Welche Aufgaben stellen sich für Beschäftigte und GewerkschafterInnen?
Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland und Hunderte von Zulieferfirmen sind von der Autobranche abhängig. Weltweit gibt es schätzungsweise Überkapazitäten von 30 Prozent. Zu viele Hersteller wollen zu viele Autos für einen zu kleinen Markt verkaufen. Die Beschäftigen bangen um ihre Jobs.
von Pablo Alderete, Stuttgart
Die Autokonzerne sind von einer Krisenstimmung erfasst. Sinkende Pkw-Verkaufszahlen, Produktionsdrosselung, Sparpakete, Jobvernichtung, mörderischer Konkurrenzkampf: Die Kosten der Krise werden auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.
Sparprogramme
Das jüngste Sparpaket wurde bei Opel in Bochum geschnürt. Mit dem „Zukunftsvertrag 2016“ werden erneut die Lohnkosten gesenkt und die Produktion rationalisiert. Dessen Mutterkonzern General Motors (GM), größter US-Autokonzern, steckt seit langem in einer tiefen Krise. Vier Werke in den USA, Mexiko und Kanada sollen schließen und damit auch 10.000 Jobs verschwinden. In Europa könnten die Werke von Opel in Antwerpen und Bochum mittelfristig bedroht sein.
BMW musste im August eine Gewinnwarnung veröffentlichen. „Voll getroffen“ titelte die Stuttgarter Zeitung am 2. August und wies darauf hin, dass BMW voll in die Turbulenzen des wichtigen US-Markts geraten war. Schon vor dieser Meldung hatte BMW begonnen, 8.000 Arbeitsplätze zu streichen und Leiharbeitern zu kündigen.
Daimler reagierte bereits 2004 mit einem großen Sparpaket und einem Abfindungsprogramm, das Tausende von Stellen vernichtete. Wegen mangelndem Absatz wird jetzt über Produktionsdrosselung und Ausfallschichten verhandelt.
Verdrängungswettbewerb
Die Pkw-Absatzzahlen in den USA, dem weltweit größten Automarkt, sind weiter rückläufig. In diesem Jahr soll der Verkauf neuer Autos schätzungsweise um 20 Prozent zurück gehen. Vor diesem Hintergrund findet ein harter Verdrängungswettbewerb statt. Der japanische Konzern Toyota ist dabei, GM als weltgrößtem Autokonzern den Rang abzulaufen. Porsche und VW bilden einen neuen deutschen „Superkonzern“. Die Spekulationen, dass einer der „Big Three“, der drei großen US-Autokonzerne Ford, GM und Chrysler, im Zuge der Krise verschwindet, sind ernstzunehmen.
Neue Märkte?
Die Bosse suchen nach neuen Märkten und schielen dabei nach Russland, Indien, China. Aber Chinas größere Städte stehen jetzt schon kurz vor einem Verkehrsinfarkt. Und unser Planet angesichts der Umweltverschmutzung vor einem Herzinfarkt.
Können möglicherweise neue Antriebstechniken, die den klassischen Benzinmotor ersetzen, einen neuen Boom auslösen? Auch das ist unwahrscheinlich. Die Krise ist eine klassische Überproduktionskrise und sie zeigt, wie chaotisch und anarchisch der Kapitalismus funktioniert. Nicht im Mangel, sondern im Überangebot steckt der Wurm drin.
Gemeinsam kämpfen – international
Die Belegschaften werden sich „verlassen“ fühlen, wenn sie sich zur Bewältigung der Krise auf ihre hohen Gewerkschaftsfunktionäre verlassen. Lustreisen, Korruption, Co-Management, Sozialpartnerschaft… Sie haben ihren Frieden mit den Managern geschlossen und auch mit der Marktwirtschaft.
Nein, nötig ist es, die gemeinsamen Interessen mit den Arbeitskollegen von anderen Werken, anderen Herstellern und anderen Ländern herauszustellen und gemeinsam für die Jobs, Einkommen und Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Welche enorme Sympathie hat doch der Streik der rumänischen ArbeiterInnen in der Autofabrik von Dacia ausgelöst! Ausgerechnet sie, die von den Beschäftigten hier misstrauisch als „Billiglohnland“ beäugt werden, standen auf und streikten gegen den Weltkonzern Renault (Besitzer von Dacia) und sagten: „Unsere Löhne reichen nicht zum Leben.“
Die gewerkschaftliche Strategie muss sein: Statt Standortwettbewerb gemeinsamer Kampf aller Belegschaften. Statt Lohnspirale nach unten Kampagnen für einheitliche Standards in der gesamten Automobilindustrie, zum Beispiel: Steinkühler-Pause in allen Werken einführen, längere Taktzeiten, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn.
Und statt der Produktion nach Profit in einem chaotischen Wirtschaftssystem muss die Autoindustrie in eine gesamtgesellschaftliche Planung nach den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt eingebettet werden.