Bremerhaven: Nazi-Angriffe als Folge konsequenter antifaschistischer Arbeit

In den letzten Wochen sind antifaschistische Mitglieder der SAV und der „DIE LINKE“ in Bremerhaven wiederholt Opfer neonazistischer Übergriffe geworden.


 

Die Nazi-Szene versucht mit bewussten Provokationen und Gewaltaktionen nicht nur die unmittelbar betroffenen Personen, sondern alle AntifaschistInnen einzuschüchtern und mundtot zu machen. Dagegen ist öffentlicher Widerstand notwendig.

von Patrik Schulte, Mitglied der „DIE LINKE.“ und der SAV in Bremerhaven

Es fing damit an, dass am Samstag, den 08. Dezember ein unbekannter Nazi Schmierereien an Haus und Tür hinterließ, sowie diverse Sachbeschädigungen an dem Haus verübte, in dem meine Freundin Sabine Tscharntke und ich wohnen. Die Parolen lauteten beispielsweise: „Kein ruhiges Hinterland für Linksfaschisten“ und „wenn ich noch einmal kommen muss, brennt das Auto“. Zudem war das Türschloss zerstört und diverse Sachbeschädigungen angerichtet, die hohe Kosten verursachen. Am nächsten Tag stand bei uns, wie wir mittlerweile herausbekommen haben, ein stadtbekannter Nazi vor der Tür und schoss ein Foto von mir. Nachdem ich ihn verfolgte, stellte ich fest, dass er mit seinem Auto unterwegs war und so der Halter des Fahrzeugs, sprich der Täter, von der Polizei ermittelt werden konnte. Es steht fest, dass dieser Nazi schon mehrfach wegen politischer Aktivität aufgefallen ist.

Am letzten Sonntag musste ich dann feststellen, dass mein Auto, vermutlich von den gleichen Tätern, in erheblichem Maße zerkratzt worden war. Am letzten Mittwoch konnte ich zudem auf der Straße beobachten, wie abends wiederum Fotos von einem Unbekannten von meinem Wagen geschossen wurden.

Es wurden von meiner Seite mehrere Anzeigen, teilweise gegen unbekannt gestellt, und es wird gegen den Nazi, der sich sogar „persönlich vorstellte“, polizeilich ermittelt. Die Kripo in Bremerhaven hat versichert, ihm einen „Besuch“ abzustatten, verbunden mit der Aufforderung diese Aktionen zu unterlassen. Es ist jedoch ungewiss, ob die Person tatsächlich von der Justiz zur Rechenschaft gezogen wird.

Nach den Vorfällen wurde uns aus zuverlässigen Quellen berichtet, dass ähnliche Vorfälle keine Einzelfälle seien und es auch auf einzelne andere einschlägig bekannte Personen, die gegen Nazis und Rassismus offen vorgehen, in der letzten Zeit Übergriffe gegeben hätte. In der Öffentlichkeit wird diese Bedrohung jedoch nicht wahrgenommen. Polizei und Politik verstecken sich hinter dem Argument der „überschaubaren Naziszene ohne nennenswerte Tätigkeitsfelder“ und nehmen die Gefahr, die für alle Andersdenkenden, Minderheiten, AntifaschistInnen und politisch aktiven Linken besteht nicht ernst.

Hintergrund dieser Aktivitäten der Nazis ist auf jeden Fall eine verstärkte Anti-Nazi-Arbeit, die in den letzten Monaten vor allem von der SAV in Bremerhaven getragen wurde. Aufgrund der angemeldeten Nazi-Demos des Silvio Reinhold für September/Oktober, wurden seit dem Sommer Vorbereitungen für eine Veranstaltung und ein Konzert gegen Rechts getätigt. Allein auf dem Konzert zeigten nahezu 200 Leute, dass Nazis in dieser Stadt keinen Platz haben dürfen. Die Vorfälle in den letzten Wochen haben bewiesen, dass unsere Position richtig war, selbst nach dem Verbot der Nazi-Demos an den Veranstaltungen und Aktionen festzuhalten. Die Gefahr von rechts ist real und keineswegs zu vernachlässigen.

Wichtig ist nun, die Öffentlichkeitsarbeit gegen die Neonazis voranzutreiben und zu demonstrieren, dass der Widerstand lebt und dass es eine breite Front gegen Nazis und Rassisten in der Stadt gibt.

Damit diese Botschaft auch in der Öffentlichkeit ankommt, habe ich mich zudem mit dem Sonntagsjournal (Sonntagszeitung der Nordsee-Zeitung) kurz nach den Vorfällen in Verbindung gesetzt und mit ihnen über die Problematik gesprochen.

Daher wird es am Sonntag, den 23. Dezember einen Artikel über die Angriffe auf uns und die akute Bedrohung durch die Neonazis geben.

Es ist absolut notwendig, dass besonders die betroffenen Personen sich offen äußern und das Thema nicht unter den Teppich kehren. Denn die Nazis setzen auf individuelle Einschüchterung und fürchten die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser. Zudem muss eine öffentliche Diskussion über Maßnahmen gegen die Faschisten und ihre menschenverachtende Ideologie und eine Auseinandersetzung damit in den Köpfen der Menschen in dieser Stadt stattfinden bzw. fortgesetzt werden.

„DIE LINKE.“ in Bremerhaven hat als einzige Partei in der Bremischen Bürgerschaft und der Stadtverordnetenversammlung den Kampf gegen den Faschismus in ihrem Programm verankert. Daraus müssen – anders als bei den letzten Antifa-Aktionen in Bremerhaven, an denen sich die „DIE LINKE.“ trotz mehrfacher Aufforderungen durch die SAV nicht beteiligt hat – endlich öffentlich wahrnehmbare Konsequenzen folgen. „DIE LINKE.“ darf bei den nächsten Aktionen nicht länger abseits stehen, sondern muss innerhalb und außerhalb von Bürgerschaft und Stadtverordnetenversammlung zum Widerstand gegen Nazi-Aktivitäten und Einschüchterungen aktiv teilnehmen. Das ist der wirksamste Schutz für AntifaschistInnen und darauf haben wir nicht nur als Mitglieder der „DIE LINKE.“ Anspruch. Die Solidarität aller Linken gegen Faschisten muss Vorrang gegenüber Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Partei „DIE LINKE.“ haben. Nur dann werden wir gemeinsam verhindern können, dass AntifaschistInnen weiterhin individuell bedroht und eingeschüchtert werden.

Als ersten Schritt in diese Richtung erwarte ich vom Landesvorstand Bremen und dem Kreisvorstand Bremerhaven der „DIE LINKE.“, diese Übergriffe der Neonazis auf ihrer Website öffentlich zu machen und zur Solidarität aller Linken dagegen aufzurufen.

21.12.2007