Noch nicht vorbei: „Streikfrühling“ in Deutschland

Das Jahr 2023 hat mit großen Warnstreiks von über 100.000 Kolleg*innen bei der Post und beeindruckenden, teilweise mit anderen Bereichen koordinierten Warnstreiks im öffentlichen Dienst begonnen. Daran beteiligten sich über 500.000 Beschäftigte. Auch nach dem Ende dieser beiden großen Tarifrunden laufen noch in vielen Branchen und Betrieben Arbeitskämpfe:

Die Tarifrunde bei der Deutschen Bahn begann mit dem „Megastreiktag“ am 27. März. Erstmals streikten die EVG bei der Bahn und ver.di an den Flughäfen und im kommunalen Nahverkehr gemeinsam. Der Fernverkehr wurde bundesweit eingestellt und auch im Nahverkehr fuhr kaum eine Bahn. Arbeiter*innen zeigten eindrucksvoll ihre Macht, auch in Deutschland buchstäblich das Land lahmzulegen. Bürgerliche Medien hetzten gegen die Gewerkschaften und Arbeitgeber*innen und CDU überlegten laut, ob man das Streikrecht weiter einschränken sollte.

EVG: Wirkungsvolle Warnstreiks

Am 21.4. gab es einen zweiten, achtstündigen Warnstreik, an dem sich 25.000 Eisenbahner*innen beteiligten. Darunter waren auch Beschäftigte von Privatbahnen wie Transdev und OHE, bei denen ebenfalls gerade eine Tarifrunde läuft. Transdev hatte zuvor erfolglos versucht, den Streik gerichtlich verbieten zu lassen.

Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe wird noch verhandelt. Das Bahn-Management hat den Abschluss im öffentlichen Dienst, der mit seiner langen Laufzeit Reallohnverlust bedeutet, als Verhandlungsgrundlage vorgeschlagen. Die EVG lehnte das vor den Verhandlungen ab, bezeichnete den Vorschlag als „Provokation“ und betonte ausdrücklich, keine Einmalzahlung („Inflationsausgleich“) als Ersatz für Lohnerhöhungen zu akzeptieren. Wir hoffen, dass sie dabei bleiben.

ETV: ver.di bei der Eisenbahn?

Auch bei ver.di gibt es Eisenbahner*innen – der „Eisenbahn-Tarifvertrag“ (ETV) gilt für 5.000 Beschäftigte bei 40 kleineren, überwiegend staatlichen bzw. kommunalen Verkehrsbetrieben. Dazu gehören auch Busunternehmen, Hafenbetriebe und Werkstätten. ver.di fordert 550 Euro Lohnerhöhung bei 12 Monaten Laufzeit, die Arbeitgeber*innen bieten bisher nur 150 Euro und 4,8 % – über 28 Monate und erst ab Mitte 2024, davor nur die übliche „Inflationsausgleichs“-Einmalzahlung.

Nach einem Warnstreik am 25. April in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, NRW, Bayern und Baden-Württemberg wurden die Verhandlungen am 28. April fortgesetzt.

Arbeitskampf #vollerEnergie bei e.on

Zur Tarifgemeinschaft Energie gehören Betriebe mit über 30.000 Beschäftigten – neben e.on und diversen Tochterfirmen auch der Netzbetreiber Tennet und AVU, ein regionaler Strom- und Wasserversorger aus NRW. Hier hat die Tarifrunde am 1. April begonnen. Am 20. und 24.4. hat ver.di zu Warnstreiks aufgerufen – gemeinsam mit der nicht für ihre Streikfreudigkeit bekannten IG BCE. Gemeinsam fordern beide Gewerkschaften 13 % mehr Lohn, 550 Euro als Mindestbetrag und ein Jahr Laufzeit, außerdem für die Azubis 300 Euro mehr und den Erhalt der unbefristeten Übernahmegarantie nach der Ausbildung. Dagegen setzt auch e.on auf zwei Jahre Laufzeit und Lohnerhöhungen weit unter der Inflationsrate, die mit 3000 Euro Einmalzahlung gekoppelt werden sollen. Am ersten Warnstreik nahmen tausende Kolleg*innen teil, mit dem zweiten Warnstreiktag wurde während der laufenden Verhandlungen der Druck erhöht.

IKEA: STREJK für Jobsicherung und Gesundheitsschutz

IKEA Deutschland hat in den letzten Jahren trotz wachsendem Umsatz nicht entsprechend mehr Personal eingestellt. Dabei bedeuten mehr verkaufte Möbel, Kuschelhaie und Köttbullar natürlich mehr Arbeit für die Beschäftigten. Durch Digitalisierungs- und Rationalisierungsprozesse drohen weitere Arbeitsverdichtung und Jobabbau. Deshalb fordern ver.di-Kolleg*innen im Konzern schon seit drei Jahren einen „Tarifvertrag Zukunft“, um Arbeitsbedingungen, Jobsicherheit und konzerninterne Weiterbildungsangebote zu regeln. IKEA weigert sich bisher, darüber überhaupt zu verhandeln. Deshalb gab es schon mehrere Warnstreiks, zuletzt fanden Mitte April in zahlreichen Filialen ein- oder zweitägige Warnstreiks statt.

Bild von der Website der EVG