Italien: Massenbewegung gegen Kürzungen im Bildungsbereich

Generalstreik nötig, um Kämpfe gegen Berlusconi zu vereinen


 

von Linda Schütz, Lotta per il socialismo (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Italien), 21. Oktober 2008

Vergangenen Freitag, 17. Oktober, brachte ein von den „Basisgewerkschaften“ ausgerufener Streik – ohne Zutun der größten Gewerkschaftsbünde – nicht weniger als zwei Millionen Arbeiter auf die Straße. 300.000 DemonstrantInnen marschierten durch die Straßen Roms, darunter zehntausende Studierende.

Kindergärten, Grund- und weiterführende Schulen sowie Universitäten proben den Aufstand gegen das drastische Kürzungsprogramm, die Gelmini-Reformen. Zehntausende Kinder, Jugendliche und Eltern besetzten ihre Schulen und Universitäten, protestierten und demonstrierten in allen Landesteilen. Fakultäten in den Universitäten von Bologna, Mailand, Turin, Genua und Neapel, Rom und andernorts sind besetzt, da allein in diesen Bereichen Kürzungen im Umfang von bis zu 445 Millionen Euro vorgesehen sind.

Bildung unter Beschuss

Sollte es nicht verhindert werden, so würde das Gelmini-Programm bedeuten, dass 80.000 LehrerInnen und 43.000 Beschäftigte beim nicht-lehrenden Personal wie zum Beispiel SekretärInnen und TechnikerInnen entlassen werden. Das käme dann unter der Berlusconi-Regierung zu den bereits unter der vorherigen Mitte-Regierung Romano Prodis bereits 47.000 gestrichenen Stellen im Bildungsbereich noch einmal zusätzlich hinzu. All dies geschieht zu einem Zeitpunkt, da die Schülerzahlen in staatlichen Schulen ansteigen – Klassenräume sind oftmals chronisch überfüllt.

Grund- und Mittelschulen, die in Italien zur Zeit als Ganztagsschulen laufen, sollen zu 24-Stunden-Schulen bezogen auf eine Woche werden. Das würde viele Eltern dazu zwingen, eine geschmacklose Wahl treffen zu müssen: den Vollzeitjob aufgeben (in erster Linie dann sicherlich die Mütter), Personal zur Kinderbetreuung anstellen oder – wenn die Familie sich dies leisten kann – das Kind auf eine private, oftmals katholische Schule schicken.

Die Schließung kleinerer Schulen ist vor allem im Süden Italiens und auf den Inseln geplant. Dies würde bedeuten, dass SchülerInnen über 50 Kilometer zurücklegen müssten, um zur Schule zu kommen. Reichlich Empörung löst die geplante Einführung des „maestro unico“ aus. Damit ist ein Lehrer für alle Fächer in der Grundschule gemeint. Da Lehrer in Italien nicht dafür ausgebildet sind alles zu unterrichten, kann die Qualität der Bildung dadurch drastisch zurückgehen.

Andere Maßnahmen beinhalten die Einführung von Kopfnoten: Die Note 5 könnte bedeuten, dass SchülerInnen ein Jahr wiederholen müssen. Den SchülerInnen, die momentan ihre Schulen besetzen, wird damit gedroht, dass sie diese 5 bekommen. Das Mitspracherecht der SchülerInnen und LehrerInnen steht ebenfalls unter Beschuss. Schulen und Universitäten stehen davor, in „Stiftungen“ umgewandelt zu werden. Die Schulleitung kann somit aus Vertretern der Arbeitgeberorganisationen (CONFINDUSTRIA und CONFARTIGIANATO), Banken und andere Finanzorganisationen zusammengesetzt werden! Die Bank UNICREDIT zum Beispiel ist bereits Mitglied in der Leitung der Universität von Bologna. Das ist ganz eindeutig ein Schritt in Richtung Privatisierung und einer Bildung, die im Interesse der Konzerne strukturiert ist.

Kürzungen, Kürzungen und noch mehr Kürzungen

Die Regierung Berlusconi will insgesamt 15 Milliarden Euro im öffentlichen Sektor streichen (davon acht Milliarden bei der Bildung) und versucht, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst als „fannuloni“, eine Horde von Drückebergern, darzustellen. Gleichzeitig versucht die CONFINDUSTRIA das System der Staatsverträge in verschiedenen Branchen loszuwerden. Dies wird die Einheit im Kampf untergraben, die in einem Land, in dem die große Mehrheit der ArbeiterInnen in kleinen Firmen arbeitet, von enormer Wichtigkeit ist.

Und jetzt bereitet die Regierung vor, es für ArbeiterInnen wesentlich härter zu machen, um in den Streik zu treten, vor allem im öffentlichen Sektor. In der schon schlimmen Situation, die mit empor schnellenden Preisen für Lebensmittel und Energie, sehr niedrigen Löhnen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen in Italien jetzt schon besteht, werden die Auswirkungen schrecklich sein, wenn die Finanzkrise die Realwirtschaft trifft.

Lotta, die Sektion des CWI in Italien, ruft dazu auf, einen Generalstreik durchzuführen, um die SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und jene in der Privatwirtschaft zu vereinigen. Berlusconi selbst wurde 1994 nach einer Massenbewegung, an der drei Millionen ArbeiterInnen teilnahmen, aus der Regierung geworfen. Der jetzige Kampf bietet ebenfalls die Möglichkeit zur Einheit und zum Aufbau antikapitalistischer Kräfte in Italien, und sie schaffen die Basis für den Aufbau einer Massenpartei für ArbeiterInnen und Jugendliche.