Von oben nach unten?

Neuformierungsprozess, WASG und Linkspartei/PDS


 

Der Bundesvorstand der Linkspartei/PDS legt ihrem Bundesparteitag am 10. und 11. Dezember in Dresden einen Antrag für ein Kooperationsabkommen III mit der WASG vor. Den selben Antrag stellt der WASG-Bundesvorstand beim WASG-Länderrat am 3 und 4. Dezember ebenfalls zur Abstimmung.

von Lucy Redler, Berlin

In dem Papier ist nicht mehr die Rede davon, möglichst viele AktivistInnen von sozialen Bewegungen und aus dem gewerkschaftlichen und betrieblichen Spektrum mit einzubeziehen. Der Prozess wird auf den Zusammenschluss von Linkspartei/PDS und WASG verengt.

„Top-down“

In Punkt 4 des Abkommens ist davon die Rede, dass die Mitglieder beider Parteien in die Diskussionen mit einbezogen werden sollen. In Punkt 5 wird jedoch deutlich, dass diese breit angelegten Diskussionen lediglich fürs Schaufenster veranstaltet werden. Während sich die Mitgliedschaft in öffentlichen Diskussionsforen so richtig austoben darf, bereiten Steuerungsgruppen zu Programm, politischer Strategie, Satzung, Finanzen und internationalen Parteibeziehungen die Entscheidungen der Bundesvorstände der Parteien vor. Diese Steuerungsgruppen unterliegen weder der Kontrolle der Basis der WASG- noch der Linkspartei/PDS-Mitgliedschaft. Stattdessen soll ein Beirat aus VertreterInnen aus Wissenschaft, Kunst und Kultur den Parteibildungsprozess beratend begleiten. In Punkt 7 des Abkommens wird darüber hinaus festgehalten, dass die Vorstände von Linkspartei und WASG auf Länder- und Kreisebene auf der Grundlage des Abkommens agieren sollen.
Aber Halt! Am Ende sollen die Parteitage und die Mitgliedschaft in einer Urabstimmung über den Parteibildungsprozess entscheiden. Doch über was entscheidet der Parteitag der WASG Anfang März? Über die Ergebnisse von Steuerungsgruppen, die bereits medial transportiert wurden. Über einen Prozess, der bereits ins Laufen gekommen ist. Über die Auswirkungen eines Kooperationsabkommens, das die Linkspartei/PDS bereits im Dezember beschlossen hat…

Inhaltliche Fragen ausgeblendet

Das Kooperationsabkommen bezieht sich positiv auf das „Potsdamer Dreieck“. Im „Potsdamer Dreieck“, benannt nach dem Potsdamer Parteitag 2003, bilden soziale Proteste, Regierungsbeteiligung und Antikapitalismus eine strategische Einheit. Im Kooperationsabkommen ist die Zielsetzung ähnlich.
Die Auswirkungen dieser widersprüchlichen Ziele kennen wir zur Genüge: Von Montag bis Freitag werden in den Landesregierungen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern von der Linkspartei/PDS Sozialkürzungen mitgetragen, am Samstag nimmt sie an Demos teil und am Sonntag geißelt sie den Kapitalismus.
Die WASG hat bisher eine Position zur Frage der Regierungsbeteiligung auf Bundesebene. Diese lautet: „An einer Regierung im Bund werden wir uns nur dann beteiligen, wenn dies zu einem grundlegenden Politikwechsel führt. Wir werden uns nicht an einer Regierung beteiligen oder sie tolerieren, die Sozialabbau betreibt.“
Wie sich die WASG auf Landes- und kommunaler Ebene positioniert, wurde bisher im Rahmen der Bundespartei noch nicht ausführlich diskutiert. In NRW hat sich die WASG im Landtagswahlkampf jedoch klar positioniert: „Die Regierungsbeteiligung der PDS und der Grünen sind uns ein mahnendes Beispiel für den Verlust von Glaubwürdigkeit. Wir werden keine Regierung tolerieren, die Sozialabbau betreibt.“ (aus: Langfassung des Wahlprogramms der WASG NRW zur Landtagswahl am 22. Mai 2005)  
In Punkt 6 wird konkurrierenden Kandidaturen eine Absage erteilt. „ Die Parteivorstände werden dies mit allem Nachdruck vertreten.“ Damit soll eine wichtige Debatte beendet werden, bevor sie begonnen hat. Bei dieser Positionierung haben die AutorInnen zuallererst Berlin im Blick. Dort soll unter allen Umständen eine eigenständige Kandidatur der WASG verhindert werden.

Berlin – ein Sonderfall?

Den Berliner Mitgliedern wird manchmal vorgeworfen, dass sie eine „Berliner Brille“ tragen und die Berlin-Frage über den bundesweiten Neuformierungsprozess stellen. Das ist falsch.
Die meisten Berliner WASG-Mitglieder lehnen nicht den bundesweiten Prozess der Neuformierung der Linken ab. Aber sie fragen: Unter welchen inhaltlichen Voraussetzungen soll der Prozess stattfinden? Was ist links?
Diese Fragen sind nicht nur für Berlin, sondern bundesweit entscheidend. Verschiedene Diskussionspapiere aus der Linkspartei/PDS (Breitenbach/Schubert oder Hoff/Kahrs/Woop) und Äußerungen von Gregor Gysi und Oskar Lafontaine deuten darauf hin, dass Teile der Linkspartei/PDS anstreben, 2009 der Bundesregierung anzugehören. Dafür sollen in den Ländern die Weichen gestellt werden.
Das entscheidende ist, dass eine Partei aufgebaut wird, die konsequent Widerstand gegen Hartz IV, Mehrwertsteuer und den Abbau von Arbeitnehmerrechten organisiert.

Lucy Redler ist Mitglied im WASG-Länderrat und im geschäftsführenden Landesvorstand der WASG Berlin, sowie Mitglied in der Bundesleitung der SAV