine neue Form von demokratischer Kontrolle und Verwaltung nötig. Um zu verhindern, dass staatliche Banken wie die Landesbanken Millionen von Geldern verzocken, fordert Linksjugend["solid] eine demokratische Kontrolle und Verwaltung durch gewählte VertreterInnen der Belegschaften und der arbeitenden Bevölkerung. Solche „sozialistischen“ Verstaatlichungen würden das heutige System auf den Kopf stellen und das System Kapitalismus insgesamt infrage stellen.

Wir fragen außerdem: Warum sollten bei einer Enteignung der Hypo Real Estate überhaupt die Anteilseigner entschädigt werden, die in der Vergangenheit Millionen eingestrichen haben? Wenn Milliarden für Subventionen an Banken und Konzernchefs locker sind, warum dann nicht für Bildung und Gesundheit? Wenn Opel mit Schließung droht und enorme Überkapazitäten in der Autoindustrie bestehen, warum dann nicht die gesamte Branche verstaatlichen, diese unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung stellen und die Produktion umstellen im Interesse der Menschen und der Umwelt?

Auf all diese Fragen wollen wir Lösungsvorschläge und Forderungen entwickeln. Dabei ist Marxismus keine Dogma, sondern Anleitung zum Handeln.

Wir zahlen nicht für eure Krise!

Die Krise erfordert von uns, dass wir unser Profil in den anstehenden Bewegungen deutlicher herausstellen. Wir setzen uns zum Ziel, einen wichtigen politischen und organisatorischen Beitrag zu leisten, in Deutschland eine Bewegung aufzubauen, die verhindert, dass die Krise dem Rücken der Jugendlichen, abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen und Prekarisierten abgewälzt wird.

Wir kämpfen für eine sozialistische Gesellschaft. Sozialismus bedeutet maximale Demokratie in Wirtschaft und Gesellschaft und hat nichts mit den bürokratischen Diktaturen der Sowjetunion, DDR und anderen stalinistischen Staaten zu tun. Wir treten dafür ein, dass in einer solchen Gesellschaft die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit von FunktionsträgerInnen, die Begrenzung von Gehältern von gewählten VertreterInnen auf einen durchschnittlichen Arbeiterlohn, das Recht unabhängige Gewerkschaften, Parteien und ander soziale und politische Organisationen zu bilden, gelten.

Um in den heute anstehenden Auseinandersetzungen und Klassenkämpfen die Idee einer grundlegenden Gesellschaftsveränderung zu verankern, stellen wir Forderungen auf, deren Durchsetzung die Frage aufwirft, wer in dieser Gesellschaft die Macht und das Eigentum an Banken und Konzernen hat und in wessen Interesse produziert wird. Solche Forderungen, die vor allem auch die Eigentumsfrage aufwerfen, stellen eine Brücke vom heutigen Bewusstsein und aktuellen Kämpfen zur Notwendigkeit der Überwindung des Kapitalismus dar.

Mit den folgenden Forderungen wollen wir in den anstehenden Bewegungen sichtbar werden:

Kostenlose Bildung, qualifizierte Ausbildung und dauerhafte, tariflich abgesicherte Arbeit für alle:

30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Für einen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde und die Abschaffung von Hartz IV

Wir zahlen nicht für Eure Krise: Einkommenssteuer von 80% für Einkommens-Millionäre, Vermögenssteuer von 10% ab eine Million Eigentum

Gegen die pseudo-anti-kapitalistische Nazi-Demagogie: Keine Räume, öffentlichen Plätze und Propagandamöglichkeiten für Nazis. Mobilisierung durch Gewerkschaften und linke Organisationen zur Verhinderung von Nazi-Aktivitäten. Schluss mit der rassistischen Hetze in den bürgerlichen Medien und von bürgerlichen PolitikerInnen

Auflösung der Nato, sofortiges Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr

Sofortige Abschaltung aller AKWs

Enteignung aller Bankenbesitzer; demokratische Kontrolle und Verwaltung durch gewählte VertreterInnen der Belegschaften und der arbeitenden Bevölkerung

Erhalt aller Arbeitsplätze. Überführung von Betrieben, in denen Entlassungen, Kurzarbeit oder Werkschließungen vorgenommen werden, in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung

Überführung der weltweit 500 größten multinationalen Konzerne und Banken in Gemeineigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung

Wir bekräftigen das in unserem Programm festgehaltene Ziel einer demokratischen Planwirtschaft als Alternative zum ungeplanten Chaos der kapitalistischen Marktwirtschaft.

Bildungsstreik und Demos gegen die Krise

Die Demos am 28. März sind für uns ein wichtiger Ansatzpunkt, eine Bewegung gegen die Krise aufzubauen. Linksjugend["solid] beteiligt sich an den Bildungsstreikblöcken auf den Demos, um den Bildungsstreik am 17. Juni bekannt zu machen. Demos allein sind nicht genug. Ende Januar haben sich über zwei Millionen Schüler, Studierende und Beschäftigte in Frankreich an einem Generalstreik beteiligt. Auch wir müssen mit Kapital und Regierung endlich französisch sprechen und uns gemeinsam zur Wehr setzen.

Wenn in Deutschland Hunderttausende oder Millionen streiken und Betriebe besetzt werden, wird das Land lahmgelegt und es entsteht ein eindrucksvolles Bild, wer in dieser Gesellschaft die Macht hat, Veränderungen durchzusetzen. Ein Generalstreik wie in Frankreich würde die Ausgangslage für den Widerstand in Deutschland grundlegend verbessern.

Deshalb fordern wir von den Gewerkschaften auch in Deutschland, einen Generalstreik vorzubereiten und durchzuführen. Für den 16.Mai ruft der DGB zu einer Großdemo in Berlin gegen die Krise auf. Jetzt muss der Druck auf den DGB erhöht werden, dass der 16. Mai zu einer Demo von Hunderttausenden wird, die das Startsignal für weitere Kampfschritte wird. Für unseren Vorschlag werben wir in und bei Gewerkschaften, Jugendauszubildendenvertretungen, Betriebsräten, Asten und Schülervertretungen.

Der Bildungsstreik am 17. Juni ist eine zentrale Kampagne des Jugendverbands. Wir setzen uns an Schulen, Berufsschulen und Unis für den Aufbau von selbstorganisierten Streikkomitees ein. Wir werden einen aktiven Beitrag für den Erfolg des Bildungsstreiks leisten. Dabei ordnen wir den Bildungsstreik in eine umfassende Kampagne unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise: Streik in der Schule – Streik im Betrieb“ (Arbeitstitel) ein.

In Vorbereitung auf den Bildungsstreik am 17.6. setzen wir uns bei ver.di und der GEW dafür ein, dass LehrerInnen und Beschäftigte des Bildungssektors ebenfalls zum Streik aufgerufen werden.

Krise und Krieg sind dabei zwei Seiten derselben kapitalistischen Medaille. Wir werden uns deshalb auch aktiv an den Blockaden und Demos gegen die NATO Anfang April beteiligen.

Weitere wichtige Themen, zu denen wir Positionspapiere erarbeiten wollen, sind Ökologie und der Ausbau des Überwachungsstaates.

Fight Nazis

Der Aufbau einer starken Bewegung gegen die Krise und die Formulierung von antikapitalistischen Forderungen in der Bewegung ist auch der beste Weg, um die Nazis zurück zu drängen, die versuchen mit ihrer sozialen Demagogie und ihrem angeblichem Antikapitalismus von der sozialen Misere zu profitieren. Wir werden uns auch in Zukunft den Nazis direkt in den Weg stellen und setzen die Aufmucken-Kampagne fort. Ein wichtiger Mobilisierungspunkt sind für uns die geplanten Proteste gegen den zweiten rassistischen „Anti-Islam-Kongress“ von ProKöln am 9./10 Mai Köln und der geplante NPD-Parteitag im April in Berlin.

Und DIE LINKE?

Wir werden uns auch 2009 als unabhängiger sozialistischer Jugendverband positionieren. Gleichzeitig werden wir uns in Debatten in der LINKEN einschalten und Kritik äußern, wenn DIE LINKE sich an die Verhältnisse anpassen sollte und Positionen wie zum Beispiel zur Abschaffung von Hartz IV aufweicht. Wir wollen antikapitalistische und sozialistische Positionen innerhalb der LINKEN stärken.

Um die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen, ist außerparlamentarischer Widerstand nötig. Wir glauben nicht an eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse durch Parlamente. Wir setzen uns dafür ein, dass DIE LINKE den Aufbau von Bewegung und Widerstand ins Zentrum ihrer Aktivität rückt.

2009 ist aber auch Superwahljahr. Eine starke LINKE im Parlament kann dazu beitragen, den außerparlamentarischen Widerstand und betriebliche und soziale Proteste zu stärken.

Die LINKE muss dabei konsequent bleiben gegen jede Form von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, Sozialabbau, Privatisierungen und anderen Verschlechterungen zu Lasten von Jugendlichen und der arbeitenden sowie erwerbslosen Bevölkerung. Das schließt Koalitionen mit der SPD oder Tolerierungen einer sozialdemokratisch geführten Regierung aus – auf allen Ebenen: in Land, Bund und Kommune.

Der Wahlkampf ist eine Zeit von intensiver politische Debatte und erhöhter Aktivität. Wir wollen uns aktiv in diese Debatten einschalten und Jugendliche für den Jugendverband gewinnen.

Wenn wir uns aktiv an den anstehenden Kampagnen und Wahlkämpfen beteiligen und uns mit sozialistischen Positionen einbringen, haben wir die Chance, die aktive Mitgliedschaft des Jugendverbands im Jahr 2009 mindestens zu verdoppeln.