Content-Warnung: Sexuelle Gewalt
Der Fall von Gisèle Pelicot machte internationale Schlagzeilen. Die Französin wurde über 14 Jahre von ihrem Ehemann betäubt. Er vergewaltigte sie, filmte die Taten, stellte sie ins Internet und stellte seine bewusstlose Frau auch anderen Männern zur Vergewaltigung zur Verfügung. Dies ist kein Einzelfall. Durch eine Recherche des NDR kamen Netzwerke mit Beteiligten aus Deutschland ans Licht, in denen Männer sich über das Betäuben und Vergewaltigen von Frauen austauschen.
Von Lucia Lassalle, Kassel
Diese Fälle reihen sich ein in eine erschütternde Kontinuität oft tödlicher Gewalt gegen Frauen, die nur möglich ist, weil gesellschaftliche Strukturen sie ermöglichen – und Justiz, Polizei, Politik die Gewalt häufig nicht ernst nehmen. Die Anzeige des NDR wurde über ein Jahr nicht von der Polizei verfolgt. Die Journalist*innen konnten nur durch wiederholtes Nachfragen die Behörden dazu bringen, in dem Fall zu ermitteln. In der Zeit konnte der Täter ungestört weiter seine Frau vergewaltigen und im Internet seine Taten dokumentieren. Zu zahlreichen anderen Profilen, die der NDR an die Behörden übermittelt hatte, wurde gar nicht ermittelt.
Die Videos der missbrauchten Frauen wurden hauptsächlich in Telegram-Chat-Gruppen und auf der Porno-Website „Motherless“ veröffentlicht und ausgetauscht. Mit Tags wie „Bewusstlos“ , „Passed Out“, „Drugged“ und auch „Vergewaltigung“ beschrieben die Täter ihre Verbrechen. Sie gaben sich gegenseitig Tipps, welche Betäubungsmittel gut funktionieren, wie sie diese verabreichen und was sie mit ihren Opfern alles anstellen können.
Die NDR-Journalist*innen zeigten einen Mann aus Deutschland an. Dieser hatte seit mindestens 15 Jahren immer wieder Vergewaltigungs-Videos seiner Frau veröffentlicht, die teilweise Millionen von Aufrufen hatten. Er zeigte den Zuschauenden, wie er seine Ehefrau vergewaltigte. In Kommentaren und Chat-Gruppen wurde er dafür gefeiert.
Die Frau wusste von nichts. Für sie war ihr Ehemann immer für sie da. Sie beschrieb ihre Ehe als glücklich. Sie sagte, sie fühle sich wie ein Stück Fleisch, nachdem sie die Videos gesehen hatte. In zahlreichen Videos war ihr lebloses Gesicht für alle sichtbar.
Betäubt und geschlagen
Besonders erschreckend waren für sie die Clips, in denen man sehen konnte, wie sie nach Atem ringt, und ihr Mann dann nur meinte, er müsse die Dosierung der Betäubungsmittel wohl ändern. Sie sagte, die Recherche des NDR hätte ihr Leben gerettet. Sie erfuhr von den Taten erst, als die Polizei vor ihrer Haustür stand und eine Hausdurchsuchung durchführte. Es wurden über 100 Pillen gefunden, die in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Der Mann starb, bevor er vor Gericht kam.
Er war nicht der einzige Täter. Zahlreiche Videos von Vergewaltigungen sind auf den Plattformen zu finden. In Deutschland ist es nicht strafbar, Videos von Vergewaltigungen erwachsener Menschen zu besitzen. Das macht es schwer, die Verbreiter solcher Inhalte strafrechtlich zu verfolgen.
Frauen werden von ihnen wie Objekte behandelt. Der inzwischen verstorbene Täter aus Deutschland schlug die Frau, während sie bewusstlos war, um zu demonstrieren, wie stark das Betäubungsmittel wirkt.
Femizide
Gewalt gegen Frauen ist systematisch. Jeden dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner. Der Begriff Femizid bezeichnet die Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind – also Morde, die aus einem patriarchalen Besitzdenken und der Vorstellung männlicher Überlegenheit erwachsen.
Die bürgerliche Rechtsordnung behandelt diese Taten häufig nicht als systemisches Problem, sondern individualisiert sie: Täter seien “psychisch belastet”, “überfordert” oder “in einer Ausnahmesituation”. Die strukturelle Dimension, dass diese Gewalt auf einem tief verwurzelten patriarchalen Machtverhältnis fußt, bleibt außen vor. Dass Frauen sterben, weil sie sich trennen, weil sie “nicht gehorchen”, weil sie ein selbstbestimmtes Leben führen wollen, wird entpolitisiert. Dabei ist genau das die politische Wurzel: Femizide sind Strafmaßnahmen in einem System, das weiblich sein als Bedrohung wahrnimmt.
Frauen müssen mehr geschützt werden. Der Besitz von Vergewaltigungsaufnahmen muss verboten sein und die Befreiung der Frau muss weiter vorangetrieben werden.
Foto: By -Roge- – https://www.flickr.com/photos/roge/14289690222/, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=60138045

