Podcast-Empfehlung: Weird Crimes

Monikas und Phoolans Rache

True Crime Podcasts schießen wie Pilze aus dem Boden. Weird Crimes ist einer davon, mit Schwerpunkt auf besonders skurrilen oder merkwürdigen Kriminalfällen, unterhaltsam und informativ präsentiert. Zwischen den bizarren Geschichten vom Ziegenhodendoktor und der Kryptoqueen erzählen die Moderatorinnen Visa Vie und Ines Anioli auch die absolut mind blowing Biografien mutiger Widerstandskämpferinnen, die auch viele politische Aktist*innen kaum auf dem Schirm haben werden: „Die Rache der Nazitochter“ und „Die Blutrache der Banditenkönigin“.

Von Conny Dahmen, Köln

Monika Ertl war die Tochter von „Hitlers Fotograf“ Hans Ertl, einem erfolgreichen Dokumentarfilmers des NS-Regimes, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner Familie vor der Entnazifizierung nach Bolivien geflohen war.

Mit Hilfe des US-Geheimdienstes konnten damals hunderte Nazi-Funktionäre in Südamerika untertauchen. Einige von ihnen gingen auf der Hacienda der Ertls im bolivianischen Hinterland ein und aus, unter anderem der als Kriegsverbrecher gesuchte ehemalige Gestapo-Offizier Klaus Barbie, der als „Schlächter von Lyon“ für tausende Tote und besonders grausame Foltermethoden verantwortlich war.

Der Podcast beschreibt diese bizarre Fascho-Parallelgesellschaft, die beim Kaffeeklatsch die nächsten Diktaturen plante und darin u.a. vom US-Imperialismus kräftig unterstützt wurde. Es galt, Revolutionen wie in Kuba im Rest Lateinamerikas um jeden Preis zu verhindern.

All dies ist aber nur der Hintergrund der unglaublichen Geschichte einer unglaublichen Frau, eine Abenteuer- und Agentenstory, die man sich kaum ausdenken kann. Nachdem Monika Ertl als Teenager jahrelang mit ihrem Vater durch den Dschungel gestreift, Dokumentarfilme gedreht und mit Faschisten diverser Couleur Kaffee getrunken hatte, wird sie zur Revolutionärin, die die Entnazifizierung selbst in die Hand nimmt. Die Ungerechtigkeiten, die Armut der Arbeiter*innen und der indigenen Landbevölkerung, die staatlichen Repressionen, und natürlich viele neue Kontakte und marxistische Literatur lassen Monika in Ché Guevaras Fußstapfen treten.

„Quintanilla, Quintanilla, wie schäbig von dir, du wirst in deinen Nächten keinen Frieden mehr finden…“ Kurz, nachdem Monika diese Zeilen an den Mörder ihrer Genoss*innen verfasst hat, wird sie zur meistgesuchten Person Boliviens und ein Fall für Interpol.

Die Geschichte von Phoolan Devi

In „Die Blutrache der Banditenkönigin“ erzählt Visa Vie die nicht minder spannende, aber auch sehr grausame Geschichte von Phoolan Devi, Banditenführerin und militante Kämpferin für Frauenrechte. Phoolan Devi ist in Indien für viele eine Heldin – für viele Frauen, aber auch Hindus der „niedrigsten“ Kasten. 1963 in einem Dorf in der Region Bundelkhand geboren, wuchs sie in extremer Armut und als Teil der untersten Kaste auf. Dem indischen Gesetz nach existiert das Kastensystem zwar längst nicht mehr, wird aber in rückständigen Regionen und konservativen Communities immer noch angewandt, ebenso wie ein System extrem frauenverachtender Traditionen.

Da Töchter für Familien oft den finanziellen Ruin bedeuten, werden sie häufig als Föten abgetrieben. Auch heute noch gibt es weltweit geschätzt zwei Millionen Fälle dieses „Genderzids“. Sonst geht es meistens darum, Töchter möglichst früh möglichst billig an einen Ehemann loszuwerden. Aber nicht zu billig, da „Brautverbrennungen“ auch heute noch zehntausendfach im Jahr gängige Praxis auf dem Subkontinent sind, um sich als Ehemann einer „unprofitablen“ Ehefrau zu entledigen.

Die traditionell lebenslange Bevormundung durch Männer wollte Phoolan Devi nie akzeptieren. Zur Strafe musste sie bereits mit 12 Jahren täglichen Missbrauch in einer Zwangsehe, sexualisierte Polizeigewalt, Ächtung und Verfolgung in ihrem Heimatdorf erleben. Trotzdem hört sie nicht auf, sich zu wehren, selbst dann nicht, als eine Banditenbande sie im Auftrag ihres Onkels in die Berge entführt.

Mit 17 Jahren wird Phoolan Devi mit der Autorität eines unbeugsamen Willens die knallharte Anführerin einer Banditenbande. Im Robin-Hood-Stil verteilen sie die Beute ihrer Raubzüge zum Teil an die verarmte Landbevölkerung, was ihnen große Sympathien einbringt. Die bekommt Phoolan auch für ihre (teils sehr blutigen) Rachefeldzüge, die viele ihrer früheren Peiniger (u.a. ihr früherer Ehemann) nicht oder nur knapp überleben. Endlich schlägt eine Frau zurück und nimmt Rache für normalisierte sexualisierte Gewalt, Kinderehen und Femizide in einer enorm patriarchalen Gesellschaft.

Beide, Monika und Phoolan, bezahlten ihren Widerstand am Ende mit ihrem Leben. Ihr Kampfgeist lebt jedoch weiter und ist eine große Inspiration für jede*n, selbst aktiv zu werden.

Bild von Sabine Franziska Schmidt: Creative Commons License, Originale Datei