Lehren aus der PISA-Studie?

Die Ministerin f?r Schule, Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfahlen, Gabriele Behler und der Chef der Bertelsmann Stiftung, Dr. Gunter Thielen, unterzeichneten im August 2001 einen Kooperationsvertrag und gaben damit den Startschuss f?r das Projekt ?Selbstst?ndige Schule?. Circa 350 Schulen aus Nordrhein-Westfalen werden sich daran beteiligen. Dieser Vertrag ist ein weiterer wichtiger Schritt f?r Unternehmen die staatliche Bildungspolitik der Bundesrepublik nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen.

von Immo Schott, Kassel
 
Die Ergebnisse der PISA-Studie waren vernichtend: Deutschland ist international im Bildungsvergleich nur im Mittelfeld anzusiedeln. Die Gr?nde daf?r sind vor allem in der sozialen Auslese zu suchen, welche in Deutschland so gro? ist wie in kaum einem anderen Land. Aber anstatt mehr staatliche Gelder in die Schulen zu investieren, mehr Gesamtschulen einzuf?hren und Einstiegsm?glichkeiten f?r Kinder von ImmigrantInnen zu erleichtern, ziehen die Gro?konzerne ihre eigenen Schlussfolgerung: Das Bildungswesen brauche mehr Wettbewerb.

Miserable Situation

Die Situation in den Schulen ist miserabel und hat sich in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert. Es mangelt ?berall an den elementarsten Dingen. Mit gro?en Klassen, Lehrermangel und veraltetem Material sind Sch?lerInnen t?glich konfrontiert. Doch Staat und L?nder behaupten, es sei nicht gen?gend Geld f?r dringend notwendige Verbesserungen vorhanden, w?hren auf der anderen Seite Milliarden in Aufr?stung investiert werden.
Gleichzeitig befinden sich die Unternehmer verzweifelt auf der Suche nach neuen Bereichen, in denen sich Profit machen l?sst. Die Unternehmensberatung Meryll Lynch sch?tzt den Wert des weltweiten Bildungssektors auf j?hrlich etwa 2.200 Milliarden US-Dollar und sieht die M?glichkeit, in nur zehn Jahren den weltweiten Bildungsmarkt vollkommen zu privatisieren.
Mit dem Projekt ?Selbstst?ndige Schule? werden also zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens erschlie?t sich f?r private Investoren ein v?llig neuer Markt auf welchem Profite gemacht werden k?nnen, zweitens entzieht sich der Staat beziehungsweise die L?nder schrittweise der Verantwortung f?r den Bildungsbereich und spart somit Kosten.

?Eigenverantwortung? = mehr Abh?ngigkeit

Die ?Selbstst?ndige Schule? soll also mehr Eigenverantwortung haben, besonders im finanziellen Bereich. Dies bedeutet, dass die Schulen sich selber nach privaten Geldgebern, sogenannten ?Sponsoren? umsehen werden, um die Schule mit Lehrmitteln auszustatten, die aus staatlicher Kasse nicht bezahlt werden k?nnten. Mit ?selbst?ndig? ist somit also vorrangig die Abh?ngigkeit der Schulen von Unternehmen zur Eintreibung von Finanzmitteln zu verstehen.
Eine Studie der Verbraucherorganisation ?Consumer International? zeigt, welche Auswirkungen der Einfluss privater Investoren an Schulen in den USA hatten:
Aus Geldmangel der Schulen wurden gesponserte Unterrichtsmaterialien zum Alltag. Bei einer Untersuchung dieser Materialien stellte man vor ein paar Jahren fest: ?ber 80 Prozent enthielten voreingenommene oder unvollst?ndige Informationen, propagierten Produkte der finanzierenden Firma oder verherrlichten deren Arbeit.
Die Projektleitung ?bernimmt Bertelsmann, laut Frau Behler ein ?bew?hrter Partner?. Die Bertelsmann AG versucht auch in anderen Bereichen des Bildungswesens den Weg zu bestimmen. So gr?ndete das Unternehmen im Mai 1994 das CHE (Centrum f?r Hochschulentwicklung), das sich klar f?r Studiengeb?hren ausspricht. Des weiteren betreibt das CHE eifrig Lobbyarbeit f?r seine Interessen, die unter anderem in k?rzeren Studienzeiten (erh?htem Leistungsdruck) und in der F?rderung der Konkurrenz unter Studierenden liegen.
Privatisierung des Bildungswesens ist nichts anderes als der Versuch, neue M?rkte zu erschlie?en und Profite zu erwirtschaften. Im Bildungsmarkt wird dies durch Geb?hren und gr??ere Klassen zu st?rkerer Selektion zwischen arm und reich f?hren, das Gegenteil des durch die PISA-Studie formulierten Zieles.