Die Bahn weltweit auf großer Einkaufstour

DB-Chef Mehdorn: „Global Player sein…“


 

Mehrere Modelle für die Privatisierung der Deutschen Bahn (DB) wurden bereits abgeschmettert. Gegen allen Widerstand und die ablehnende Haltung der Mehrheit der Bevölkerung wird aber seitens Bahn-Vorstand, Bundesregierung und anderen hartnäckig am Börsengang festgehalten. Nun steht der Entwurf einer „Holding“-Bahn auf der Agenda der Großen Koalition. Der Konzern braucht die Privatisierung, argumentieren DB-Manager, Medien und Politiker unisono. Was aber steckt eigentlich hinter diesen Bestrebungen?

von Sebastian Foerster, Berlin

„Der Kunde möchte eine möglichst günstige Fahrkarte und dazu eine pünktliche, eine bequeme Fahrt [….]. Dass die DB mittlerweile ein so genannter Global Player ist, dass wir noch viel mehr können, spielt für die Bahnkunden dabei keine Rolle“, erklärt Bahn-Chef Mehdorn vollmundig in der aktuellen Werbebroschüre DB-Logistik und macht neugierig auf das, was der globale Akteur Deutsche Bahn sonst noch so zu bieten hat.

Wir blättern weiter in der Broschüre und erfahren, dass der Konzernvorstand kürzlich erst auf großer Einkaufstour auf dem Weltmarkt gewesen ist – und einen nicht zu verachtenden Schuldenberg von 20 Milliarden Euro angehäuft hat. Mit den Logistik-Töchtern Schenker, Bax und Stinnes hat man sich drei schwere Brocken einverleibt. Aber das ist noch nicht alles: Laut Schätzungen sind weitere internationale Investitionen in Höhe von 60 Milliarden Euro geplant.

„Mitspielen…“?

„Die Bahn braucht nun den Zugang zum Kapitalmarkt, um in den Ausbau der Logistik investieren zu können. Sie braucht in diesem Wachstumsgeschäft auch neue Eigentümer, die unternehmerisch denken und handeln“ (FAZ vom 11. November 2007).

Im Klartext: Damit die Bahn auf dem globalen Markt expandieren kann, bedarf es – aus Sicht der Herrschenden – der längst überfälligen umfassenden Privatisierung. Durch den Ausverkauf des letzten großen Staatsunternehmens soll dem Konzern frisches Kapital zugeführt werden. Ziel ist es, aus der DB AG einen führenden Global Player im Logisitikbereich zu machen. Für Mehdorn steht der Fahrplan fest: „Weiter an der Spitze mitspielen oder gar nicht.“

Das „Holding-Modell“

Im Kampf um eine globale Vormachtstellung im Transportwesen ringt der Bahnvorstand mit vielen Hindernissen. Vor allem mit dem Widerstand gegen die Privatisierung der Bahn. Erschwert wird das Projekt für Mehdorn und Co. da-durch, dass sich auch die Bürgerlichen und ihre Politiker nicht einig sind. Als beim SPD-Parteitag Mehdorns Pläne abgelehnt wurden und die CDU darauf-hin auch noch das sozialdemokratische „Volksaktien-Modell“ kippte, schien das Kartenhaus zusammen zu fallen. In letzter Not zauberte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) in Absprache mit Mehdorn das neue „Holding-Modell“aus dem Hut.

Anvisiert wird im aktuellen Entwurf die organisatorische Trennung von Infrastruktur und Verkehrsgesellschaft. Die Schienen bleiben Staatseigentum und der Betrieb wird privatisiert. 49 Prozent des Bestands des Nah-, Fern- und Güterverkehrs soll an Aktionäre, Spekulanten und Heuschrecken versteigert werden.

Fressen und gefressen werden

Erwartet wird, dass in den nächsten Jahren nur zwei bis drei Global Player in Europa überleben werden. Auch wenn die 1994 noch schuldenfreie Deutsche Bahn heute mit 20 Milliarden Euro im Minus ist, expandiert sie stark und fährt enorme Gewinne ein. 2006 lagen die Einnahmen bei über 30 Milliarden Euro. Der Konzern ist europäischer Marktführer, sowohl beim Land- als auch beim Schienengüterverkehr. Weltweit ist er die Nummer zwei bei See- und Nummer drei bei Luftfracht.

Das aufstrebende Logistikunternehmen DB entfacht einen massiven Konkurrenzkampf. Um dem deutschen Transportkonzern nicht das Feld zu überlassen, wird nun zum Beispiel auch in Frankreich die Privatisierung der Staatsbahn SNCF vorangetrieben.

Neoliberale Umstrukturierungen

Vor 20 Jahren, 1987, hat die Europäische Union die Liberalisierung des Transportwesens beschlossen und den Grundstein für die weitere Entwicklung gelegt. Mit der Privatisierung der Eisenbahn in Ländern wie Großbritannien, Schweden und Italien wurden die entsprechenden Weichenstellungen vorgenommen. 1994 kam dann auch in Deutschland die geplante Umstrukturierung durch die „Bahnreform“ ins Rollen. Es wurde umorganisiert, rationalisiert und ausgegliedert. Tausende Stellen gestrichen und die Löhne abgesenkt. Die Bundesbahn wurde zur Aktiengesellschaft.

Die Befürworter des Börsengangs argumentieren, dass die Steuerzahler entlastet würden. Laut Verkehrsministerium liegt der Wert des im Angebot stehenden Transport- und Logistikwesens der DB bei 27,5 Milliarden Euro. Verkauft werden soll der Bestand allerdings nur für vier bis 6,5 Milliarden Euro. Massig öffentliche Gelder würden also verschenkt werden. Und die Erfahrung aus den anderen Ländern zeigt, dass dort nach der Privatisierung nochmal der selbe Betrag und meist sogar weitaus höhere Beträge an staatlichen Subventionen in die Bahn gesteckt werden mussten.

Schlechte Zukunftsmusik

Für Bahnbeschäftigte und Fahrgäste wäre die Durchsetzung der Privatisierung fatal. Mit dem Ausverkauf einher ginge ein weiterer Abbau des Bahnnetzes. Laut internen Plänen sollen noch mal bis zu 10.000 Kilometer still gelegt werden. Umwelt und Klima würden zunehmend belastet durch eine Verlagerung des Transports auf andere Bereiche wie den Luft- oder Kraftverkehr.

Den Beschäftigten schlägt mit dem Ausverkauf ein harter Wind ins Gesicht. Zu erwarten sind weitere Ausgliederungen, Lohndrückereien und die Streichung von 80.000 Arbeitsplätzen. Auf welche Verschlechterungen wir uns in puncto „günstige Fahrkarten, Pünktlichkeit und Komfort“ nach der Privatisierung einstellen können, lässt sich gut am Beispiel England fest machen. In Meinungsumfragen sprachen sich dort nur wenige Jahre nach dem Verkauf 70 bis 80 Prozent für eine Rückverstaatlichung aus. Verantwortlich für den Wunsch der Fahrgäste nach einer staatlichen Bahn waren die teureren Preise, die häufigen Verspätungen und eine Reihe tödlicher Unfälle seit der Privatisierung 1996. Nach diversen Verlustjahren und enormen Summen verschwendeter Subventionen sahen sich die Herrschenden inzwischen gezwungen, Schritte unternommen werden, die Bahnstruktur wieder in staatliche Hand zu bringen.

Die Regierung und der Bahnvorstand in Deutschland haben nicht vor, locker zu lassen. Die Privatisierung wird von ihnen weiter voran getrieben werden. Von den regierenden Parteien ist die Entscheidung zum „Holding-Modell“ bis nach den Landtagswahlen im Frühjahr auf Eis gelegt worden. Zeit also, um den Widerstand gegen den Börsenwahn weiter zu stärken.