Arbeitszeitverkürzung muss die Losung sein

Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste: Während eine ganze Latte von Konzernen das Jahr mit der Ankündigung von Entlassungen einläutet, stehen weitere Arbeitszeitverlängerungen auf dem Plan.


 

von Nelli Tügel, Berlin

Mit der vereinbarten Arbeitszeitverlängerung für westdeutsche Kommunen setzt sich in der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst der Trend der letzten Jahre fort. Auch im Tarifkonflikt bei der Post wollen die Arbeitgeber eine Erhöhung von 38,5 auf bis zu 41 Stunden für die BeamtInnen durchboxen. Zudem soll es im Kfz-Handwerk unentgeltliche Arbeitszeitverlängerungen von bis zu fünf Stunden geben.

Streichkonzert

Gleichzeitig reißt die Kette der Unternehmen, die weitere Stellen abbauen, nicht ab. Während der Vorsteuergewinn von BMW im letzten Geschäftsjahr schlappe 3,7 Milliarden Euro betrug, will der Konzern 8.100 Arbeitsplätze (davon 7.500 in Deutschland) vernichten. Bei Henkel sollen 3.000 Beschäftigte gehen, bei Continentals neuer Tochter VDO 4.000.

Im ersten Quartal kündigten die Unternehmer an, in den kommenden Monaten knapp 40.000 Entlassungen durchzuführen. Die Commerzbank rechnet durch die Finanzkrise sogar mit 100.000 Stellenkürzungen.

Arbeitszeitverlängerung und Stellenabbau sind zwei Seiten derselben Medaille. Einer Studie der Citybank zu Folge fallen mit der Verlängerung der Arbeitszeit von zum Beispiel 37,8 auf 40,4 Wochenstunden allein 800.000 Jobs weg.

6,3 Millionen sind ohne Arbeit…

Während die, die Arbeit haben, immer länger arbeiten sollen, sind Millionen Menschen ohne Stelle. 2007 gab es offiziell 3,77 Millionen Arbeitslose. Aber: 6,34 Millionen waren insgesamt auf Arbeitslosengeld angewiesen. Millionen Erwerbslose „blendet die Statistik der Bundesagentur für Arbeit aus“ (so die FAZ vom 12. März).

…andere macht Arbeit krank

Zahlreiche Studien belegen, dass sich der Arbeitsdruck in den letzten Jahren enorm erhöht hat. In einer Umfrage von ver.di zum Beispiel, an der sich 3.350 Mitarbeiter von 41 Banken in Hessen beteiligt haben, klagten 80 Prozent der Befragten über Stress am Arbeitsplatz. Bei einer ähnlichen Umfrage 1995 hatte der Anteil der Gestressten noch bei 50 Prozent gelegen.

24 Prozent der Beschäftigten in Deutschland belastet der Zeitdruck und die Anforderungen im Job so sehr, dass sie nicht glauben, unter diesen Bedingungen bis zum Rentenalter weiterarbeiten zu können. Jeder zehnte Fehltag geht auf das Konto von psychischen Erkrankungen.

Für die 30-Stunden-Woche!

Die Antwort auf diesen Irrsinn heißt: Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Und zwar in großen Schritten, um die Arbeitsbedingungen spürbar zu verbessern und deutlich mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Angesichts der gerade beginnenden Finanz- und Wirtschaftskrise kommt dieser Forderung noch viel stärkere Bedeutung zu. Nötig ist der Kampf für die 30-Stunden-Woche. Allein bei den von der Tarifrunde der letzten Wochen betroffenen 2,6 Millionen in Bund und Kommunen könnten so mehr als 600.000 Stellen neu geschaffen werden.