Es geht schlicht um Kostenreduzierung

Im Tschernitzer Samsung-Werk setzt die Unternehmensleitung den Betriebsrat unter Druck Verschlechterungen zuzustimmen
 
Interview mit Ralf Lorenz (Betriebsratsvorsitzender des Samsung-Werks im Brandenburgischen Tschernitz/Personenangabe nur zur Kenntlichmachung der Person)

Wie groß ist das Unternehmen Samsung Tschernitz? Was wird dort hergestellt?
Im Unternehmen arbeiten zirka 400 Mitarbeiter. Bei Dienstleistungsfirmen, ehemals Teile des Unternehmens, die im Zuge von Ausgliederungen an andere Unternehmen gingen, nochmals zirka 300 Mitarbeiter. Hergestellt werden die Glasteile für herkömmliche Bildröhren (Braunsche Röhre).

Noch vor der Jahreswende wurde bei ihnen eine Reihe von Kündigungen ausgesprochen. Welche Bereiche wurden davon betroffen?
Seit August 2005 bis 31.12.2005 wurden insgesamt 20 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Die betroffenen Bereiche sind: verschiedene Teilbereiche der Produktion, Labor, Qualitätsüberwachung und Instandhaltung.

Halten sie die Begründung der Unternehmensleitung für stichhaltig?
Nein, die Begründungen sind nicht stichhaltig. Es geht schlicht um Kostenreduzierung. Die Wegnahme von Mitarbeitern erfolgt nicht aufgrund einer Analyse, sonder nach dem Motto: Da sind genug Mitarbeiter, wenn einer weniger da ist, wird die Organisation im Bereich sich von selbst so ändern, dass es weiter geht.

Wie waren die Reaktionen der Belegschaft auf die Kündigungen?

Die Belegschaft ist nicht mehr bereit, sich durch einen Haustarifvertrag, unterhalb des Tarifvertrages, an Kostensenkungen zu beteiligen. Die Verweigerung der KollegInnen bleibt momentan noch passiv: Sie machen Dienst nach Vorschrift und reduzieren das eigene Engagement im Betrieb.

Wie verhalten sie sich als Betriebsrat?
Wir beraten die betroffenen Mitarbeiter und analysieren die Situation im Bereich, der von den Kündigungen betroffen ist. Zudem versuchen wir durch die Stellungnahme des Betriebsrates die Möglichkeiten der betroffenen KollegInnen in einem Kündigungsschutzprozess zu verbessern

Zudem will die Unternehmensleitung von Samsung Tschernitz einen Standortsicherungsvertrag mit dem Betriebsrat aushandeln. Dieser bedeutet zahlreiche Verschlechterungen für die Belegschaft. Was genau fordert die Unternehmensleitung?
Für eine Tariferhöhung von 0,5 % gegenüber dem jetzigen Niveau, rückwirkend zum 1.Oktober 2005 sollten 4 Tage Urlaub geopfert werden. Mit weiteren 0,5 % Tariferhöhung zum 1.Januar 2006 sollte die Einführung einer Regelung erkauft werden, die festgelegt hätte, dass die Mitarbeiter mit 105 Minusstunden (Angestellte 130 Minusstunden) ins neue Jahr starten. Diese hätten dann in Zusatzschichten für Umbauten oder Ähnlichem im Verlaufe eines Jahres ausgeglichen werden sollen. Im Endeffekt wäre diese Regelung nichts Anderes als die Einführung der 40-Stundenwoche.
Außerdem forderte die Unternehmensleitung für das im Tarifvertrag zugesicherte Wirksamwerden der „Jahressprünge“ (Gehaltssprünge innerhalb einer Entgeltgruppe nach mehrjähriger Ausführung einer Arbeit, die im Entgelttarifvertrag geregelt sind) und einer weiteren Tariferhöhung um 0,5% zum 1.Juli 2006, dass die Schichtarbeiter die "hohen Feiertage" opfern sollten.
Die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sollte an die Erfüllung eines vom Headquarter vorgegebenen Betriebsergebnisses gebunden werden. Dies hätte faktisch die Abschaffung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld bedeutet, da auch für die nächsten Jahre mit einem negativen Ergebnis gerechnet werden muss.

Wird die Unternehmensleitung Druck machen, um den Standortsicherungsvertrag durchsetzen zu können? Welcher Art wird dieser Druck sein?
Die Verhandlungen und Gespräche wurden inzwischen abgebrochen. Woraufhin die Unternehmensleitung nun Druck macht. Unter immer neuen Begründungen gibt es tägliche Gespräche mit der Betriebsratsleitung. Der Betriebsrat wird als Schuldiger für das Scheitern der Gespräche, das Aussprechen der Kündigungen und einer möglichen Schließung des Werkes dargestellt. Dies verbreitet die Unternehmensleitung nicht nur im betriebseigenen Intranet, sondern auch in vom Management durchgeführten Bereichsversammlungen. Das Ziel der Unternehmensleitung ist es Betriebsrat und Belegschaft zu spalten. Zudem werden auch einzelne Betriebsratsmitglieder angegriffen.

Wie gehen sie als Betriebsrat mit diesen Angriffen um?

Wir informieren die Belegschaft. Auf regelmäßigen, in kurzen Abständen stattfindenden Betriebsratssitzungen, findet Meinungsaustausch und die Abstimmung einer einheitlichen Vorgehensweise statt. Wir unterbinden so jegliche Einzelaktion von Betriebsratsmitgliedern.

Wie ist das Verhalten der Gewerkschaft?
Unser Vorgehen wird mit der Gewerkschaft abgestimmt, so nehmen an großen Veranstaltungen (Betriebsversammlungen) Gewerkschaftsvertreter teil.

Samsung ist zuletzt durch die Schließung des Werkes in Berlin dafür bekannt geworden, seine Profite auf dem Rücken der Beschäftigten zu sanieren. Steckt hinter dem Vorgehen in Berlin und bei Ihnen in Tschernitz ein Gesamtkonzept der Unternehmensleitung?
Wir vermuten es. Nicht zuletzt der Personalabbau soll die Gewinne des Unternehmens wieder sichern, was auch offizieller Sprachgebrauch der Unternehmensleitung ist. Die Kosten für den Personalabbau, z.B. Abfindungen, sollen die verbleibenden Mitarbeiter aufbringen.
Wird das Werk in ein oder zwei Jahren, aufgrund der immer weiter
nachlassenden Nachfrage nach den gefertigten Produkten, geschlossen, werden die dann zu schaffenden Sozialpläne billiger sein, da weniger Personal betroffen sein wird und die bis dahin gezahlten Entgelte als Berechnungsgrundlage geringer sein werden.

Das Interview führte Steve Kühne, Dresden