Bremer Bürgerschaftswahlen: Abfuhr für die Große Koalition – Erfolg für die Linke!

SPD und CDU haben bei den Bremer Bürgerschaftswahlen zusammen fast zehn Prozent der Stimmen verloren: Dies ist die Quittung für den sozialen Kahlschlag, den die Große Koalition in Land und Bund ohne Rücksicht auf die Proteste der Betroffenen veranstaltet hat.
von Heino Berg, Bremen
 

Die auf ein Rekordtief gefallene Wahlbeteiligung von 57,9 Prozent (in Bremerhaven sogar nur 51 Prozent) macht zudem auf das wahre Ausmaß der Wut über die schamlose Ausplünderung von Arbeitnehmern und Arbeitslosen und damit auf das Potential einer glaubwürdigen linken Alternative aufmerksam. Die Politik des Sozial- und Stellenabbaus, von Privatisierungen und Hartz IV wird von einer wachsenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Die Niederlage der Regierungsparteien in Bremen, von deren Ablehnung hier auch die Grünen als Oppositionspartei profitieren konnten, wird die Isolation und Krise der Großen Koalition auch im Bund beschleunigen – unabhängig davon, ob sich die Bremer SPD-Führung trotz des Linksrucks bei den Wahlen für eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU, oder für eine Bündnis mit den Grünen entscheiden wird.

Die von der WASG unterstützte Liste der Linkspartei hat mit 8,4 Prozent ihren Stimmenanteil bei den Bundestagswahlen erreicht und wird in der neuen Bürgerschaft sieben Abgeordnete stellen. Dies ist schon deshalb ein wichtiger Erfolg, weil dadurch ein Zuwachs für die extreme Rechte (die DVU stellt wieder nur einen Abgeordneten) verhindert werden konnte.

Auch wenn sie damit in absoluten Zahlen gegenüber dem letzten September Stimmen verloren hat, ist dies nach den ernüchternden Ergebnissen und den Einbrüchen für die Linkspartei in Berlin ein ermutigendes Signal für westlichen Bundesländer. Die „LINKE“, die formell erst im Juni gegründet werden soll, kann hier zumindest teilweise das riesige politische Vakuum füllen, das die SPD auf der Linken hinterlassen hat.

Wahlkampf und Klassenkampf

Der Wahlerfolg der „LINKEN“ in Bremen spiegelt in erster Linie den wachsenden Widerstand gegen die neoliberale Politik in unserem Lande. Die Basis für diesen Wahlsieg waren nicht die miserabel besuchten Veranstaltungen der Bundestagsabgeordneten oder gar die Wahlplakate, die mit dem banalen Hinweis „Hier ist die Linke!“ auf inhaltliche Aussagen verzichteten, sondern die Aktivität der Betroffenen selbst. Bei den Belegschaftsversammlungen an den Krankenhäusern, bei der Telekom, bei den Lehrern und in den Sozialen Diensten haben Zehntausende von KollegInnen ihren Protest gegen die Politik des Senats zum Ausdruck gebracht. Unmittelbar vor den Wahlen demonstrierten noch einmal 8.000 Menschen vor dem Bremer Rathaus gegen massive Mittelkürzungen für die Universität. An einem dieser „Wahlkampftagen“ fanden zum Beispiel sechs Demonstrationen gleichzeitig statt, darunter auch eine Aktion gegen Zwangsräumungen für Hartz-IV-Empfänger.

Die Linkspartei tat wenig dafür, um diesen vielfältigen außerparlamentarischen Widerstand zu bündeln oder gar inhaltliche Vorschläge dafür zu machen. Immerhin berichtete sie darüber und erklärte sich solidarisch. So konnte wenigstens ein Teil dieses Protestpotentials in Wählerstimmen für die „LINKE“ umgewandelt werden.

Hier zeigt sich der objektive Unterschied zwischen der „LINKEN“ in Bremen einerseits und in Berlin oder vielen Kommunen Ostdeutschlands andererseits: Während in Berlin die Schüler, Studenten und Krankenhausbeschäftigten gegen PDS-Senatoren demonstrieren mussten und ihnen daher bei den Wahlen die Stimmen verweigerten, wurden ihre Aktionen in Bremen, wo die „LINKE“ jede Regierungsbeteiligung abgelehnt hat, öffentlich unterstützt. Dies machte die „LINKE“ in Bremen im Gegensatz zu Berlin wählbar, auch wenn sie weit davon entfernt bleibt, für Linke aus den Gewerkschaften und aus den sozialen Bewegungen eine attraktive politische Plattform zu bilden.

Es war ausgerechnet Bodo Ramelow, der auf der Wahlparty der „LINKEN“ auf den Widerspruch zwischen Erfolgen bei Wahlen und beim Aufbau einer wirklichen linken Massenorganisation aufmerksam gemacht hat: Nirgendwo sei die Zustimmung zur Fusion mit der PDS und die Beteiligung an der Urabstimmung so niedrig wie in Bremen.

Die Ernte der WASG

Wenn die „LINKE“ die früheren PDS-Wahlergebnisse in Bremen (unter zwei Prozent) mehr als vervierfachen konnte, so geht dies vor allem auf das Konto der WASG, die bei den Bundestags- und Bürgerschaftswahlen auf eine eigene Kandidatur verzichtet hatte. Gerade in Bremen ist die WASG in der Öffentlichkeit als eine neue linke Kraft wahrgenommen worden, die (im Unterschied zu der Bremer L.PDS) der Auseinandersetzung mit der Linksparteispitze und ihrer unsozialen Regierungspolitik in Berlin nicht aus dem Weg geht. Diese offene Diskussion trug ebenso zur Glaubwürdigkeit linker Wahlforderungen bei wie die Person ihres Spitzenkandidaten. Mit Peter Erlanson hatte die WASG-Basis gegen die Parteiführung und Axel Troost einen Spitzenkandidaten durchgesetzt, der die Eigenkandidatur der Berliner WASG und ihre Kandidatin Lucy Redler ausdrücklich verteidigt hatte.

Als Betriebsrat eines Krankenhauses konnte Erlanson den Widerstand gegen die Privatisierungspläne des Bremer Senats sehr viel glaubwürdiger verkörpern als die sogenannte linke „Politprominenz“, die sich gerade mit der Privatisierung der Berliner Sparkassen anfreundet.

Die „Zeit online“ vom 14. Mai kommentiert: Diese„ innerparteilichen Gegensätze werden der Partei noch zu schaffen machen. Wenn zum Beispiel der Spitzenkandidat der Bremer Linken Peter Erlanson verkündet, „Privatisierung ist Diebstahl an öffentlichem Eigentum“, dann stellt sich natürlich zwangsläufig die Frage, ob er den einen oder anderen Genossen aus dem Osten für einen Dieb hält.“

Diese eindeutigen Stellungnahmen des WASG-Spitzenkandidaten missfallen K.Ernst und B. Ramelow, brachten der Bremer „LINKEN“ aber überproportionalen Stimmengewinne unter den Erwerblosen (20 Prozent) und bei den Arbeitern (12 Prozent).

Linksbündnis und Bremerhaven

Zu dem eigenständigen Profil der WASG, dem die „LINKE“ ihren Erfolg bei den Bremer Bürgerschaftswahlen verdankt, trug nicht zuletzt auch die öffentliche Diskussion über ein gleichberechtigtes Wahlbündnis der Linken bei, für das die SAV in Bremen und Bremerhaven die Initiative ergriffen hatte. Auch wenn der WASG-Landesvorstand unter dem massiven Druck der Bundesführung schließlich eine Kandidatur auf der L.PDS-Liste akzeptierte, hatten mit der SAV sehr viele WASG-Mitglieder ihren Widerstand gegen eine bedingungslose Selbstauflösung in der „Linkspartei“ zum Ausdruck gebracht und so die Idee einer wirklich neuen und glaubwürdigen Linksalternative am Leben erhalten.

In Bremerhaven hatte die WASG ein solches Linksbündnis nicht nur innerparteilich gefordert, sondern – zunächst gemeinsam mit den L.PDS-Mitgliedern – mit seinem praktischen Aufbau begonnen. Ohne Rücksicht auf frühere Bekenntnisse zur Einheit aller Linken hatte die L.PDS jedoch auf Druck von oben dieses Bündnis verlassen und für Bremerhaven eine eigene Konkurrenzliste angemeldet. Dies geschah in letzter Minute und ohne ausreichende inhaltliche Diskussion über die kommunalpolitischen Ziele und Kandidaten. So konnte es passieren, dass sie mit Herrn Weihrauch sogar einen Kandidaten für Platz 2 nominierte, der sich wenige Tage vor der Wahl als Rechtsextremist entpuppte.

Die WASG in Bremerhaven hielt dagegen immer an der Idee einer offenen Wählervereinigung fest und wurde nach der offiziellen Unterstützungserklärung von Seiten des Kreisverbands von ihrem Landes- und Bundesvorstand nicht nur politisch und finanziell im Stich gelassen, sondern sogar an der Veröffentlichung der Veranstaltungstermine für das Linksbündnis gehindert.

Ohne ein einziges Wahlplakat und nur auf Infostände und den Auftritt bei öffentlichen Veranstaltungen angewiesen erzielte die vom betroffenen WASG-Kreisverband unterstützte "Alternative Linke" 0,7 Prozent. Der Ansatz, linke Glaubwürdigkeit zu verteidigen und für ein offenes Bündnis der Linken einzutreten, bleibt trotz der Reaktionen von L.PDS und WASG-Spitzen zukunftsfähiger als der von ihnen betriebene Top-Down-Prozess.

Wahlaufruf der SAV

Die SAV hat – nachdem wir eine bedingungslose Unterstützung der L.PDS in der WASG nicht verhindern konnten – bei den Bundestags- ebenso wie bei den Bürgerschaftswahlen dazu aufgerufen, für die „LINKE“ zu stimmen. 8,4 Prozent für die „LINKE“ sind ein klares Nein zur neoliberalen Politik in unserem Lande. Aber wir werden nach den Wahlen dafür kämpfen müssen, dass dieser Kampfansage praktische politische Konsequenzen folgen: Innerhalb und außerhalb der Bremer Bürgerschaft; innerhalb und außerhalb der neuen Partei „DIE LINKE“.