Zeit zu handeln

Die Auseinandersetzung um die Arbeitszeit
 
Angeblich schaffen die Hartz-Gesetze Arbeit. Und manchmal geht auch ein Kamel durch ein Nadel?hr… Nachdem das Hartz-Konzept vor zwei Jahren verk?ndet wurde, sind an jedem einzelnen Tag 460 Arbeitslose neu hinzugekommen und 1.547 sozialversicherungspflichtige Jobs verlorengegangen. Die Personal-Service-Agenturen haben an Stelle der versprochenen 350.000 neuen Stellen im Jahr durch staatlich gef?rderte Zeitarbeit seither offiziell nur 15.622 Arbeitspl?tze gebracht. Auch mit Hilfe der Ich-AG sind statt einer halben Million j?hrlich gerade 150.000 Existenzgr?nder gef?rdert worden ? von denen sich die meisten f?rchterlich verschulden werden.

von Daniel Behruzi, Berlin

Mit Hartz IV werden zwar neue Jobs dazukommen, aber bei staatlich verordneter Zwangsarbeit kann von existenzsichernden Arbeitspl?tzen keine Rede sein.
Um die Massenarbeitslosigkeit zu ?berwinden, w?re eine, m?glichst international, koordinierte Kampagne aller Gewerkschaften zur radikalen Verk?rzung der w?chentlichen, t?glichen und Lebensarbeitszeit n?tig. Die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich m?sste die zentrale Forderung einer solchen, aus massenhafter Aufkl?rung und Mobilisierung bestehenden Kampagne sein. Leider sind wir davon heute weit entfernt. Im ?ffentlichen Dienst, auf dem Bau, in der Metallindustrie und in unz?hligen weiteren Branchen und Betrieben versuchen die Arbeitgeber, Arbeitszeitverl?ngerungen durchzusetzen. Die Gewerkschaftsspitzen setzen dem nichts entgegen, sondern lassen sich mit der Verlagerungsdrohung erpressen und akzeptieren Lohnk?rzungen und Arbeitszeitverl?ngerungen ohne ernsthaft K?mpfe zu organisieren ? wie zuletzt bei Siemens und DaimlerChrysler.

Nein zu Arbeitzeitverl?ngerung! – Argumente gegen die Unternehmerpropaganda

?Die Ausweitung der Arbeitszeiten schafft Arbeitspl?tze!?
?Um die 1.000 Fahrzeuge herzustellen, die die Firma B?nz jede Woche verkaufen kann, muss sie 80 ArbeiterInnen mit einer w?chentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden besch?ftigen. Wieviele ArbeiterInnen werden nicht mehr ben?tigt, wenn die Arbeitszeit 40 Wochenstunden betr?gt?? Ganz einfach: zehn Besch?ftigte w?rden ihren Job verlieren. Doch Politiker und ?Experten? wollen uns t?glich einreden, solch einfache Mathematik sei in der globalisierten ?konomie au?er Kraft gesetzt.
Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache. Im ?ffentlichen Dienst Baden-W?rttembergs sollen mit der Einf?hrung der 41-Stunden-Woche 17.000 bis 20.000 Arbeitspl?tze gestrichen werden.
In der Privatwirtschaft sieht es nicht anders aus: Verschafft sich ein Unternehmen durch Arbeitszeitverl?ngerung einen Kostenvorteil gegen?ber den Mitbewerbern, werden bei diesen Arbeitspl?tze vernichtet. Kann das Unternehmen seinen Absatz nicht entsprechend ausweiten, werden bei diesem selbst Arbeitskr?fte ?freigesetzt?. Gesamtwirtschaftlich k?nnen l?ngere Arbeitszeiten ohnehin nur zu wachsender Erwerbslosigkeit f?hren. Einer Studie der Citigroup zufolge w?rde eine Verl?ngerung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 37,8 auf 40,4 Stunden bei gleichem Lohn in den folgenden Jahren fast 800.000 Jobs vernichten.
Im Kapitalismus wird nur die Arbeit ?gebraucht?, deren Produkt mit Profit verkauft werden kann ? unabh?ngig davon, welche Arbeit zur Befriedigung der Bed?rfnisse tats?chlich notwendig ist. Je ungleicher die ?ben?tigte? Arbeit auf die vorhandenen Arbeitskr?fte verteilt ist, desto mehr Menschen sind unter- oder gar nicht besch?ftigt. Hinzu kommt die permanente Steigerung der Produktivit?t ? durch den Einsatz von Maschinen, versch?rfte Arbeitshetze, und so weiter. Da die Produktivit?tssteigerung in der Regel deutlich ?ber dem Wirtschaftswachstum liegt, nimmt die Zahl der ?nicht ben?tigten? Arbeitskr?fte tendenziell st?ndig zu. Eine stetige Verk?rzung der Arbeitszeit w?re also allein schon n?tig, um die bestehende Besch?ftigung zu erhalten.

?Die deutsche Wirtschaft muss im internationalen Wettbewerb bestehen!?

Der Verweis auf die ?Wettbewerbsf?higkeit? ist das beliebteste Argument der Unternehmer, um den Besch?ftigten die ?Notwendigkeit? von Lohnverzicht und Arbeitszeitverl?ngerung vorzugaukeln. Mit den Tatsachen hat das indes wenig zu tun. Zehn Prozent der weltweit exportierten G?ter kamen 2003 aus Deutschland. Damit liegt die Bundesrepublik an erster Stelle ? noch vor den USA. Die Exporte lagen um 90 Milliarden Euro h?her als die Importe. Dieser Export?berschuss bedeutet rein rechnerisch, dass in Deutschland 700.000 Menschen auf Kosten der Besch?ftigung im Ausland in Lohn und Brot stehen.
ArbeiterInnen in Deutschland w?rden zu wenig f?r zu viel Geld arbeiten, hei?t es t?glich ? nicht nur in der ?Bild?. Im internationalen Wettbewerb entscheidend sind aber nicht die Nominall?hne, sondern die Lohnst?ckkosten, die den Anteil der Lohnkosten an den neu geschaffenen Werten wiedergeben. Und diese sind in Deutschland seit Mitte der neunziger Jahre um weniger als vier Prozent gestiegen, w?hrend sie in Frankreich um elf, in den USA um zw?lf und in Gro?britannien sowie den Niederlanden um 27 Prozent zulegten.
F?r die Besch?ftigten und ihre Gewerkschaften ist es grunds?tzlich sch?dlich, sich auf die Standortlogik ? die St?rkung des ?eigenen? Unternehmens in der marktwirtschaftlichen Konkurrenz ? einzulassen. Verschaffen sie ?ihrem? Unternehmen durch Lohnverzicht oder verl?ngerte Arbeitszeit einen Wettbewerbsvorteil, werden die Arbeitspl?tze der KollegInnen im anderen Werk / Land vernichtet. So wird eine Spirale nach unten in Gang gesetzt, bei der sich die Besch?ftigten verschiedener ?Standorte? bei L?hnen, Arbeitszeiten und Bedingungen gegenseitig unterbieten ? zum Schaden aller ArbeiterInnen und zur Freude der Bosse. Stattdessen gilt es, dieser Spaltung die konkrete Solidarit?t aller Besch?ftigten entgegenzusetzen. Die hiesigen Gewerkschaften k?nnten eine Menge daf?r tun, schlagkr?ftige Arbeiterorganisationen in Osteuropa, Asien und weltweit aufzubauen. Durch international koordinierte Streiks k?nnten Unternehmer und multinational agierende Konzerne zur weltweiten Einhaltung von Standards gezwungen werden.
Das ist nicht so utopisch, wie es scheint. So haben die HafenarbeiterInnen in den letzten Jahren immer wieder internationale Arbeitsniederlegungen organisiert und bestimmte Reeder boykottiert, um damit ihre KollegInnen in anderen H?fen, oder auch die Besatzungen der Schiffe zu unterst?tzen. Zuletzt protestierten brasilianische Daimler-ArbeiterInnen mit einer Kundgebung gegen den Lohnraub in den hiesigen Werken.

?Wenn ihr Lohnsenkung und Arbeitszeitverl?ngerung nicht akzeptiert, verlagern wir die Produktion ins Ausland!?
Der Versuch, die Belegschaften mit der Verlagerungsdrohung zu erpressen, ist bei den Unternehmern nicht nur hierzulande in Mode. Deutschen Schiffbauern wird die billige s?dostasiatische Konkurrenz vorgehalten, tschechischen VW- / Skoda-ArbeiterInnen droht man mit Produktionsverlagerung nach Mexiko, indonesischen Textilarbeiterinnen mit dem Umzug ins noch billigere China.
In vielen F?llen dienen diese Drohungen lediglich dazu, die Besch?ftigten einzusch?chtern. Nach Sch?tzungen gibt jeder dritte Betrieb den Auslandsstandort wieder auf, im IT-Bereich liegt diese ?Floprate? bei bis zu 50 Prozent. Zudem machen die Lohnkosten bei den kapitalintensiven (stark mechanisierten) Betrieben nur einen geringen Teil der Gesamtkosten aus.
Aber nicht immer ist die Verlagerung eine leere Drohung. Beson-ders in arbeitsintensiven Bereichen wie der Textilindustrie wird die Produktion schon seit den 70er Jahren in gro?em Ausma? in Billiglohnl?nder verlagert.
Der erste Schritt gegen die Verlagerungsdrohung ist der gemeinsame Kampf von Besch?ftigten unterschiedlicher Standorte f?r h?here L?hne und bessere Arbeitbedingungen. Gewerkschaften sind seit ihrer Gr?ndung daf?r da, die Konkurrenz zwischen ArbeiterInnen (das gegeneinander Ausspielen) aufzuheben. Gegen die Globalisierung der Unternehmer hilft nur der Internationalismus der Gewerkschaften. Die national bornierte Haltung deutscher Gewerkschaftsf?hrer, die bei der Sicherung ?ihres? Standortes mitmachen, schadet allen ArbeitnehmerInnen.
Der zweite Schritt ist, dass die Frage aufgeworfen werden muss, wer denn dar?ber entscheidet, was mit den von den Besch?ftigten erwirtschafteten Werten geschieht: Die Besch?ftigten sind es, die das Werk aufgebaut und die Produktion am laufen gehalten haben. Warum sollten sie ruhig zusehen, wie ihre Lebensgrundlage zerst?rt wird, damit der Kapitaleigner seine Rendite noch weiter steigern kann? Wer entscheidet, was und wie produziert wird?
Droht ein Unternehmer mit Verlagerung, ist die wirksamste Antwort die Besetzung des Betriebes, die Offenlegung der Gesch?ftsb?cher (wohin sind die Profite der Vergangeheit verschwunden?) und die ?bernahme von Kontrolle und Verwaltung des Betriebes durch die Besch?ftigten. Man wird aber nur kontrollieren k?nnen, was einem geh?rt. Diese Betriebe m?ssen daher in ?ffentliches Eigentum ?berf?hrt werden.

Arbeitszeit radikal verk?rzen! – Warum ist eine radikale Verk?rzung der Arbeitszeit n?tig?

Arbeit f?r alle durch Arbeitsumverteilung
Offiziell sind in der Bundesrepublik 4,3 Millionen Menschen durch Erwerbslosigkeit zum Nichtstun verdammt. Viele von ihnen leiden aufgrund gesellschaftlicher Wertvorstellungen an mangelndem Selbstwertgef?hl oder einfach daran, dass ihnen viel zu wenig Geld zum Leben bleibt.
Auf der anderen Seite werden die knapp 34 Millionen Besch?ftigten, die noch in Lohn und Brot stehen, durch steigende Arbeitshetze, ungesunde Arbeitszeiten und -bedingungen und ausufernde, oftmals unbezahlte, Mehrarbeit krank.
Laut ver.di-Chef Frank Bsirske werden j?hrlich 1,5 Milliarden ?berstunden geleistet. Daf?r k?nnten 630.000 Menschen eingestellt werden. Hinzu kommen zwei Milliarden unbezahlte ?berstunden, die zum Beispiel auf ?berf?llten Arbeitszeitkonten verfallen.
Gesamtgesellschaftlich bedeutet die Massenerwerbslosigkeit hingegen enorme Verschwendung. Deren direkte Kosten ? Ausgaben und Mindereinnahmen f?r die Bundesagentur f?r Arbeit, f?r Bund, L?nder und Gemeinden, sowie f?r Sozialversicherungen ? betragen verschiedenen Berechnungen zufolge j?hrlich rund 80 bis 100 Milliarden Euro. Der Gesellschaft geht durch die massenhafte Erwerbslosigkeit ein riesiges Potenzial an F?higkeiten und Kreativit?t verloren.

F?r vollen Personalausgleich!
Den Bef?rwortern einer Arbeitszeitverk?rzung halten die Unternehmer und ihre Ideologen entgegen, die in den achtziger Jahren erk?mpfte Verk?rzung der Arbeitszeiten habe nicht zu sinkender Erwerbslosigkeit gef?hrt. Zum einen ignoriert diese Argumentation die strukturelle Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft, die sich seit Mitte der 70er Jahre in einer Phase der Stagnation und Rezession befindet, und die strukturelle Erwerbslosigkeit schubweise vergr??ert. Zum anderen stimmt sie auch faktisch nicht. So war die Phase der Umsetzung der 35-Stunden-Woche in der westdeutschen Metall-, Elektro- und Druckindustrie 1986 bis 91 die einzige, in der die Erwerbslosigkeit seit 1974 stagnierte oder gar sank.
Dennoch haben auch viele Besch?ftigte die in den Achtzigern erfolgte Arbeitszeitverk?rzung in nicht allzu positiver Erinnerung. Denn die Unternehmer nutzten die in kleinen Schritten vollzogene und mit Ausnahmeregelungen versehene Arbeitszeitverk?rzung, um Rationalisierung und Leistungsverdichtung in den Betrieben durchzusetzen. Die Besch?ftigten mussten in der verk?rzten Zeit oftmals dieselbe Arbeitsleistung hervorbringen. Es gilt, aus diesen Erfahrungen zu lernen.
Um zu verhindern, dass die Unternehmer Arbeitszeitverk?rzung nutzen, um den Arbeitsdruck zu erh?hen, muss diese in gro?en Schritten erfolgen. Wird die 30-Stunden-Woche sofort und in allen Bereichen eingef?hrt, sind die Unternehmer gezwungen, ihren Personalbedarf durch Neueinstellungen zu decken.
Voller Personalausgleich, der die Unternehmer dazu zwingt, die verk?rzte Arbeitszeit zu 100 Prozent durch Neueinstellungen auszugleichen, muss zusammen mit der Arbeitszeitverk?rzung durchgesetzt werden. Regelm??ig anfallende ?berstunden geh?ren konsequent abgelehnt und durch Neueinstellungen ersetzt.
Ein solches Programm radikaler Umverteilung der notwendigen Arbeit auf alle Arbeitsf?higen, zusammen mit einem ?ffentlichen Investitionsprogramm in den Bereichen Umwelt, Bildung und Soziales k?nnte allen, die arbeiten k?nnen und wollen, eine ausk?mmliche Besch?ftigung garantieren.

F?r vollen Lohnausgleich
Die Frage der Arbeitszeit ist ebenso wie die Lohnfrage eine Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit um den von den Besch?ftigten erwirtschafteten Reichtum. Mit dem Lohn bekommt der / die ArbeiterIn nicht den Gegenwert der von ihm / ihr geschaffenen Werte bezahlt, sondern deutlich weniger. Einen Teil seiner Arbeitszeit arbeitet der / die Lohnabh?ngige faktisch unentgeltlich f?r den Mehrwert des Kapitalisten. Die Auseinandersetzung zwischen ihnen dreht sich um die L?nge dieser regelm??ig unbezahlten Arbeitszeit. Wenn die Unternehmer schreien, Arbeitszeitverk?rzung und Lohnerh?hung seien ?nicht finanzierbar?, meinen sie: ?St?rt uns nicht beim Klauen?!
Jede Arbeitszeitverk?rzung muss mit vollem Lohnausgleich einhergehen! Die Produktivit?t w?chst st?ndig. Wenn die L?hne nicht entsprechend erh?ht oder die Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich verk?rzt werden, bedeutet das Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zugunsten der Unternehmer. In den letzten Jahren war das der Fall. Diesen Trend gilt es durch entschlossenen gewerkschaftlichen Kampf umzukehren!

?Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen?
Arbeiten wir, um zu leben, oder leben wir, um zu arbeiten? Auch diese Grundsatzfrage steht hinter der Debatte um Arbeitszeitverk?rzung. Durch eine radikale Verk?rzung der Arbeitzeiten k?nnte sich die Gesellschaft sozial, kulturell und politisch sprunghaft weiter entwickeln. Nach harter, oftmals monotoner und entfremdeter Arbeit bringen viele heute nicht mehr die Energie auf, sich zu engagieren. Durch Schichtarbeit und ?flexibilisierte? Arbeitszeiten wird immer mehr Menschen die M?glichkeit genommen, ?berhaupt am sozialen Leben teilzunehmen.
Deshalb spielte die Frage der Lebensqualit?t in der Bewegung f?r die 35-Stunden-Woche in den achtziger Jahren eine zentrale Rolle. ?Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen? hie? die Parole damals. Wenn die Arbeiterbewegung die Auseinandersetzung um die Arbeitszeit erfolgreich bestehen will, muss sie diese auch heute mit der Vision einer besseren Gesellschaft verbinden. In einer sozialistischen Gesellschaft w?rde nicht gearbeitet, um die Profite einer kleinen Minderheit von Kapitalbesitzern zu vergr??ern, sondern um die Bed?rfnisse der ?bergro?en Mehrheit der Menschen zu befriedigen.
Das stellt die Frage danach, wer ?ber Produktion und Verteilung bestimmt ? die Frage nach den Eigentumsverh?ltnissen. Erst wenn die gro?en Konzerne und Banken im Besitz der arbeitenden Menschen sind und durch diese demokratisch kontrolliert und verwaltet werden, k?nnen die vorhandenen Ressourcen planvoll eingesetzt und entwickelt werden.
Wenn die Millionen Erwerbslosen und Unterbesch?ftigten der Gesellschaft ihre Schaffenskraft und Kreativit?t zur Verf?gung stellen, wenn statt Profitmaximierung die Bed?rfnisbefriedigung im Vordergrund steht und dadurch eine Vielzahl unn?tzer oder gar sch?dlicher T?tigkeiten wie R?stung, Milit?r und Werbung entf?llt, ist eine radikale Verk?rzung der Arbeitszeiten m?glich.
Die Arbeit w?rde schnell ihren zwanghaften, oftmals monotonen und gesundheitssch?dlichen Charakter verlieren und stattdessen ?selbst das erste Lebensbed?rfnis? werden (Karl Marx, Kritik des Gothaer Programmentwurfs).

Gewerkschaften in die Offensive! – Wie den Trend zu Arbeitzeitverl?ngerung umkehren?

Die Unternehmer und ihre Regierungen haben in den letzten Monaten wichtige Durchbr?che im Kampf um die Verl?ngerung der Arbeitszeit erzielt.
Brechstange spielt dabei der ?ffentliche Dienst. Als erstes waren die BeamtInnen an der Reihe, deren Arbeitszeiten in den L?ndern und nun auch im Bund per Kabinettsbeschluss verl?ngert wurden. Die Reaktion der ver.di-Spitze: gleich null.
Nun sind es die restlichen Landesbediensteten, deren Arbeitszeiten von 38,5 auf zwischen 40 und 42 Wochenstunden verl?ngert werden ? mit dem zynischen Argument, sie sollten ihren verbeamteten KollegInnen gleich gestellt werden.
Hiergegen organisiert ver.di derzeit ?Nadelstichaktionen? ? lokale Arbeitsniederlegungen. Diese werden aber definitiv nicht ausreichen, um die Regierungen zum R?ckzug zu zwingen.
Als n?chstes werden nach und nach die traditionell kampfstarken Kommunalbetriebe ?geknackt?, die in der Vergangenheit f?r alle im ?ffentlichen Dienst die Kohlen aus dem Feuer geholt haben.
Anstatt diesem Generalangriff auf die Arbeitszeiten (und L?hne) mit verallgemeinertem, einheitlichem Widerstand zu begegnen, f?hrt die ver.di-Spitze die Belegschaften und Bereiche ohne wirkungsvolle Gegenwehr einzeln zur Schlachtbank.
Ermutigt durch dieses Vorgehen, zeigt sich jetzt auch die Privatindustrie entschlossen, verl?ngerte Arbeitszeiten fl?chendeckend durchzusetzen. In der Metall- und Elektroindustrie scheiterte bei den Tarifverhandlungen im Februar diesen Jahres der erste Durchmarschversuch an der hohen Kampfbereitschaft der Belegschaften. Dennoch stimmte die IG-Metall-Spitze ohne Not Regelungen zu, mit denen die 35-Stunden-Woche in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Planung vollends aufgegeben wird.
Dann folgte der H?userkampf: In einem Unternehmen nach dem anderen wird versucht, die Belegschaften mit der Drohung, die Produktion an andere Standorte zu verlagern, zu erpressen. Und die F?hrung der Metallgewerkschaft l?sst sich auf dieses Spiel ein: Sie stimmte unbezahlter (!) Arbeitszeitverl?ngerung von 35 auf 40 Wochenstunden in den Siemens-Werken Bocholt und Kamp-Lintfort zu. Trotz riesiger Wut und Kampfbereitschaft akzeptierte sie bei DaimlerChrysler ein K?rzungspaket im vom Unternehmen geforderten Umfang von 500 Millionen Euro ? auch hier inklusive Arbeitszeitverl?ngerung f?r Teile des Konzerns. Seither scheint die Welle von Arbeitszeitverl?ngerungen, die auf Betriebsebene durchgesetzt werden, nicht mehr aufzuhalten zu sein.

Trend umkehren ? aber wie?
Die Kampfkraft, diese Unternehmeroffensive abzuwehren, ist vorhanden. Das hat nicht zuletzt die Auseinandersetzung bei DaimlerChrysler gezeigt. Und dennoch: Gesamtbetriebsrat und IG-Metall-F?hrung verhinderten ganz bewusst einen Erfolg der Besch?ftigten.
Warum? Sie haben die Standortlogik vollst?ndig akzeptiert, sehen sich mehr als Co-Manager denn als Interessenvertreter der Besch?ftigten. Mit einer solchen F?hrung ist die Auseinandersetzung mit den Unternehmern nicht zu gewinnen.
Eine radikale ideologische und praktische Kehrtwende der Gewerkschaften ist hierf?r vonn?-ten. Statt weiterhin auf die Fiktion der ?Sozialpartnerschaft? zu setzen, die von Unternehmerseite l?ngst aufgek?ndigt wurde, m?ssen sich die Gewerkschaften wieder als Gegenmacht begreifen. Die Konzerne betreiben knallharte Interessenpolitik gegen die Besch?ftigten. Die Gewerkschaften sollten ebenso kompromisslos f?r Besch?ftigteninteressen streiten.
Dazu geh?rt eine Kampagne f?r die fl?chendeckende Einf?hrung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Die Unternehmeroffensive zur Arbeitszeitverl?ngerung bietet die Gelegenheit, das in den letzten Jahren gewerkschaftlich kaum diskutierte Thema der Arbeitszeit wieder zu besetzen. Die Argumente gegen Arbeitszeitverl?ngerung, die nun offensiv vorgebracht werden m?ssen, sind ebenso viele Gr?nde f?r eine Verk?rzung der Arbeitszeiten.
Eine Aufkl?rungskampagne der Gewerkschaften k?nnte mit den falschen Vorstellungen aufr?umen, die die neoliberale Offensive auch in den K?pfen vieler Besch?ftigter hinterlassen hat.

Gewerkschaftsopposition aufbauen!
Mit den derzeitigen Spitzen-(Gehalts-)Funktion?ren wird die notwendige Kehrtwende nicht zu machen sein. Grundlage f?r die Ver?nderung der Gewerkschaften ist die Selbstorganisation an der Basis und in den Betrieben. Durch den Aufbau einer kampagnef?higen Gewerkschaftsopposition kann die F?hrung zur Mobilisierung gegen die Unternehmeroffensive gezwungen werden. Aus einer solche Opposition heraus kann sich eine inhaltliche und personelle Alternative zur derzeitigen Gewerkschaftsf?hrung entwickeln.
Mit dieser Zielsetzung beteiligt sich die SAV am Aufbau der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken, der ver.di-Linken und des Netzwerks f?r eine k?mpferische und demokratische ver.di.

Arbeitszeiten und ?berstunden
Die tarifliche Wochenarbeitszeit betr?gt in Deutschland durchschnittlich 37,7 Stunden (im Westen 37,4, im Osten 39 Stunden). Die tats?chliche Arbeitszeit betr?gt 39,9 Wochenstunden. Mit beidem liegt die Bundesrepublik im europ?ischen Mittelfeld. (WSI Bispink in Netzzeitung vom 26.7.04)
J?hrlich werden in Deutschland 1,5 Milliarden bezahlte und zwei Milliarden unbezahlte ?berstunden geleistet. Das entspricht rein rechnerisch 1,47 Millionen Arbeitspl?tzen. (Frank Bsirske in junge welt vom 27.6.03)