Öffentlicher Dienst: Streikverbot in Berlin

Polizeiangestellte per »Notdienstverpflichtung« an Arbeitsniederlegung gehindert


 

von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in junge Welt, 20.2.08

Der Berliner SPD-Linke-Senat hat im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes für eine Eskalation gesorgt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte am Freitag angekündigt, die im Objektschutz und Gefangenenwesen eingesetzten Polizeiangestellten am Dienstag und Donnerstag zu jeweils 24stündigen Arbeitsniederlegungen zu mobilisieren. Am Montag untersagte die Behörde – laut GdP mit Wissen und Unterstützung des Senats – dem Großteil der rund 250 Aufgerufenen per »Notdienstverpflichtung« die Teilnahme am Ausstand. Damit habe »erstmalig in Deutschland eine Landesregierung einen Warnstreik verboten – für eine rot-rote Landesregierung ein bemerkenswerter Vorgang«, kritisierte der Berliner GdP-Chef Eberhard Schönberg. Dies sei »ein politischer Skandal«, betonte er am Dienstag auf einer Pressekonferenz.

Begründet hatte die Polizeibehörde ihr Vorgehen damit, daß die Sicherheit in Berlin durch den Ausstand gefährdet sei. Bei 18000 Polizisten und Vollzugsangestellten in der Stadt könne ein Warnstreikaufruf an rund 250 Beschäftigte wohl kaum eine Gefährdung der Ordnung darstellen, konterte Schönberg. Zudem sei – wie schon bei vorangegangenen Warnstreiks – alles für den Einsatz von Beamten in den betroffenen Bereichen vorbereitet gewesen. »Von einer Gefährdung der Sicherheit kann also keine Rede sein – das ist eine glatte Lüge«, so der Gewerkschafter. Die GdP habe deshalb unverzüglich per einstweiliger Verfügung vor dem Arbeitsgericht versucht, das »Streikverbot« aufzuheben.

Nachdem dieses Begehren in erster Instanz abgelehnt wurde, einigten sich die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) auf einen Vergleich. Einer Pressemitteilung des LAG zufolge verpflichteten sich beide Seiten darauf, noch am Dienstag Verhandlungen über eine Notdienstvereinbarung aufzunehmen. »Das Gericht hat klar festgestellt, daß Streiks auch in sicherheitsrelevanten Bereichen möglich sind – das ist eine Klatsche für die Behörde«, so Schönberg auf jW-Nachfrage. Hinweise des Gerichts auf Wahrung der Verhältnismäßigkeit und die Pflicht zum Abschluß einer Notdienstvereinbarung entsprächen gängigem Arbeitskampfrecht. Aus Sicht der GdP sei das Urteil »ein neunzigprozentiger Erfolg«. Von der im Berliner Senat vertretenen Linkspartei war am Dienstag kein Vertreter für jW-Nachfragen zu dem Thema zu erreichen.

Hintergrund für die Warnstreiks in Berlin – neben der Polizei war auch die Technischen Universität betroffen – ist die seit über einem Jahr erhobene Forderung der Gewerkschaften, den Beschäftigten der Bundeshauptstadt dieselben Lohnerhöhungen zuzugestehen wie ihren Kollegen in anderen Bundesländern. Seit 2003 hätten die Landesbediensteten im Rahmen des sogenannten Solidarpakts auf rund zwei Milliarden Euro verzichtet, erklärte Schönberg. Ihm zufolge muß ein Vollzeit arbeitender Polizeiangestellter in Berlin trotz Schichtdienst mit zwischen 1000 und 1300 Euro netto im Monat auskommen. Um das zu ändern, wollen die Gewerkschaften den Druck erhöhen. Am Donnerstag ist ein ganztägiger Warnstreik in Ämtern, Kitas, Bäderbetrieben und bei der Feuerwehr geplant. Sollte sich der Senat dennoch nicht bewegen, werde ab 1. April die Urabstimmung für einen Erzwingungsstreik beginnen, kündigte Schönberg an.