Nazi-Überfall in Halberstadt: fragwürdiger Polizeieinsatz

In der Nacht vom 10. Juni wurden 10 Mitglieder des Ensembles des Nordharzer Städtebundtheaters in Halberstadt vor einer Kneipe von acht Nazi-Schlägern überfallen und zum Teil krankenhausreif geprügelt.


 

von Conny Dahmen, Köln

Fünf Tänzer, Statisten und Musiker erlitten Augenverletzungen, Nasebeinbrüche und Kieferverletzungen, ihre Kolleginnen wurden bespuckt und beschimpft. Letztere schalteten sofort die Polizei ein, die sich jedoch nach ihrem späten Eintreffen zuerst um die Personalien der Opfer kümmerte, anstatt die Täter festzunehmen, die sich noch in Sichtweite befanden. Die vier Polizisten, die zunächst zum Einsatz geschickt worden waren, hatten zwar die Verletzten anschließend ins Krankenhaus bringen lassen, sich jedoch in keiner Weise um eine Versorgung der unter Schock stehenden Frauen gekümmert oder sie nach Hause gefahren. Speichelspuren der Täter an Kleidung und Körper der Darstellerinnen wurden nicht sichergestellt.

Einer der Täter konnte zwar später gefasst werden, weil er an den Tatort zurückkehrte, wo ihn einer der Überfallenen wieder erkannte, wurde aber später vor Feststellung seiner Vorstrafen wieder frei gelassen. Diesen Fehler musste auch Sachsen-Anhalts Innenstaatssekretär Rüdiger Erben (SPD) nach Berichten der „Mitteldeutschen Zeitung“ unterdessen einräumen. Der Festgenommene, der der Polizei wegen Körperverletzung und der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole bereits bekannt ist, ist jedoch mittlerweile untergetaucht und auch von seinen Komplizen fehlt jede Spur.

Aussagen von Theaterleuten zufolge hatten Beamte eine Zeugin bei der Vernehmung unter Druck gesetzt, ihre Vorwürfe gegen ihre Polizeikollegen nicht ins Aussageprotokoll aufnehmen zu lassen. Aufgrund all dieser Vorgänge wollen die Opfer nun rechtlich gegen die Polizisten vorgehen.

Nicht nur dieser Vorfall wirft die Frage auf, auf wessen Seite die Polizei in Halberstadt und die Landesregierung stehen: So wurde letztes Jahr ein Konzert gegen Rechts von Konstantin Wecker auf Druck der NPD hin abgesagt, angeblich wegen rechtlicher Schwierigkeiten. 2005 wurde eine Jubiläumsdemonstration des Alternativen Zentrums „Zora“ von Polizeiprovokationen begleitet. Die Politiker von SPD und Grünen in Halberstadt zeigen sich nun tief bestürzt über den Überfall, haben aber keine tatkräftige Gegenwehr gegen die Nazis organisiert. Eine Theaterangestellte: “ "Halberstadt ist bunt, nicht braun"- Demos, das haben wir durch, das bringt doch alles nichts! Wer anders denkt oder aussieht, geht hier nachts nicht allein durch die Straßen!“

Die etablierten Parteien haben keine Strategie gegen Rechts und geben der Nazipropaganda durch ihre eigene rassistische Asylgesetzgebung und Hetze gegen Muslime noch einen Nährboden. Ob in Halberstadt oder anderswo, es liegt an uns, der Masse der Bevölkerung, und nicht an den Behörden, sich den Nazibanden von NPD und Freien Kameradschaften in den Weg zu stellen – auch gegen den Widerstand der Staatsgewalt. AntifaschistInnen sehen sich bei Demonstrationen gegen rechte Aufmärsche oder Treffpunkte mit massivem Polizeiaufgebot und oft genug mit Polizeigewalt konfrontiert. Die betroffenen Theaterleute versuchen jetzt, genug Druck zu entfalten, um eine wirkungsvolle Bestrafung der Täter durchzusetzen. Dies könnte der rechten Szene einen Schlag versetzen und andere ermutigen, sich auch gegen rechte Gewalt zu wehren. Eine gemeinsame Kampagne zusammen mit anderen Betroffenen, linken Organisationen und Gewerkschaften wäre ein weiterer Schritt in die Richtung, starke Strukturen für einen erfolgreichen Kampf gegen die Nazis und einen Schutz für die Gewaltopfer aufzubauen.