Gemeinsamer Antritt für Wohnungsprivatisierungen, Stellenabbau und steigende Mieten?  

Gegen Privatisierungen, Arbeitsplatzvernichtung und Sozialabbau – so solle sich die Berliner Linke positionieren, meint Lafontaine – und meinen die Delegierten des Berliner WASG-Landesparteitags. Warum dabei unterschiedliche Ergebnisse herauskommen, Lafontaine gegen und die Berliner WASGler für einen eigenständigen Wahlantritt der WASG sind? Lafontaine ignoriert die real existierende Politik der L.PDS. Aktuellstes Beispiel: Die Senatsklausur zur Wohnungsprivatisierung. 
 

von Stephan Kimmerle, Berliner WASG- und SAV-Mitglied

Die Berliner Linke muss den Blick nach vorne richten und bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus mit einem Programm antreten, das weiterer Privatisierung, zusätzlichem Personalabbau und dem Kürzen von Mitteln, die sozial Schwächeren zugute kommen, eine klare Absage erteilt.“ Das schreibt Oskar Lafontaine, Fraktionschef der Linken im Bundestag, an die Berliner WASG-Mitglieder am 26. Februar. Damit möchte er für einen gemeinsamen Wahlantritt von WASG und L.PDS in Berlin werben und nochmals zum Beginn der Urabstimmung der Berliner WASG Partei ergreifen.

In zwei Sätzen macht die Berliner Zeitung (28. Februar) dieser Logik einen Strich durch die Rechnung: „Die Mieter in den rund 275 000 landeseigenen Wohnungen müssen sich auf weiter steigende Mieten und auf Verkäufe von Wohnungen einstellen, die Beschäftigten der Gesellschaften erwartet ein weiterer Stellenabbau. Durch diese Maßnahmen wollen die landeseigenen Unternehmen ihre Einnahmen erhöhen und ihre Ausgaben senken, wie aus einem vertraulichen Bericht zur Zukunft der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften hervorgeht, der bei der gestrigen Senatsklausur beraten wurde und der Berliner Zeitung vorliegt.“ Das Ergebnis der Berliner Regierungsbeteiligung auch an diesem Punkt:

– Privatisierungen: „Allein die WBM muss sich, wie berichtet, von bis zu 15 700 Wohnungen trennen, um ihre Pleite abzuwenden. Die Stadt und Land plant darüber hinaus den Verkauf von rund 1 900 Wohnungen in der Neuköllner High-Deck-Siedlung sowie von rund 900 Wohnungen in Hellersdorf. Die Gesobau möchte sich von rund 2 400 Wohnungen im Märkischen Viertel trennen.“ (Berliner Zeitung, 28. Februar)

– Stellenabbau: Die Zahl ihrer Mitarbeiter wollen die sechs Konzerne von 3 342 im Jahr 2005 auf 2 804 im Jahr 2010 reduzieren. Besonders viele Stellen sollen dabei von der finanziell angeschlagenen Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) gestrichen werden. Von 584 Stellen sollen lediglich 258 übrig bleiben.(Berliner Zeitung, 28. Februar)

– Sozialabbau:So will die Wohnungsbaugesellschaft Degewo ihre Kaltmiete von durchschnittlich 4,57 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr 2005 auf 5,01 Euro im Jahr 2010 anheben. Die Wohnungsbaugesellschaft Hohenschönhausen plant im gleichen Zeitraum Erhöhungen von 4,79 Euro auf 4,96 Euro, bei der Gewobag sollen die Kaltmieten von 4,40 auf 4,86 Euro anziehen. Die Stadt und Land will die Mieten von 4,42 Euro auf 4,78 Euro steigern, die Wohnungsbaugesellschaft Mitte von 4,50 auf 4,77 Euro raufsetzen. Am niedrigsten sollen die Durchschnittsmieten bei der Gesobau bleiben, die das Preisniveau von 3,99 auf 4,34 Euro steigern will.(Berliner Zeitung, 28. Februar)

Dies – wie bemerkt – bezieht sich nur auf die Wohnungs-Politik des Senats. Und zwar im von Lafontaine geforderten Blick nach vorn: Die unter „Rot-Rot“ privatisierten über 100.000 Wohnungen werden nicht aufgeführt. Der Stellenabbau bei der Charite (unmittelbar 2.000 Stellen), bei Vivantes (3.000 Stellen), weitere Tausende Stellen bei der BVG – all das sind Vereinbarungen die bei der Fortsetzung der bisherigen Senatspolitik greifen. (Leider wurde in diesen Größenordnungen auch in den letzten vier Jahren gekürzt. Aber diese Zahlen beziehen sich auf die Zukunft.)

Da mutet es schon merkwürdig an, wenn Lafontaine den Berlinern ins Stammbuch schreiben möchte: „Ein getrennter Antritt von WASG und Linkspartei macht die Privatisierung der BVG, der BSR und der großen Krankenhäuser Berlins, die die Linkspartei bisher verhindert hat, wahrscheinlicher.

Unter dem SPD-PDS-Senat wurden die BVG-Bus- und StraßenbahnfahrerInnen mit der Drohung der Privatisierung erpresst und zu einem Lohnverzicht von acht bis zwölf Prozent gezwungen, für Neueingestellte noch weit schlechter. Ein Tochterunternehmen der BVG, die Berlin Transport (BT), legt aktuell nach. Warum braucht ein städtischen Unternehmen noch eine 100%-Tochter, bei der die tariflichen und betrieblichen Regelungen – selbst die abgesenkten – nicht gelten sollen?

Eine ähnliche Absenkung der Löhne und Gehälter wurde bei Vivantes vollzogen und soll sich – nach dem Willen des Senats – bei der Charite wiederholen. Aktuell wurde das „Facility Mangement“ – weitgehend der Arbeiterbereich – der Charite privatisiert. Bei Vivantes wird vom Senat „die Braut geschmückt“, so SPD-Finanzsenator Sarrazin. Mit Umstrukturierungen zur GmbH (vor dem SPD-PDS-Senat, aber von ihm nicht aufgehoben) und aktuell zum Beispiel der Bildung eines Zentral-Labor wird eine Privatisierung nicht verhindert sondern vorbereitet.

Bleibt, dass es unter einem anderen Senat, beispielsweise einer CDU-SPD-Koalition noch schlimmer, noch schneller mit Privatisierungen, noch härter im Sozialabbau hätte kommen können. Das „Kleinere-Übel-Argument“.

Doch das zählt nur, wenn man prinzipiell davon ausgeht, dass die L.PDS für den Widerstand gegen Ausverkauf und Kahlschlag verloren ist. Sonst könnte mit einer L.PDS in der Opposition und nun einer Neuformierung der Linken mit linken Inhalten eine linke Kraft entstehen, die in der Lage ist, zusammen mit betrieblichen und gewerkschaftliche AktivistInnen sowie sozialen Bewegungen zu mobilisieren und zu kämpfen: Dann müssen SPD, CDU, FDP und Co erst einmal sehen, wie sie an unserem Widerstand vorbei kommen. Eine glaubwürdige Linke statt einem ausführenden Regierungsorgan wechselnder neoliberaler Bundesregierungen – das würde Einfluss nehmen auf die Kräfteverhältnisse – in Berlin und darüber hinaus.

In diesem Sinne führt die von Lafontaine eingeforderte linke Positionierung bei der Berliner WASG-Mehrheit – so der am Wochenende beschlossene Leitantrag – dazu, „unsere gemeinsamen Positionen gegen Sozialab­bau, Privatisierung und Tarifflucht auch bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen [zu] vertreten“. Ein eigenständiger Antritt ist konsequent.