Krieg nach innen und außen

Bushs zweite Amtszeit
 
„Ich beglückwünsche das irakische Volk dazu, dass es den terroristischen Bedrohungen getrotzt und sein Land auf den Pfad der Demokratie und Freiheit gebracht hat“, erklärte Bush nach der Wahl im Irak. Die USA und ihre Verbündeten könnten stolz sein auf die Rolle, die sie gespielt hätten, „um diesen großartigen Tag möglich zu machen“. Doch nur wenig später wurde klar, dass die „Irakische Liste“ des von den USA unterstützten amtierenden Ministerpräsidenten Ajad Allawi bloß 13,6 Prozent bekommen hatte.
Als Sieger aus der Parlamentswahl vom 30. Januar ging die von Großayatollah Ali al-Sistani unterstützte schiitische Liste hervor. Die Vereinigte Irakische Allianz erhielt 47,6 Prozent der Stimmen und stellt künftig voraussichtlich 140 der 275 Abgeordneten in der Nationalversammlung, die eine Verfassung für das Land erarbeiten soll. Damit wird die über Jahrzehnte unterdrückte schiitische Bevölkerungsmehrheit zur stärksten politischen Kraft. Auf Platz zwei kam die Kurdische Allianz mit 26 Prozent.

Bürgerkrieg im Irak?

Die Bush-Administration hatte immer gesagt, dass nach erfolgreichen Wahlen Ruhe im Irak einkehren würde. Doch schon am Wahltag selber kam es zu 260 Anschlägen – mehr als an jedem anderen Tag zuvor. Auch die Propaganda von der hohen Wahlbeteiligung hat sich schnell entlarvt. So sind gerade mal 58 Prozent wählen gegangen. Vor allem in den sunnitischen Gebieten wurde die Wahl weitgehend boykottiert (in der Provinz Anbar, zu der Falludscha und Ramadi gehören, beteiligten sich nur zwei Prozent!). Inzwischen gibt es schätzungs-weise 200.000 aktiv an den Aufständen Beteiligte. Das sind mehr als alle imperialistischen Besatzungstruppen zusammen.
Die Aussage Washingtons, dass der Irak Ausgangspunkt für eine Demokratisierung des gesamten Nahen Ostens werden würde, hat sich als falsch erwiesen. Im Gegenteil: Im Irak droht jetzt sogar ein Bürgerkrieg. Die sunnitische Minderheit fühlt sich benachteiligt (die Anschläge auf Schiiten häufen sich bereits), die KurdInnen setzen auf weitreichende Autonomie und spekulieren auf das an Kurdistan grenzende und nahe an den nördlichen Ölfeldern gelegene Kirkuk, was unweigerlich die Türkei auf den Plan rufen würde.
Die große Mehrheit der IrakerInnen wünscht sich nichts sehnlicher als den US-Truppenabzug (bis auf Allawi forderten das auch alle Kandidaten). Aufgrund der Schwäche der organisierten Arbeiterbewegung besteht jedoch die reale Gefahr eines Bürgerkriegs beziehungsweise einer „Balkanisierung“, eines Aufbrechens des Landes entlang ethnischer und religiöser Linien.

Aufrüstung der USA

Auch in den USA selber verschärft sich die Situation. Irak und Afghanistan belasten den US-Haushalt dieses Jahr mit mindestens 82 Milliarden Dollar. Das Weiße Haus rechnet mit einem Haushaltsloch von 430 Milliarden Dollar.
Hinzu kommt ein Defizit im US-Außenhandel von ebenfalls über 500 Milliarden Dollar im laufenden Fiskaljahr. Mit anderen Worten: Die USA finanzieren ihre Importe und ihre staatlichen Leistungen nicht aus eigener Wirtschaftskraft.
Um das Haushaltsdefizit zu bewältigen, gibt es massive Kürzungen: von Subventionen für die US-Landwirte über Umweltprojekte bis hin zu staatlichen Alphabetisierungsprogrammen. Ein Drittel aller Ausgabenkürzungen ist beim Bildungsbereich vorgesehen. Um 60 Milliarden Dollar sollen auch die Ausgaben bei Medicare in den nächsten zehn Jahren gesenkt werden – der staatlichen Bezuschussung von Gesundheitskosten für sozial Schwache. Dem Lebensmittelmarken-Programm für arme Familien soll eine Milliarde gestrichen werden.
Gleichzeitig sieht der vorgelegte Haushalt der US-Regierung eine beträchtliche Steigerung der Militärausgaben von 393,5 auf 420 Milliarden Dollar vor. Schon bisher gaben die USA mehr für die Rüstung aus als die nächsten zehn in der Statistik folgenden Staaten zusammen. Unter anderem sind 9,14 Milliarden Dollar – 13 Prozent mehr als in diesem Jahr – für das Raketenabwehrsystem im All vorgesehen. Hinzu kommen Großaufträge für die Rüstungskonzerne Lockheed Martin und Northrop Grumman, die zu den wichtigsten Wahlkampfspendern von Präsident Bush gehören.

Flucht nach vorn?

Die Bush-Regierung, die von Neokonservativen umgeben und ideologisch durch die christlich-fundamentalistische Rechte gestützt wird, leitete eine neue Ära des US-Imperialismus und des Unilateralismus ein. Die außerordentliche Militärmacht der USA wurde im „erstem Krieg“ gegen den Irak zur Schau gestellt. Im „zweiten Krieg“ gegen den Aufstand gegen die Besatzung zeigen sich die Grenzen dieser militärischen Macht.
Vor diesem Hintergrund ist Bushs Drohungen gegen den Iran in erster Linie Säbelrasseln. Um sein Gesicht zu wahren, muss Bush der Welt trotz aller Widrigkeiten im Irak einen möglichen Angriff auf den Iran vorgaukeln. Mehr als gezielte militärische Schläge wie zum Beispiel 1986 gegen Libyen sind zur Zeit aber nicht zu erwarten.
Mittlerweile lehnt auch eine Mehrheit in den USA Bushs Irak-Politik ab. Sein „Krieg“ in den USA wird dazu führen, dass in Bushs neuer Amtszeit die Proteste gegen Aufrüstung und Krieg mit den Protesten gegen Lohnraub und Verarmung zusammen kommen werden.

von Holger Dröge, Mitglied der Bundesleitung der SAV