Nationalratswahlen in Österreich

Unerwarteter Sieg der SPÖ – Rassisten gestärkt – 2200 Stimmen gegen Kapitalismus
 

Die Nationsratswahlen am 1. Oktober in Österreich führten zu einem unerwarteten Sieg der SPÖ. Nachdem sie seit 2006 in Opposition gewesen war, wurde sie nun mit knapp 36% stärkste Partei. Der Hauptgrund dafür ist der starke Wunsch großer Teile der Bevölkerung den ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel endlich los zu werden. Er hatte brutalen Neoliberalismus umgesetzt gepaart mit einer schier unglaublichen Arroganz. Die zwei offen rassistischen Parteien – FPÖ und BZÖ – erhielten zusammen mehr als 15% der Stimmen. Die Schwesterorganisation der SAV hat bei diesen Wahlen ebenfalls kandidiert – als Sozialistische LinksPartei – Liste gegen Kapitalismus und Rassismus.

von Sonja Grusch, Wien

Die Kampagne der Kanzlerpartei ÖVP hatte als Kernaussage, das ohnehin alles wunderbar ist in Österreich. Manche ÖVP-WahlkämpferInnen trugen sogar T-Shirts mit der Aufschrift „Nicht-Raunzer“ – was nichts anderes bedeutet als das jedeR der/die sich über die bestehenden Probleme beschwert, nur ein Raunzer ist (Raunzer ist das österreichische Wort für Nörgler). Aber in den letzten sechs Jahren in der Regierung hat die ÖVP eine Reihe scharfer Angriffe auf Pensionen, Gesundheits- und Bildungswesen durchgeführt. Die Prekärisierung von Jobs hat zugenommen und Frauen wurden vom Arbeitsmarkt verdrängt, Jugendliche aus den Unis vertrieben. Kombiniert wurde das ganze mit starker Einflussnahme ins staatliche Fernsehen das noch mehr als zuvor zu einem unkritischen Regierungs-Fernsehen verkommen ist. Postenschacher bzw. die Schaffung lukrativer Jobs für AnhängerInnen der Regierung haben das Bild abgerundet. Die Meinungsumfragen haben zwar einen Wahlsieg der ÖVP vorausgesagt, aber offensichtlich war der Wunsch, diese Regierung los zu werden, größer. Dies deutete sich im Juni 2003 bereits an, als mehr als eine Million ArbeiterInnen einen Tag gegen die Rentenpläne der Schüssel-Regierung streikten.

SPÖ: Schwacher Sieger

Am Abend des 1. Oktobers war SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer erstaunt – und Wahlsieger. Aber die SPÖ ist eine schwache Siegerin, sie verlor rund 200.000 Stimmen. Obwohl die SPÖ mit einer Reihe sozialer Slogans in den Wahlkampf ging („mehr Fairness“) stimmten 40% ihrer WählerInnen für sie um Schüssel los zu werden. Die SPÖ konnte ihre Stimmen in den ländlichen Gebieten eher halten als in den Städten, am stärksten verlor sie in den traditionellen ArbeiterInnenbezirken. Unter RentnerInnen wurde die SPÖ die unumstrittene Nr. 1, aber 75 % der unter 30-jährigen wählten eine andere Partei. Trotz ihrer sozialen Rhetorik gibt es keinen Linksruck in der SPÖ. In den letzten Jahren hat die SPÖ in diversen Landesregierungen Politik betrieben, die sich nicht wesentlich von jener der ÖVP unterschied. In Wien, wo sie eine absolute Mehrheit hat, wurde der Sozialbereich ausgegliedert und Gesundheitswesen, Alten- und Behindertenpflege der Profitlogik des Marktes unterwerfen. In Kärnten, wo der rechtsextreme Jörg Haider Landeshauptmann ist, ging die SPÖ eine Koalition mit ihm ein und zeigte so, dass sie auch hier keine Berührungsängste hat.

Rechtsextreme gestärkt

Erstaunlich ist auch, dass die Totgeburt BZÖ den Einzug ins Parlament geschafft hat. Das BZÖ entstand durch die Abspaltung von Haider und der FPÖ-Ministerriege von der FPÖ im Frühjahr 2005. Das BZÖ hat keine wirkliche Basis – dafür aber viel Geld von den Ministerien und Haiders Landeshauptmannmandat, um seine KandidatInnen zu bewerben. Im Zuge des Wahlkampfes hat sich unsere Analyse, dass es sich nicht um eine „liberale“ Abspaltung handelt, bestätigt. Es gab einen widerlichen Wettkampf zwischen BZÖ und FPÖ darüber, wer rassistischer ist. AsylwerberInnen wurde quasi pauschal als LügnerInenn dargestellt die in Luxus leben. Beide Parteien sprachen sich für umfassende Abschiebungen aus. Die FPÖ erhielt mehr als 11 %, weniger als die 26,9 % 1999 vor Haiders Ausstieg aus der Partei, aber immer noch mehr als die 10%, die sie 2002 erhielt. Nach der Abspaltung 2005 hatten viele KommentatorInnen erklärt, nun sei die FPÖ vor dem Aus. Wir erklärten damals, dass die Abspaltung die FPÖ noch weiter nach rechts verschieben wird da der faschistische Flügel ins Zentrum der Partei rücken wird. Wir haben auch erklärt, das der Rechtsextremismus durch die Spaltung nicht verschwinden würde. Wir hatten mit beidem Recht. Heute besteht die FPÖ-Führung weitgehend aus Männern die mehrheitlich in rechtsextremen Burschenschaften organisiert sind, die keine Berührungsängste zu FaschistInnen haben und offen sind für revisionistische Ideen. Die FPÖ setzt auf eine Mischung aus pseudo-sozialer Rhetorik und aggressivem Rassismus. In Kombination mit der Schwäche der Linken ist das die Basis für ihre Wahlerfolge. Alle großen Parteien sind in bezug auf die Frage von Migration/Asyl in der letzten Periode nach rechts gegangen. Statt über soziale Probleme oder ein Arbeitslosigkeitsproblem zu sprechen, gibt es für sie ein „AusländerInnenproblem“. RegierungsvertreterInnen haben SchülerInnen mit Migrationshintergrund für das schlechte Abschneiden Österreichs bei der Pisa-Studie verantwortlich gemacht. Natürlich haben sie nicht erwähnt, dass sie selbst verantwortlich sind für die massiven Kürzungen im Bildungswesen. Die ÖVP-Innenministerin hat eine (ohnehin schon unwissenschaftliche) Studie falsch zitiert und behauptet, 45% aller Moslems/Muslima wären „integrationsunwillig“. Das hat die rassistischen Stimmung gegen Moslems/Muslima, die von der FPÖ geschürt wird, weiter angeheizt. Vor diesem Hintergrund gibt es auch eine Zunahme von Angriffen auf MigrantInnen durch rechte Jugendliche und Nazis.

SLP: Die einzige Alternative zu den RassistInnen

Die österreichische Sektion des CWI hat bei diesen Wahlen ebenfalls kandidiert. Wegen der extremen bürokratischen und finanziellen Hürden sind wir nur in Wien angetreten. Wir haben der KPÖ ein Wahlbündnis angeboten, aber ihre einzige Reaktion war „ihr könnt auf unserer offenen Liste kandidieren“. Die KPÖ hatte in der letzten Zeit einige gute Stimmenergebnisse (bis zu 20% in Österreichs zweitgrößter Stadt Graz) im Bundesland Steiermark. Dort prägt Sozialarbeit ihre politische Arbeit, speziell unter MieterInnen. Der bekannteste KP’ler, Ernest Kaltenegger, wird als nicht-korrupter, nicht-privilegierter und nicht-typischer Politiker gesehen. Die KPÖ hat daher gedacht, sie könnten an diesen Wahlerfolg Österreichweit anknüpfen. Aber nirgends sonst in Österreich haben sie ähnliche Arbeit gemacht, und Kaltenegger hat nicht auf der Nationalratsliste kandidiert. Der KPÖ-Spitzenkandidat war zweimal je eine Stunde im staatlichen Fernsehen – aber er hat keine sozialistischen/kommunistischen Ideen vorgebracht. Der zentrale Wahlslogan der KPÖ war „Geben, nicht nehmen“, was eher an eine Anlehnung an die Bibel klingt. Und sie haben nichts gegen die die rassistische FPÖ gemacht. Die KPÖ hat Stimmen gewonnen, und hat insgesamt rund 1% erhalten, aber sie sind weit entfernt von den Hoffnung und Erwartungen vieler KP’lerInnen.

Die einzige Partei, die in diesem Wahlkampf aktiv gegen die rassistischen Kundgebungen der FPÖ mobilisiert hat, war die SLP. Wir haben unter dem Namen „Sozialistische LinksPartei – Liste gegen Kapitalismus und Rassismus“ kandidiert. Es ist bemerkenswert wie viel positive Reaktionen wir auf das „gegen Kapitalismus“ erhielten. Die SLP hat Proteste gegen die FPÖ-Kundgebungen organisiert, mit In- und Ausländischen ArbeiterInnen und Jugendlichen. Die SLP hat Material in sieben verschiedenen Sprachen produziert das unseren internationalistischen Anspruch deutlich gemacht hat und sehr gut aufgenommen wurde. Die SLP erzielte rund 2200 Stimmen – weniger als bei den Nationalratswahlen 2002. Der Unterschied kommt v.a. daher, das dieses Mal die KPÖ wesentlich präsenter in den Medien war (was nicht das Ergebnis ihrer Arbeit war, sondern formale Gründe hatte) und das manche hofften, die KPÖ könnte den Einzug ins Parlament schaffen. Aber wenn man die Aktivität, die Klarheit des Programms und den sozialistischen Anspruch hernimmt, dann war die SLP erfolgreicher.

Was bringt die Zukunft

Die Koalitionsverhandlungen beginnen in diesen Tagen. Am wahrscheinlichsten ist eine große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP. Aber die ÖVP wird dafür einen extrem hohen Preis verlangen. Obwohl unwahrscheinlich kann eine ÖVP-FPÖ-BZÖ Koalition nicht vollständig ausgeschlossen werden. Möglich ist auch, dass die Regierungsbildung scheitert und Neuwahlen ausgerufen werden. Aber wie eine künftige Regierung auch aussehen wird, klar ist: die Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse, auf Gesundheit und Bildungswesen und auf MigrantInnen werden weitergehen. Rasch wird deutlich werden, das die „Fairness“, die SPÖ auf ihren Wahlplakaten gefordert hatte, keine relevanten Verbesserungen für die ArbeiterInnenklasse bringen wird.

Wichtig für die künftige Entwicklung wird sein, welche Rolle die Gewerkschaft spielt. Nach der finanziellen und politischen Krise des ÖGB in der ersten Jahreshälfte sind die jetzigen Reformschritte innerhalb des ÖGB bestenfalls halbherzig.

Aber die Stimmung in den Gewerkschaften ändert sich. Nur einem Tag nach der Wahl stimmten 65 Prozent der Delegieren der Wiener Regionalkonferenz des ÖGB für eine Resolution, die von einem Vertrauensmann und SLP-Mitglied, eingebracht wurde. In dieser Resolution wird gefordert, dass demokratische in der Gewerkschaft entschieden wird, alle Funktionäre jährlich gewählt und nicht mehr als einen Facharbeiterlohn verdienen sollen. In ihr heißt es weiter: "Kämpferischer Kurs statt Sozialpartnerschaft: Die Gewerkschaftspolitik muss sich an den Mitglieder- und nicht an Wirtschaftsinteressen orientieren.”

Die Forderungen der ÖGB-Führung an die neue Regierung sind sehr allgemein und es werden keine Schritte vorgeschlagen, um für diese zu kämpfen. Die Forderungen für die Lohnverhandlungen, die gerade starten sind noch zahmer, gefordert werden „Erhöhungen“ der Löhne, ohne auch nur zu sagen, dass diese Erhöhung über der Inflationsrate liegen soll. Andererseits gibt es Wut an der Gewerkschaftsbasis. Bei den Austrian Airlines, die eine traditionell sehr kämpferische Belegschaft hat, finden zZt. Betriebsversammlungen statt um über Kampfmaßnahmen zu diskutieren und abzustimmen da die Geschäftsführung 350 Jobs abbauen möchte. Die Angriffe der kommenden Regierung werden Reaktionen der ArbeiterInnen, Jugendlichen und Arbeitslosen zur Folge haben. Die Gewerkschaftsbürokratie hat ihre Autorität teilweise eingebüsst und daher ist ihr oft bremsender Griff auf die Mitglieder schwächer geworden. Kämpfe der ArbeiterInnenklasse werden daher künftig wahrscheinlicher – Kämpfe, die die Basis für die Entwicklung einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche legen kann, die auch bei den nächsten Nationalratswahlen antreten kann.