„Alternative“ Metaller gewinnen an Einfluss

Oppositionelle Gruppe bei DaimlerChrysler bietet Betriebsratsfürsten die Stirn
 
In der IG-Metall-Region Stuttgart haben in den vergangenen Wochen drei Themen die gewerkschaftlichen Debatten bestimmt. Die Vernichtung von 8.500 Stellen bei DaimlerChrysler, die Ankündigung der Unternehmer im Südwesten, die Steinkühler-Pause abzuschaffen und die beharrliche Arbeit der Gruppe um die alternative (Betriebsblatt), die in der IG Metall im Werk Untertürkheim für kämpferische und demokratische Gewerkschaftsarbeit einsteht.
Kaum ein Wort der Kritik von der offiziellen IG Metall über den angekündigten Stellenabbau bei DaimlerChrysler. Nur Lob über die im Sommer 2004 abgeschlossene Vereinbarung „Zukunftssicherung 2012“, die zum Glück die Arbeitsplätze bis 2012 sichere und niemand betriebsbedingt kündigen würde. Der Aufsichtsrat hat 950 Millionen für das Abfindungsprogramm bewilligt.

Arbeitszeitverkürzung – bei vollem Lohnausgleich

Die alternative hat es glänzend vorgerechnet: Eine Arbeitszeitverkürzung um zwei Stunden bei den 151.500 Beschäftigten von DaimlerChrysler bundesweit entspricht rechnerisch den 8.500 Arbeitsplätzen, die abgebaut werden sollen. Und was würde es kosten, das ohne Lohnkürzung durchzuführen? Ziemlich genau die oben erwähnten 950 Millionen Euro. Mit der Rechenmaschine: 8.500 x 35 Wochenstunden x 52 Wochen ergibt circa 15,5 Millionen Stunden. Berechnen wir ein Durchschnittsentgelt von 30 Euro, würden die 950 Millionen Euro reichen, um über einen Zeitraum von zwei Jahren bei einer Arbeitszeitverkürzung aller Beschäftigten um zwei Stunden vollen Lohnausgleich zu zahlen. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich in Höhe der 950 Millionen Euro und ein Stopp aller Fremdvergaben sind Hauptforderungen der alternative.

Eine Pause für menschlicheres Arbeiten

Die Steinkühler-Pause (die es seit 1973 gibt, seit dem Streik unter dem damaligen Bezirksleiter Franz Steinkühler) spielte schon im Sommer 2004 eine Rolle, als bei DaimlerChrysler gegen Einsparungen von 500 Millionen Euro die so genannte „Zukunftssicherung 2012“ abgeschlossen wurde. Mercedes-Chef Hubbert nahm damals die Steinkühler-Pause ins Visier, als er die Erholzeiten eine „baden-württembergische Krankheit“ nannte.
Diese Acht-Minuten-Pause pro Stunde für BandarbeiterInnen hat die IG Metall nicht überall durchgesetzt. Sie ist in einzelnen Betrieben und einzelnen Tarifgebieten vertraglich festgehalten. Im A-Klasse-Werk von DaimlerChrysler in Rastatt gilt sie. Einige Kilometer weiter über den Rhein, im LKW-Werk von DaimlerChrysler in Wörth gibt es sie nicht. Bei hartem Montagetempo wird so der Gang aufs Klo oder der Schluck aus der Wasserflasche häufig bis zur regulären Frühstücks- oder Mittagspause verkniffen. Und das sind nichts anderes als unmenschliche Arbeitsbedingungen.
Die IG Metall muss diese Pause für alle erkämpfen, nicht Isolierung und Vereinzelung von Belegschaften zulassen. Sie sollte aktuelle Konflikte wie Phillips oder AEG miteinbeziehen. Der Verband Südwestmetall hat die Steinkühler-Pause für die kommende Tarifrunde Anfang 2006 ins Visier genommen. Bleibt es dabei, wird es so kommen, wie die Stuttgarter Zeitung vom 6. Oktober kommentiert: „Das gibt Ärger“.

Für eine kämpferische IG Metall

Die oben erwähnten Zitate aus der alternative sind aus der Ausgabe Nr. 9 vom Oktober 2005. Die vielen KollegInnen, Vertrauensleute und insbesondere jene vier IGM-Betriebsräte, die die alternative unterstützen, wurden aus den jetzt stattfindenden Urwahlen zur Aufstellung der IGM-Liste für die kommenden Betriebsratswahlen ausgeschlossen. Dazu nehmen sie selber in der alternative Nr. 9 Stellung: „Wir treten auch weiter als Betriebsräte an für die Interessen der KollegInnen. Wenn die Machthaber in der IGM bei DC uns nicht auf der Liste der IGM kandidieren lassen – dann eben mit einer eigenen Liste, wenn es denn nicht anders geht!“
Seit dem großen Konflikt bei DaimlerChrysler um das Sparpaket bringt die Gruppe ihre Meinung in eigenen Stellungnahmen zum Ausdruck. Sie kritisiert die Tücken der Vereinbarung „Zukunftssicherung 2012“, dessen Beschäftigungssicherung bis 2012 ein löchriger Käse ist, was die 8.500 Stellenstreichungen zeigen. Sie kritisiert die massiven Verschlechterungen für die Dienstleister-KollegInnen (siehe Interview in unserer letzten Ausgabe). Die „Alternativen“ gewinnen also mit ihren ungeschminkten Informationen an der Basis immer mehr Einfluss. Sie kritisieren, dass die Betriebsratsspitze sich den Unternehmensinteressen unterwirft, „Co-Managment“ betreibt, ihr eigenes Betriebsblatt, den Scheibenwischer, für kritische Meinungen sperrt und versucht, Kritiker mundtot zu machen. Bundesweit gilt es, diesen kämpferischen KollegInnen den Rücken zu stärken und sie vorbehaltlos zu unterstützen.

von Pablo Alderete, Stuttgart