Hessen: DIE LINKE darf sich nicht knebeln lassen!

Für Einzelfallenscheidungen statt Tolerierungsabkommen mit Rot-Grün in Hessen


 

In Hessen verlangt die SPD von der LINKEN, sie solle vor der Wahl der Ministerpräsidentin verbindlich zusagen, die Haushalte bis 2013 abzusegnen, das Landesbudget bis dahin auszugleichen und große Gesetzesvorhaben zu unterstützen. Sowohl SPD als auch Grüne wollen DIE LINKE durch einen Tolerierungsvertrag oder vergleichbare feste Absprachen so weit wie möglich einbinden und für ihre Politik mitverantwortlich machen.

von C. Flöter, Kassel

SPD und Grüne wissen, dass sie in einer zukünftigen Regierung diverse Schweinereien umsetzen werden. Wenn DIE LINKE dagegen stimmt und Widerstand mobilisiert, dann wird sichtbar, wer für welche Politik steht. Dann kann sich die Linkspartei als starke, sozialistische Partei aufbauen. Ein Tolerierungsvertrag – oder jede ähnliche Absprache – dient dazu, der LINKEN diese Möglichkeiten zu nehmen und sie in die Pflicht der Sachzwänge im Kapitalismus einzubinden.

Das darf DIE LINKE nicht mit machen. Für sie muss gelten, dass sie zwar die Ministerpräsidentin mitwählt, danach ihre Entscheidungen aber von Fall zu Fall trifft: Verbesserungen für ArbeitnehmerInnen, Erwerbslose und Jugendliche stimmt DIE LINKE zu, Verschlechterungen (wie Sozialabbau, Privatisierung, Finanzierung von Prestigeobjekten, Flughafenausbau) lehnt sie ab.

Koch abwählen

Koch abzuwählen ist richtig, denn es wird alle ermutigen, die jahrelang gegen diese CDU-Regierung Widerstand organisiert haben. Aber gerade wenn DIE LINKE daher Andrea Ypsilanti und ihr Kabinett mitwählt, muss sie deutlich machen, dass auch SPD und Grüne Parteien des Sozialabbaus sind. Rot-Grün hat Hartz IV und die Agenda 2010 umgesetzt. In Hessen weigert sich die SPD, die Tarifflucht von Koch komplett zurück zu nehmen. Sie besteht stattdessen auf einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden.

Da Rot-Grün nicht bereit ist, mit der Politik im Interesse der Konzerne zu brechen, wird sie die Haushaltslage zwingen, weitere Angriffe zu starten: Durch die Steuerreformen vor allem zugunsten der Unternehmen fehlt allein dem hessischen Haushalt fast eine Milliarde Euro jährlich. Angesichts der Bankenkrise nimmt Hessen bereits 2008 gegenüber dem Vorjahr 150 Millionen weniger ein.

Linke im Parlament: das noch kleinere Übel?

DIE LINKE darf nicht der Illusion des „noch kleineren Übels“ aufsitzen: die Vorstellung, dass DIE LINKE nur durch Absprachen mit Regierungsparteien Verbesserungen erreichen könne, ist falsch. In dieser Überbetonung des Parlamentarismus zeigt sich die eingeschränkte Vorstellung, auf welchem Weg gesellschaftliche Veränderungen erreicht werden. Inhalte der LINKEN werden nicht vornehmlich im Parlament erstritten, sondern durch Massenbewegungen in Schulen, Universitäten und Betrieben. Das hat sich in Hessen gerade bei der Abschaffung der Studiengebühren gezeigt. Nur eine starke Studierendenbewegung hat SPD und Grüne soweit unter Druck gesetzt, dass sie die Rücknahme der Studiengebühren tatsächlich umgesetzt haben.

Aufgabe von Linken im Parlament ist, die Arbeiterklasse aufzuklären über die Politik der Herrschenden und die gesellschaftlichen Missstände. Dabei kann sie durchaus die bürgerlichen Mehrheiten im Parlament zu Zugeständnissen bringen, indem sie die anderen Parteien mit ihren weitergehenden Forderungen vor sich her treibt. Durch das Stimmenwachstum der LINKEN sehen sich die anderen Parteien gezwungen, Teile der linken Forderungen aufzunehmen und kleine Korrekturen umzusetzen. Die Aufmerksamkeit, die die Linkspartei durch die Parlamente bekommt, muss sie auch nutzen, um sich selber als kämpferische Partei aufzubauen.

Die Parteien des Sozialabbaus zu kritisieren und eine Alternative dazu aufzuzeigen, ist die wichtigste Aufgabe der LINKEN – außerhalb UND innerhalb des Parlaments. Feste Tolerierungsabkommen sollen genau das verhindern. Solche Abmachungen dienen dazu, DIE LINKE zu verpflichten, Verschlechterungen zuzustimmen. Dann verliert sie aber zu Recht ihre Glaubwürdigkeit. Deshalb darf sich DIE LINKE nicht auf Tolerierungsabkommen einlassen. Gemeinsam mit sozialen Bewegungen und Gewerkschaften muss sie den Widerstand gegen Angriffe und für Verbesserungen organisieren. Nicht fade Ergebnisse von Koalitionsgesprächen zwischen SPD und Grünen werden die Bildungssituation in Hessen ernsthaft verbessern, sondern der lautstarke Protest der SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern.

Rosa Luxemburg, „Die Krise in Frankreich“, 1901:

„Ohne die Möglichkeit, der eigenen Politik die direkte Sanktion der parlamentarischen Mehrheit zu geben [das heißt ohne eigene Mehrheit], sind die Sozialisten darauf angewiesen, der bürgerlichen Mehrheit in stetem Kampfe Konzessionen zu entreißen.

Dies erreichen sie aber durch ihre oppositionelle Kritik auf dreierlei Wegen: indem sie mit ihren am weitesten gehenden Forderungen den bürgerlichen Parteien eine gefährliche Konkurrenz bereiten und sie durch den Druck der Wählermassen vorwärtsdrängen; dann, indem sie die Regierung vor dem Lande bloßstellen und sie durch die öffentliche Meinung beeinflussen; endlich, indem sie durch ihre Kritik in und außerhalb der Kammer immer mehr die Volksmassen um sich gruppieren und so zu einer achtunggebietenden Macht anwachsen, mit der Regierung und Bourgeoisie [Kapitalistenklasse] rechnen müssen.“