Wien: ROSA gegen Sexismus in der Gastro

Gastronomie-Beschäftigte und Lehrlinge haben Sexismus und Ausbeutung am Arbeitsplatz satt: Die sozialistische feministische Initiative ROSA hat eine Kampagne gestartet, um Kolleg*innen zu vernetzen und Missstände zu bekämpfen.

Von Sarah Moayeri, Sozialistische Linkspartei (Schwesterorganisation der SAV in Österreich) und ROSA Wien. Dieser Text erschien ursprünglich im Juli auf der Website der SLP, wir dokumentieren ihn hier als ein Beispiel dafür, was für Initiativen ROSA, international ergreift.

„Hab dich nicht so“: Gegen Sexismus in der Gastro

Unbezahlte Überstunden, Niedriglöhne, Erniedrigung, sexuelle Belästigung, K.O. Tropfen: Die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie waren schon immer eine Katastrophe, doch hat sich das unter Corona verschärft. Viele haben den Job verloren, wer geblieben ist, hat die Krise doppelt und dreifach zu spüren bekommen. In der Branche arbeiten überwiegend junge Frauen (54% Frauen), Studierende, Minderjährige, die der Willkür von Chefs und Kund*innen oft schutzlos ausgesetzt sind. Schwarzarbeit nimmt zu, Arbeitsschutz ab. Tourismus und Gastronomie sind eine der größten und mächtigsten Wirtschaftszweige in Österreich (vor Corona 320.000 Beschäftigte) mit hohen Profiten. Der jetzige Personalmangel liegt nicht nur an Corona, sondern in erster Linie an den Arbeitsbedingungen.

ROSA startet Initiative gegen Sexismus & Ausbeutung

ROSA Wien hat aufgrund persönlicher Erfahrung von Aktivist*innen um das Thema Sexismus und Arbeitsbedingungen in der Gastro eine online-Umfrage gestartet, Straßenaktionen und Flyerverteilungen organisiert. Die Reaktionen waren eindeutig: Es gibt ein großes Bedürfnis unter Beschäftigten und Kund*innen, gegen Sexismus und Ausbeutung aktiv zu werden. Die Erfahrungsberichte zeigen die ausbeuterischen und unsicheren Arbeitsverhältnisse: Egal ob in der Systemgastro (McDonalds, Starbucks etc.) oder im kleinen Beisl. Eine Kollegin schrieb:

„Ich habe mit 15 angefangen, dort zu arbeiten. Eines Tages hat mir der Chef gesagt, dass er mich nicht für ‘allzu viele Stunden anmelden will, weil mir sonst das Kindergeld wegfällt.’ Natürlich akzeptiert man 5€ pro Stunde mit 15. […] Einen Lohnzettel habe ich nie unterschrieben, genausowenig einen Arbeitsvertrag. […] Ich wurde regelmäßig von alten männlichen Gästen sexuell belästigt, ohne dass der Chef etwas dagegen unternahm.“

Was macht die Gewerkschaft?

Auch die Forderungen sind eindeutig: Höhere Löhne, regelmäßige Pausen, keine spontanen Überstunden, Belastungszulagen, Schutz vor Sexismus usw. Um das zu erkämpfen, braucht es gewerkschaftliche Organisierung. Doch bisher haben die Gewerkschaften, allen voran die Vida [österreichische Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft], die Branche mehr als vernachlässigt. Der Organisierungsgrad ist minimal und die mageren KV-Abschlüsse (+3,7% im Hotel- & Gastgewerbe) bringen zurecht viel Wut, aber keine Mitglieder. Viele Beschäftigte werden nicht mal kollektivvertraglich entlohnt. Die Branche ist zersplittert und undurchsichtig – auch das macht die Arbeitsbedingungen gefährlich. Aber eine Organisierung ist möglich, das zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern. Die Gewerkschaft muss in die Offensive kommen, Betriebsratsgründungen vorantreiben, Kolleg*innen aus ihrer Isolation holen und vernetzen. 87% der Gastro-Unternehmen arbeiten mit weniger als 10 Beschäftigten. Hier müssen gewerkschaftliche Kampagnen stark auf betriebsübergreifende Vernetzung und Solidarität auch von außen setzen.

Mit ihrer aktuellen Initiative „Tatort Arbeitsplatz“ will die Vida gegen Gewalt vorgehen. Bisher handelt es sich aber eher um eine hohle Werbekampagne. Und was ist dort zu lesen? Beschäftigte sollen einfach lauter „Nein“ sagen, wenn sie Opfer von sexueller Belästigung werden. Echter Schutz gegen Sexismus, sowohl für Beschäftigte als auch für Kund*innen, würde hingegen bedeuten, Anlaufstellen/Ansprechpartner*innen in jedem Lokal/Grätzel, Aufklärungskampagnen durch die Gewerkschaft und vor allem: Ordentliche Löhne und Organisierung der Belegschaften, um gemeinsam kämpfen zu können – das muss in der Berufsschule beginnen. Lehrlinge und Beschäftigte müssen sich zusammenschließen, um die Verhältnisse zu verändern. Wir können aber nicht auf die Gewerkschaftsführungen warten, daher: Schließ dich jetzt ROSA an!