Nur noch Leuchttürme im dunklen Osten?

15 Jahre nach der Einheit wurde aus den versprochenen blühenden Landschaften eine öde Wüste
 
Die Forderung des  „Gesprächskreises Ost“ unter dem Vorsitz des früheren Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi nach Einführung einer „Sonderwirtschaftszone Ost“ (SWZ) bedeutet das Ende der Mär vom Aufschwung Ost und der schnellen Angleichung der Lebensverhältnisse an den Westen.
Für viele Ostdeutsche ist der Traum vom Wirtschaftswunderland inzwischen ausgeträumt. Real  hingegen ist für die Masse der Bevölkerung in Ost wie West, dass die sogenannte soziale Marktwirtschaft oder besser der Kapitalismus nur noch wachsende Verelendung, Erwerblosigkeit, Umweltzerstörung und Krieg zu bieten hat.

Der Letzte macht das Licht aus!

Obwohl bisher 1.250 Milliarden Euro in den Osten oder besser über den Osten in die Taschen der Unternehmer geflossen sind, ist heute das Gebiet der ehemaligen DDR weitgehend deindustrialisiert. Die offizielle Erwerbslosigkeit ist mit derzeit 1,676 Millionen (19,6 Prozent) in etwa doppelt so hoch wie im Westen. Seit 1991 haben dem Statistischen Bundesamt zur Folge mehr als 2,1 Millionen meist Jugendliche, Akademiker und Frauen den Osten in Richtung Westen verlassen, weil sie sich dort bessere Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten erhofften.
Angeblich soll dieser Entwicklung durch die Einführung der SWZ Einhalt geboten werden.
Was das heißt, erklärte am 7. April 04 der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) in der Frankfurter Rundschau: es ginge um eine „Entfesselung des Marktes und eine Abkehr von Überregulierungen“. Statt mit der „Gießkanne“ sollen dann mittels „Leuchtturmpolitik“ nur noch sogenannte „Cluster“ (erfolgreiche Wachstumsunternehmen) gefördert werden. Die Gelder dafür sollen über den massiven Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst oder durch eine spätere Tarifangleichung reinkommen. Dafür müsste das Ost-Tarifrecht „einfach und verständlich, leistungsorientiert und regional flexibel“ gestaltet werden und Öffnungsklauseln beinhalten.  
Das würde bedeuten, dass Unternehmer und Betriebsräte auf betrieblicher Ebene „freiwillig“ Abweichungen vom Tarifvertrag beschließen.
„Für die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen“ besteht nach Milbradt „daneben kein Raum mehr“. Durch „Lohnspreizung“ sollen Fach- und Spitzenkräfte auf Kosten niedrigerer Gehalts- und Lohngruppen mehr Geld bekommen, um nicht abzuwandern. Für Erwerbslose hingegen sind staatliche Zuschüsse für Niedriglohnjobs statt Ersatzleistungen („Aktivierende Sozialhilfe“) geplant. Für Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten und für über 50-jährige wird von Milbradt die Abschaffung des Kündigungsschutzes gefordert.
Die Forderungen von Milbradt zeigen den ganzen kapitalistischen Irrsinn auf. Obwohl die Warteschlangen bei Behörden immer länger werden, soll es im öffentlichen Dienst Entlassungen geben. Obwohl die Gesellschaft noch nie so reich war wie heute, werden Löhne gesenkt. Und das alles nur, um die Profite zu steigern und die Reichen noch reicher zu machen.
Stattdessen wäre es nötig, die vorhandene Arbeit durch Neueinstellungen auf alle zu verteilen. Kürzungen bei Löhnen und Gehältern wären nicht nötig, wenn der Reichtum von Oben nach Unten verteilt werden würde. So könnten auch öffentliche Investitionen in den Bereiche Umwelt, Soziales und Bildung neue Arbeitsplätze schaffen und demokratisch kontrolliert – jenseits der Profit-Herrschaft – sinnvolle Produkte und bessere Lebensverhältnisse schaffen.

Sonderwirtschaftszone Gesamt-Deutschland

Die Misere im Osten ist ja lange bekannt. Warum soll dann gerade jetzt die SWZ eingeführt werden? Helmut Seitz, Wirtschaftsexperte des „Gesprächskreises Ost“ weiß es: „Wir brauchen… keine Sonderwirtschaftszone Ost, wir brauchen eine Sonderwirtschaftszone Gesamtdeutschland“.
Es geht also nicht darum, den Aufschwung Ost zu erreichen. Stattdessen sollen überall die „Rahmenbedingungen“ für die Profitwirtschaft auf Kosten der Lebensverhältnisse der Masse der Arbeitenden, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen verbessert werden. Das kann nur gestoppt werden, wenn sich die Betroffenen dagegen zusammenschließen und gemeinsam kämpfen.

von Ronald Luther, Berlin