Frauen in Südafrika

Frauen Protest SüdafrikaFrauen stehen an der Spitze der zunehmenden Kämpfe, die früher oder später das kapitalistische System und all die Unterdrückungsformen, einschließlich der Frauenunterdrückung, herausfordern werden. In Südafrika haben Frauen dem begrenzten Raum, der ihnen die brutale Unterdrückung lässt, getrotzt und haben eine Schlüsselrolle bei den Kämpfen von ArbeiterInnen gespielt, die das Land im letzten Jahr erschüttert haben.

von Liv Shange

Die öffentliche Aufmerksamkeit, die die brutale Vergewaltigung von Anene Booysen und der Mord an Reeva Steenkamp, erhalten haben, haben eine massive Entrüstung gegen sexistische Gewalt in Südafrika ausgelöst. Nach Angaben des Medizinischen Forschungsrats werden in Südafrika nur eine von 25 Vergewaltigungen angezeigt. Polizeistatistiken sprechen von 3.600 Vergewaltigungen pro Tag!

Jedes Jahr werden tausende Frauen von Männern, die ihnen nahe stehen, ermordet. Es handelt sich faktisch um einen stillen Krieg gegen Frauen. Dieses Schweigen zu durchbrechen ist ein wichtiger erster Schritt, aber nicht genug. Schritte in Richtung Befreiung von Unterdrückung sind nur durch Kämpfe zu erreichen – und Kämpfe sind nötig, um sich zur Wehr zu setzen und die Unterdrückung von Frauen letztlich zu überwinden. Aber wer kann diesen Kampf zum Erfolg führen und wie kann das möglich sein?

Der Kampf gegen Sexismus ist keine Priorität der Regierung

Obwohl der Internationale Frauentag normalerweise keine große Aufmerksamkeit in Südafrika genießt, war der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) in diesem Jahr aufgrund der öffentlichen Empörung über Gewalt gegen Frauen dazu gezwungen, über ihn zu sprechen. Leider können wir aber nicht mehr als Worte vom ANC erwarten. Dieselbe Regierung, die die Verhaftung von denen, die Frauen misshandeln und umbringen, fordert, kann nicht einmal ausreichend DNA Untersuchungsmaterial für Polizeistationen zur Verfügung stellen, ganz zu schweigen davon, sicherzustellen, dass Frauen, die eine Vergewaltigung zur Anzeige bringen nicht auch noch durch die Polizei misshandelt werden.

Während sich Präsident Zuma in seiner Rede zur Lage der Nation in diesem Jahr über die Gewalt gegen Frauen beklagt hat, hat er gleichzeitig erklärt, dass „gewalttätige“ Arbeiterproteste als gefährlichste Verbrechen behandelt werden. Es soll spezielle Gerichtsverfahren geben, um sicher zu stellen, dass streikende ArbeiterInnen und NachbarschaftsaktivistInnen so schnell wie möglich inhaftiert werden können. Die Unterdrückung der wachsenden Massenkämpfe, die eine Bedrohung für die Regierung und für diejenigen, die sie bezahlen – die großen Konzerne und der Kapitalismus – ist eine strategische Priorität für die Regierung. Sexistische Gewalt zu beenden nicht.

Während jeder, auch Politiker, von den Details über die gegen Frauen ausgeübte Brutalität und die atemberaubenden Zahlen über den Krieg gegen Frauen bewegt und schockiert sein werden, sind das für die herrschende Klasse letztlich doch nichts als unangenehme Betriebskosten eines Systems, das auf Ausbeutung, Misshandlung und Entmenschlichung basiert. Selbst wenn Politiker, Geschäftsleute und Berühmtheiten ihre Anprangerung dieser Gewalt ehrlich meinen, so können sie doch keine Lösungen anbieten, weil sie eng mit einem System verbunden sind, das gar nicht anders kann, als Frauenunterdrückung aufrechtzuerhalten. Der Kampf für die Befreiung der Frau muss von den Frauen der Arbeiterklasse geführt, und von den Männern der Arbeiterklasse unterstützt, werden und zur Ersetzung des Kapitalismus durch ein sozialistisches System führen, das die Grundlage für die Überwindung aller Formen von Unterdrückung legen kann.

Eine Klassenfrage

Der mit großem öffentlichen Interesse aufgenommene Mord an der reichen, berühmten und weißen Reeva Steenkamp und die Vergewaltigung und Ermordung des armen, schwarzen, aus der Arbeiterklasse kommenden Teenagers Anene Booysen, haben dazu geführt, dass einige KommentatorInnen veranlasst über Frauenunterdrückung als einer ewigen Geißel zu predigen, gegen die wir uns alle vereinigen müssen. Es ist wahr, dass sowohl reiche als auch arme Frauen, in allen Ländern, durch Frauenunterdrückung in unzähligen Formen betroffen sind. Vergewaltigung und Mord sind da nur die extremsten Formen. Aber sie sind nicht in der gleichen Art und Weise betroffen. Beispielsweise hat eine schlecht verdienende Arbeiterin (die in der Regel schwarz ist), die von ihrem männlichen Partner finanziell abhängig ist, nicht dieselben Möglichkeiten, ihr Leben selbst zu kontrollieren, wie ihr weiblicher millionenschwerer Boss (in der Regel weiß). Während Frauen aus der kapitalistischen Elite unter frauenspezifischer Gewalt, Vorurteilen und Diskriminierung leiden, profitieren sie auch von der Abhängigkeit des Kapitalismus von den Niedriglöhnen für Arbeiterinnen, der unbezahlten Heimarbeit , was die kapitalistische Wirtschaft und Gesellschaft auf Kosten der Gesundheit und der Leben von Frauen am Laufen hält – genauso wie von der Spaltung der Arbeiterklasse entlang der Geschlechter. Einheit im Kampf gegen Frauenunterdrückung ist entweder Einheit unter dem Banner der Arbeiterklasse oder ein sentimentaler Versuch, Illusionen in dieses System zu schüren.

Die Versuche der herrschenden Elite die schreckliche Gewalt gegen Frauen zu erklären, schmecken deshalb oft nach abgestandener Moral. So weist Zuma zum Beispiel auf den „Zerfall der Familie“, den „mangelnden Respekt der Jugend vor dem Alter“ und alleinerziehende Eltern als Ursachen hin. Das führt zu Verwirrung statt Klarheit. Tatsächlich ist ja die familie der Hauptort von Gewalt gegen Frauen. Wie Anene Booysen und Reeva Steenkamp werden viele der 2,500 jährlich ermordeten Frauen von ihren Partnern umgebracht. Auch die meisten Vergewaltiger sind der Ehemann, Freund oder Verwandter des Opfers.

Aufrufe zu scharfer Bestrafung und gegen Freilassung auf Kaution für Vergewaltiger, Mörder wie Oscar Pistorius und Männer, die Frauen misshandeln, sind zu begrüßen. Aber Gewalt gegen Frauen wird in der Regel nicht von geistesgestörten Monstern ausgeübt. Eine Studie des Medzinischen Forschungsrats aus dem Jahr 2009 besagt, dass in den Regionen Eastern Cape und KwaZulu-Natal ein Viertel der Männer eine Vergewaltigung zugegeben haben. In einer Studie aus dem jahr 2010 haben ein Drittel der Männer in Gauteng eine Vergewaltigung zugegeben und fast achtzig Prozent aber Gewalt gegen Frauen eingeräumt. Für eine Mehrheit der Mädchen basiert die „erste sexuelle Erfahrung“, wenn man Vergewaltigung denn so nennen kann, nicht auf Einwilligung. Vergewaltigung und Mord sind die extremen Formen der Frauenunterdrückung, die die südafrikanische Gesellschaft in unzähligen Formen durchdringt.

Aber Frauenunterdrückung ist kein unveränderliches Übel, das es immer gab und immer geben wird. Auf die gesamte Menschheitsgeschichte bezogen, ist sie sogar ein „neues“ Phänomen. Frühe menschliche Gesellschaften, in denen es keinen Reichtum gab um den man kämpfen konnte, bewerteten alle Mitglieder der Gemeinschaft gleich. Das Patriarchat – die soziale Ordnung, die Männer an die Spitze der Gesellschaft gebracht hat – entstand mit der Entwicklung einer Spaltung der Gesellschaft in Klassen.

Arbeiterinnen verdienen in Südafrika durchschnittlich 18 Prozent weniger als männliche Arbeiter. Schwarze Frauen sind die Mehrzahl der Arbeitslosen. Diese Bedingungen, in denen Frauen von Männern abhängig sind und die ihre Freiheit und ihr Selbstwertgefühl untergraben, sind die Brutstätte, aus der Sexismus erwachsen kann.

Den Widerstand organisieren

Alle Formen der Frauenunterdrückung zu verurteilen ist ein Anfang. Dazu gehören das zum Schweigen bringen von Frauen in den ländlichen Gebieten, verschiedene Formen des „zum Objekt und zur Ware Machens“, Beleidigungen, häusliche Gewalt, Vergewaltigung etc. Die großartige Arbeit vieler Frauengruppen gegen Vergewaltigungen und Misshandlungen sollte durch Massenmobilisierungen unterstützt werden, bei denen organisierte ArbeiterInnen beider Geschlechter eine Schlüsselrolle spielen müssen. Der Kampf gegen Vergewaltigung und Ermordung von Frauen muss auch verbunden werden mit dem kampf um gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Arbeitsplätze für Alle, für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, für angemessene und kostenlose Bildung für Alle, für Kinderbetreuung für Alle, für Wohnraum, Wasser- und Stromversorgung für Alle und für Programme für alle Frauen, die aus Misshandlungssituationen fliehen.

Nachbarschaftsorganisationen und Gewerkschaften sollten nicht nur für gute öffentliche Dienstleistungen und Arbeitsbedingungen kämpfen, sondern auch gegen häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung und Vergewaltigung. Dazu zu schweigen, bedeutet diese Alltagsrealität für Frauen zu akzeptieren.

Die Erfahrungen des Komitees für eine Arbeiterinternationale zeigen, dass Aktionen von Mädchen und Frauen, gemeinsam mit Männern, gegen sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt einen unmittelbaren Effekt dabei haben können, solche Missstände zurückzudrängen. So haben wir zum Beispiel SchülerInnen gegen sexuelle Belästigungen organisiert – Demonstrationen und Proteste durchgeführt, politische Schulungen und Frauenselbstverteidigung angeboten und mehr finanzielle Mittel für Schulen gefordert. Weltweit wurden Erfolge erzielt, wenn die Kämpfe von Frauen und ArbeiterInnen zusammen gekommen sind – das Frauenwahlrecht, das Recht zur Schule zu gehen oder einen Arbeitsplatz wählen zu können, das Recht auf Abtreibung, das Scheidungsrecht – all diese Fortschritte mussten der herrschenden Klasse im Kampf abgerungen werden.

Angesichts der Krise des Kapitalismus und seiner Unfähigkeit die Gesellschaft weiter zu entwickeln und angesichts der Tatsache, dass die Bosse immer mehr zu repressiven Praktiken greifen, besteht die Gefahr, dass diese Errungenschaften wieder zurück genommen werden.