Hessischer Landesparteitag der LINKEN: Von der Angst vorm schwarzen Peter

Regierungsbeteiligung in Form von Tolerierung wurde akzeptiert, ein Antrag (siehe Ende dieses Artikels), stattdessen im Landtag von Fall zu Fall zu entscheiden, wurde abgelehnt.


 

[Zum Artikel zur Haltung der SAV in Hessen]

Bericht vom ersten Parteitag der hessischen Linken vom 29.-31. August 2008

von Leonie Blume, Kassel

Im Gegensatz zum Gründungsparteitag war es fast unheimlich harmonisch: Der hessische Landesparteitag in Lollar war geprägt von einer großen Einigkeit. Einigkeit darüber, Ypsilanti zu wählen, um Koch loszuwerden. Auch die Frage einer rot-rot-grünen Koalition, die im Vorfeld unter anderem von Landesvorsitzender Ulrike Eifler in den Raum gestellt wurde, wurde so gut wie nicht thematisiert. Ebenso herrschte Übereinstimmung darüber, dass die Linke keinerlei Verschlechterungen wie Privatisierung und Sozialabbau zustimmen werde. Und schließlich wurde fast einstimmig das weitere Procedere festgelegt: es wird auf Grundlage des verabschiedeten Positionspapiers Gespräche mit Rot/Grün geben. Anschließend werden die Ergebnisse von Landesvorstand, Kreisvorständen und Fraktion bewertet und dann den Mitgliedern in einer Urabstimmung vorgelegt. Die Tolerierung ist also auf den Weg gebracht und rot-grün ist wieder am Zug.

Tolerierung ja, aber unklar wie

Details, wie es denn konkret weitergehen wird, blieben allerdings mehr als nebulös. Fragen, wie eine Tolerierung denn konkret aussehen wird, wurden von der Mehrheit der Delegierten nicht gestellt. Weder, ob es Absprachen oder einen festen Vertrag geben soll, noch was in einem solchen Dokument drin stehen würde wurden thematisiert. Auch die Frage, ob man von solch einem Vertrag wieder abspringen kann, wenn er einmal unterzeichnet ist, wurden nicht debattiert. Die Angst, die Medien könnten die Linke als Betonköpfe darstellen und SPD und Grüne zu verschrecken, war zu groß.

So blieb ein von SAVlerinnen eingebrachter Antrag, jegliche Vorhaben einer rot-grünen Minderheitsregierung von Fall zu Fall zu entscheiden chancenlos. Gleichzeitig scheiterten aber auch alle anderen Vorstöße, die vom angestrebten Tolerierungsmodell abwichen. So wurde ein Antrag, der die Wahl Ypsilantis von der Verweigerung eines Ministerpostens für Jürgen Walther abhängig machen wollte, zurück gezogen. Ein anderer von Ferdinand Hareter, der eine Duldung mit Vertrag festschreiben wollte, schaffte es ebenfalls nicht zur Abstimmung.

In diesem Zusammenhang ist auch die Kampfabstimmung um den männlichen Landesvorsitzenden zu werten. Die Entscheidung der Delegierten für Ulrich Wilken als neuen Landesvorsitzender neben Ulrike Eifler war kein Flügelkampf zwischen rechts und links, sondern zwischen einem „verlässlichen“ Realpoltiker auf der einen und einem „unberechenbaren“ Realpolitiker auf der anderen Seite. Viele Delegierte fürchteten, dass Hareter die Wahl Ypsilantis gefährden würde, da er die Wahl einer rot-grünen Minderheitenregierung an Bedingungen knüpfen wollte. Um den Laden nicht zu sprengen, SPD und Grüne nicht abzuschrecken und zwecks mangelnder Alternativen, wählten die Delegierten Wilken mit 91 zu 77 Stimmen zum Vorsitzenden.

In anderen Fragen traf der Landesverband mutigere Entscheidungen: Auf Initiative eines SAV-Mitglieds fand eine Resolution gegen die Politik des rot-roten Senats in Berlin große Unterstützung. Auch die Unterstützung der Schülerproteste im Herbst wurden als Schwerpunkt festgelegt.

dokumentiert: Abgelehnter Änderungsantrag zum „Positionspapier zum Politikwechsel in Hessen“ des Landesvorstands

an den Landesparteitag der hessischen LINKEN, 29. bis 31. August 2008

Antragsstellerinnnen: Choni Floether, Kassel, Leonie Blume, Kassel

Wir beantragen nach folgendem Absatz des Positionspapiers

Der LINKEN ist es wichtig, ihre Vorstellungen in die Diskussion über den Haushalt und wichtige Gesetzesvorhaben einzubringen und dafür im Landtag eine Mehrheit zu finden. […] Mit den Stimmen der LINKEN wird es keine weiteren Privatisierungen, keine Verschlechterungen beim Umweltschutz, keinen Sozial- oder Personalabbau geben. Denn das wäre eine Fortsetzung der CDU-Politik der vergangenen Jahre und dazu ist DIE LINKE auf keinen Fall bereit.

folgende 2 Punkte einfügen:

1.

„Das bedeutet: Die LINKE Hessen wird auch in Zukunft jeden Antrag im Landtag einzeln bewerten. Vereinbarungen über dauerhafte Tolerierungen oder Zusagen zu Abstimmungen zum Beispiel bezüglich der Haushalte der kommenden Jahre wären Blankoschecks, die wir nicht unterzeichnen werden. Unsere Stärke liegt nicht in erster Linie in unserem aktuellen Verhandlungsgeschick gegenüber SPD und Grünen, sondern in den zukünftigen Aktivitäten aus Betrieben, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, die für einen wirklichen Politikwechsel stehen und die wir nach Kräften aufgreifen, unterstützen und befeuern werden. Darin sehen wir unsere Hauptaufgabe.“

2.

„Bezüglich einer Zustimmung zum Haushalt reicht der Ausschluss von weiteren Verschlechterungen gegenüber dem letzten Haushalt der CDU-Regierung nicht aus. Das wäre die Fortsetzung des Koch-Haushalts. Weiter unten sind unsere wichtigsten Anliegen nochmals ausgeführt, die wir auch mittels Anträgen im Landtag, vor allem aber durch außerparlamentarischen Druck thematisieren werden. Als Einstieg in einen Politikwechsel und damit als Minimum für eine Zustimmung zum Haushalt sehen wir aber folgende Punkte an:

– die sofortige Beendigung der Tarifflucht der Kochregierung, das heißt volle Rückkehr zum Stand vor der Tarifflucht der Koch-Regierung mit Rücknahme der Arbeitszeitverlängerung und vollem Lohn inklusive vollem Urlaubs- und Weihnachtsgeld für alle. Auf dieser Grund­lage sind Verhandlungen über einen Tarifvertrag mit den zuständigen Gewerkschaften über die notwen­digen Lohnerhöhungen beziehungsweise andere For­derungen der Organisationen der Beschäftigten nach Verbesse­rungen aufzunehmen. Alles andere nutzt die Erpressungspotentiale der Schlechterstellung von Neuein­gestellten durch die Koch-Regierung aus und versucht damit, von der erfolgten Tarifflucht zu profitieren.

– die Bekämpfung der Armut durch Umwandlung der Ein-Euro-Jobs in tariflich bezahlte Beschäftigungsverhältnisse. (Unsere darüber­hinaus gehende Ablehnung der gesamten Hartz-Gesetze bleibt voll bestehen.)

– eine Bildungsoffensive: Schaffung von 10.000 neuen Arbeitsplätzen im Bildungswesen, zum Beispiel um Unterrichtsausfall zu verhindern und die Verlängerung der Arbeitszeit rückgängig zu machen.

– Kein Flughafenausbau (weder Frankfurt noch Kassel-Calden)

dokumentiert: Angenommene Resolution zur Tarifauseinandersetzung Öffentlicher Dienst Berlin

Antrag zum 1. Landesparteitag der LINKEN Hessen:

Resolution zur Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst Berlin

(Antragsstellerin: Choni Flöther, Kassel)

Der Landesparteitag möge die folgende Resolution verabschieden:

Die LINKE Hessen kann nicht nachvollziehen, dass die LINKE in Berlin das Agieren des rot-roten Senats in Berlin im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes mitträgt.

Wir fordern den rot-roten Senat dazu auf, die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst weiterzuführen, den Anwendungstarifvertrag (mit Lohnkürzungen von 8-12 %) zurückzunehmen und sofort die Lohnerhöhung entsprechend des bundesweiten Tarifabschlusses vom Frühjahr 2008 umzusetzen.

Begründung:

Am 10. Juli hat der rot-rote Senat in Berlin die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst einseitig für beendet erklärt. Mit der einseitigen Beendigung der Tarifverhandlungen beschloss der rot-rote Senat Einmalzahlungen von 300 Euro für 2008 und 2009. Seitens der Gewerkschaften wird dies heftig kritisiert: „Damit greift der SPD-Linkspartei-Senat zum gleichen Gestaltungsmittel wie der konservative hessische Ministerpräsident Koch,“ so Astrid Westhoff (Verhandlunsgführerin der Gewerkschaften) in der jungen Welt vom 16.07.2008.

„Die Kollegen sehen das als einen Akt der Willkür, denn sie wissen ganz genau, was das Wort Tarifautonomie bedeutet.“ (Eberhard Schönberg, Vorsitzender der GdP Berlin in: junge Welt vom 23.07.2008). Die Gewerkschaften fordern ihrerseits Einmalzahlungen in Höhe von 3 mal 300 Euro (als Ausgleich dafür, dass es seit Jahren keine Lohnerhöhungen gab) sowie die Übernahme der Lohnerhöhungen entsprechend des bundesweiten Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst.

Der Landesverband der LINKEN setzt sich in Hessen gemeinsam mit Gewerkschaften und den Beschäftigten im öffentlichen Dienst dafür ein, dass in Hessen der tariflose Zustand beendet wird und die Verschlechterungen der letzten Jahre (Arbeitszeitverlängerung, Kürzung von Weihnachts- und Urlaubsgeld etc.) zurückgenommen werden.

Eine gewerkschafts- und arbeitnehmerfeindliche Politik, wie sie mit der Aufkündigung der Tarifverhandlung in Berlin derzeit betrieben wird, ist für die LINKE keine vertretbare Position. Ein solches Verhalten ist in seinen Auswirkungen nicht auf Berlin beschränkt, sondern beschädigt bundesweit die Glaubwürdigkeit unserer Partei.