protestieren – demonstrieren – streiken

Die Große Koalition ist angeschlagen – ihre „Reformen“ können gekippt werden
 

Die Bundesregierung hat keine Mehrheit. Die Mehrheit der Wahlberechtigten hat bei der Bundestagswahl andere Parteien, gar nicht oder ungültig gewählt. Und denen, die Union oder SPD gewählt haben, gesteht Müntefering den Wahlbetrug ein: „Wir werden als Koalition von allen Seiten an dem gemessen, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist. Das ist unfair.“ Niemand hat am Tag der Wahl für drei Prozent Mehrwertsteuer-Erhöhung gestimmt.

von Georg Kümmel, Köln

Am 21. Oktober organisiert der DGB in fünf Städten Kundgebungen. Das ist ein wichtiger erster Schritt. Aber auch wenn die Regierung geschwächt ist – es wird nicht reichen, um Merkel, Müntefering und Unternehmer zu stoppen.

Erster Schritt: Demonstrieren, zweiter Schritt: Streiken

Welche Mittel gibt es, den Druck auf diese Unternehmer-Regierung zu erhöhen? Die kollektive Arbeitsniederlegung, der Streik, ist die stärkste Waffe. Der Streik trifft die Kapitalbesitzer an der einzigen Stelle, an der sie Gefühl haben: ihrem Geldbeutel. Eine Tarifauseinandersetzung, bei der die Gewerkschaftsseite am Beginn erklären würde: Egal, was die Arbeitgeber tun – wir streiken auf keinen Fall, wir demonstrieren höchstens und das bestimmt auch nur außerhalb der Arbeitszeit, solch eine Tarifrunde wäre schon verloren, bevor sie überhaupt begonnen hätte.

Ein allgemeiner Protest- und Streiktag müsste aber von den Gewerkschaften vorbereitet und durchgeführt werden. Deren Vorsitzende lehnen dieses Kampfmittel immer noch ausdrücklich ab. Darum gilt es, den Druck auf die Gewerkschaftsspitze massiv zu erhöhen.

Oskar Lafontaine fordert das Recht auf Generalstreik. Es wäre sicher vorteilhaft, wenn das ausdrücklich gesetzlich festgehalten würde. Aber wer auf sein Recht einfach wartet, bekommt es nie. Jedes Recht, vom Streikrecht bis zum Wahlrecht, ist von der Arbeiterbewegung erkämpft worden.

Immer wieder werden wir zu Verzicht genötigt, weil es heißt, dass einheitliche europäische Standards geschaffen werden müssten. Was ist mit einheitlichen europäischen Standards im Kampf gegen unsoziale Politik? In Griechenland, Spanien, Belgien, Italien, Frankreich gab und gibt es Generalstreiks.

Lafontaine und die Linke sollten nicht nur für das Recht auf Generalstreik eintreten, sondern für seine Anwendung hier und jetzt werben.

Wie weiter?

Nach dem 21. Oktober sollten überall Betriebsversammlungen und gewerkschaftliche Informationsveranstaltungen eingefordert werden, um die nächsten Kampfschritte zu diskutieren. Nötig wäre eine massive Aufklärungs- und Mobilisierungskampagne: Flugblattverteilungen, Plakatierungen und Veranstaltungen, um darzustellen, was die Regierung wann vor hat.

Gleichzeitig sollten die aktuellen Kämpfe – ob Tarifauseinandersetzungen, betriebliche Gegenwehr oder soziale Proteste – gestärkt und mit einander verbunden werden. So wäre in Berlin eine gemeinsame Demo der streikenden Charité- und Bosch-Siemens-Beschäftigten sowie die Einbeziehung von Vivantes-KollegInnen in Kampfmaßnahmen sinnvoll. Die Proteste von SchülerInnen und Studierenden gegen Bildungsabbau sollten aktiv unterstützt werden.

Das wären Schritte, um einen eintägigen Protest- und Streiktag vorzubereiten. Ein Streiktag, der zeitnah angesetzt werden müsste, um den Schwung nicht wieder zu verlieren und die nächsten Gesetzgebungen im Bundestag verhindern zu können.

Auf Sommer und Co. können wir nicht bauen. Darum sind Initiativen von unten nötig. Auf Vertrauensleutesitzungen, in Betrieben und Gewerkschaften sollten entsprechende Anträge eingebracht werden. Parallel dazu gilt es, vor Ort, regional und bundesweit alle vorhandenen Vernetzungen auszubauen. Örtliche und regionale Protest- und Streiktage könnten ein Schritt nach vorn sein. Die Gewerkschaftslinke sollte Treffen nach dem 21. Oktober ansetzen, einen überregionalen betrieblichen Aktionstag einfordern und festlegen.

Jetzt muss alles getan werden, damit mehr Dampf in den Kessel kommt und den Herren und Damen auf den Regierungsbänken und in den Chefetagen kräftig eingeheizt werden kann.