Berlin: Tarifkonflikt bei BVG beendet – Niederlage hausgemacht

Das am Freitag abend erzielte Tarifergebnis für die rund 12500 Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und deren Tochterunternehmen Berlin Transport (BT) ist für ver.di eine bittere Niederlage. Und sie ist hausgemacht. Selten zuvor dürfte eine Gewerkschaft unter so positiven Vorzeichen in eine Tarifrunde gestartet sein, um dann kläglich zu scheitern.


 

von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 5.5.08

Zwölf Prozent, mindestens aber 250 Euro mehr, bei einer Laufzeit von einem Jahr verlangte die ver.di-Tarifkommission nach jahrelanger Lohnstagnation und dramatischen Einkommensverlusten. Erreicht wurden für die übergroße Mehrheit der Mitarbeiter, die sogenannten Altbeschäftigten, dauerhaft nur etwa vier Prozent – verteilt auf zwei Jahre. Das liegt deutlich unter der Preissteigerungsrate.

28,3 Millionen Euro muß die BVG nach eigenen Angaben für den Tarifvertrag zusätzlich aufbringen. Das ist weniger als die Hälfte dessen, was bei einer Übertragung des kürzlich in Potsdam erzielten Kompromisses für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen fällig gewesen wäre. Damit werden die Berliner Bus- und Bahnfahrer von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgehängt.

Neben dem »rot-roten« Senat – der sich gegenüber den Gewerkschaften zunehmend als Hardliner geriert – und der skrupellos gewerkschaftsfeindlichen Hauptstadtpresse trägt die ver.di-Spitze hierfür die Verantwortung. Denn die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Tarifrunde waren hervorragend: Die hohe Kampfbereitschaft dokumentierten die BVGer mit einem Votum von 97 Prozent in der Urabstimmung und der beinahe geschlossenen Teilnahme am Ausstand. Auch die Bevölkerung stand der Forderung nach deutlichen Lohnerhöhungen positiv gegenüber und reagierte größtenteils verständnisvoll auf die Arbeitsniederlegungen. Dennoch ist es ver.di mit dieser gewerkschaftlich gut organisierten Belegschaft nicht gelungen, weitere Reallohnverluste zu verhindern.

Die führenden Berlinerver.di-­Funktionäre haben sich einmal mehr als wankelmütig und konzeptlos gezeigt. Erst riefen sie wild entschlossen einen unbefristeten Streik aller Sparten aus, um diesen dann nach einigen Tagen ohne jegliches Zugeständnis der Gegenseite auszusetzen – obwohl keinerlei Abbröckeln der Streikfront festzustellen war. Dann ließen sie sich bei Verhandlungen von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) förmlich am Nasenring durch die Arena ziehen. Das stetige Nachgeben der Gewerkschaft – von ihrer ursprünglichen 250-Euro-Forderung hatten sich die ver.di-Unterhändler schon frühzeitig verabschiedet – beantwortete dieser mit immer neuen Provokationen.

Das Ende vom Lied ist ein miserables Ergebnis und eine demoralisierte Belegschaft. Wenn zumindest ein Teil der Kollegen die Schlußfolgerung zieht, daß man sich nicht auf den ver.di-Apparat verlassen kann, sondern Einfluß nehmen muß, wäre aber selbst dieser Arbeitskampf nicht umsonst gewesen.