Panzer für die Ukraine: Mehr Waffen, mehr Krieg

Wer gegen die Lieferung von Waffen an die Ukraine eintritt, darf öffentlich beleidigt werden. Der Abgeordnete Lambsdorff (FDP) nennt die Ostermarschierer*innen „die fünfte Kolonne Putins, politisch und militärisch“. Für Spiegel-Online-Kommentator Lobo ist die Ablehnung der Lieferung deutscher Panzer „Lumpen-Pazifismus“. Laut dem Grünen Hofreiter, vormals dem linken Parteiflügel zugerechnet, sind die Gegner*innen der Waffenlieferungen Schuld am „de facto Dritten Weltkrieg“. Die offen militaristischen Parteien CDU, Grüne und FDP haben die SPD vor sich her getrieben und wie nicht anders zu erwarten war, hat diese nachgegeben.

Von Claus Ludwig, Köln

Die Befürworter*innen von Waffenlieferungen machen sich nicht die Mühe zu belegen, welche Wirkung diese Waffen haben werden, wollen nicht untersuchen, wie sich der Krieg entwickeln kann. Sie beenden die Diskussion, bevor sie begonnen hat.

Durch Deutschlands Zurückhaltung bei Waffenlieferungen an die Ukraine drohe sich der Krieg auszuweiten“, fasst der Tagesspiegel Hofreiters Argumente zusammen. Die gleiche russische Armee, die massive Probleme hat, ihre begrenzten Kriegsziele in der Ukraine zu erreichen und sich mehrfach neu sortieren musste, soll sich laut dem olivgrünen Krieger quer durch Europa fräsen, bis hin zum Dritten Weltkrieg? Lesen wir nicht täglich in den Medien, dass die russischen Truppen kurz vor dem Zusammenbruch stehen? Was wahrscheinlich nicht ganz stimmt, aber auch nicht völlig falsch ist.

Die Erzählung, dass Putin alles erobern will, was nicht aus vollen Rohren zurück schießt, wird nicht politisch oder wirtschaftlich begründet, sondern herbei psychologisiert. Russlands verbrecherischer Angriff auf die Ukraine basiert jedoch nicht auf dem irrationalen Wahn, die Welt erobern zu wollen, sondern auf dem schrecklichen aber realpolitischen Kalkül einer im Zerfall begriffenen imperialistischen Macht, welche die Kontrolle über die eigene Peripherie – Kasachstan, Belarus – zu verlieren droht und daraus eine besondere Aggressivität entwickelt.

Wir wollen euch kämpfen sehen

Die Freund*innen der Rüstungsindustrie reklamieren ihre moralische Überlegenheit lautstark. Sie behaupten, die Gegner*innen der Waffenlieferungen lassen die Ukrainer*innen im Stich und behindern deren Selbstbestimmung. Doch hinter ihrem emotional verpackten Getöse verbirgt sich eine zutiefst zynische Einstellung. Denn sie selbst bestimmen, was die Ukrainer*innen zu tun und zu lassen haben: Ihr Job soll es sein, sich den russischen Truppen entgegen zu werfen, häufig garniert mit Adjektiven wie „erbittert“, „entschlossen“ oder „heroisch“. Da bleibt kein Platz für Zweifel, Verhandeln oder Desertieren.

Laut der neuen „Hofreiter-Doktrin“ wird Deutschland nicht mehr am Hindukusch verteidigt, sondern im Donbass. Allerdings nicht von deutschen Soldat*innen des „Kommando Spezialkräfte“ inklusive Auslandszuschlägen, sondern vom ukrainischen Fußvolk. „Nehmt unsere Panzer und macht die Russen platt“, das ist die grüne Botschaft der Hoffnung für die unter dem Krieg leidenden Menschen. „Der Krieg wird auf dem Schlachtfeld entschieden“, so der EU-Außenbeauftragte Borell. Und die Ukrainer*innen haben die Ehre.

Hinter der medial gepushten Panik, Putin würde das Baltikum und Polen gleich mitkassieren, stecken die Interessen der Herrschenden in den NATO-Staaten, dem konkurrierenden Block, der sich um China gruppiert, eine Niederlage zuzufügen. Der Ukraine-Krieg ist für sie eine Möglichkeit, gleich mehrfach in die Offensive zu kommen: 1) Die eigene Aufrüstung legitimieren und der Rüstungsindustrie Rekordaufträge verschaffen; 2) Die Reihen der NATO schließen und Russland Probleme bereiten.

Ende April ist deutlich geworden, dass die NATO-Staaten den Krieg als Gelegenheit sehen. Die britische Außenministerin Truss formuliert als Kriegsziel – eines offiziell gar nicht am Krieg beteiligten Landes – die russischen Truppen aus der „ganzen Ukraine“, also auch dem Donbass und der Krim zu „vertreiben“. Die britische Regierung hat zudem ukrainische Angriffe auf russisches Territorium für legitim erklärt. Die USA stellen der Ukraine 33 Milliarden Dollar zu Verfügung, das ist mehr als der gesamte Wehretat Spaniens. Es geht nicht mehr nur um die Abwehr des russischen Angriffs. Die NATO-Staaten wollen dem imperialistischen Gegner Russland eine Niederlage zufügen und damit auch dessen Verbündeten China zu treffen. Sollten die Waffenlieferungen für den von der NATO erhofften durchschlagenden Erfolg sorgen, würde die Verteidigung der Ukraine in einen Angriffskrieg umgewandelt. 

Bis zur letzten Patrone?

Es ist verständlich, dass viele Menschen in der Ukraine auf diese Waffen hoffen, um sich den russischen Attacken entgegenzustellen. Ob dass die Mehrheit so sieht, lässt sich nicht sagen. Eine demokratische Debatte findet in der Ukraine nicht statt. Die Regierung Selenskyj hat selbst auf Eskalation und Ausweitung gesetzt, unabhängige Medien oder handlungsfähige oppositionelle Kräfte existieren in der Ukraine unter Kriegsbedingungen nicht, Pressefreiheit und gewerkschaftliche Rechte sind weitgehend eingeschränkt.

Nicht die Gegner*innen der Lieferung schwerer Waffen schreiben der ukrainischen Bevölkerung vor, was sie tun soll. Das entscheiden die Menschen dort selbst. Es kann im Einzelnen sinnvoll sein, bewaffnet zu kämpfen oder andere Kampfformen zu wählen, wie Streiks, Sabotage, Demonstrationen. Es sind die Befürworter*innen der deutschen Panzer, die Fakten schaffen wollen, im Einklang mit der autoritären ukrainischen Regierung und den Oligarch*innen, die diese Regierung stützen. Sie stellen nicht einmal die Frage, WIE das Land sinnvoll verteidigt werden kann. Sie setzen voraus, dass der einzige Weg ist, auf schweren Beschuss mit schwerem Gegenfeuer zu antworten und dass man Städte um den Preis ihrer Zerstörung bis zur letzten Patrone hält.

Der Krieg wird durch die Lieferung von Panzern und Haubitzen mehr und mehr zu einem Kampf zweier voll ausgestatteter Armeen mit großer Vernichtungskraft, bei dem die Einsätze in die Höhe getrieben werden. Die Möglichkeiten der Bevölkerung, auf den Verlauf Einfluss zu nehmen, von unten, selbstorganisiert, durch eine Mischung aus bewaffnetem und zivilem Widerstand, werden dadurch geringer. Die herrschende Klasse in der Ukraine hat kein Interesse an einer Selbstorganisation von unten, denn diese könnte sich während oder nach dem Krieg gegen selbst sie richten.

Die einzige „Chancengleichheit“, die ein solcher symmetrischer Krieg mit schweren Waffen zur Folge hat, ist die der umfassenden Zerstörung. Die Ukraine läuft Gefahr, zu einem Syrien auf Steroiden zu werden. Es gibt eine massive internationale Einmischung. Mit den jetzt zugesagten Lieferungen schwerer Waffen bekommt die ukrainische Armee eine gewaltige Feuerkraft.

Szenario 1: Dagegenhalten, ohne gewinnen zu können

Durch die schweren Waffen kann die ukrainische Armee besser gegenhalten, aber diese reichen nicht, um die überlegene Feuerkraft der russischen Truppen auszugleichen. Deren Vormarsch wird zäher und verlustreicher. Die russische Armee setzt im Gegenzug selbst mehr schwere Waffen ein, zum Beispiel die strategische Bomberflotte, die bisher kaum an Angriffen beteiligt war. Der Krieg wird härter, mehr ukrainische Städte werden zerstört. In diesem Szenario bedeuten mehr Waffen vor allem mehr Tote. Der Krieg würde nicht beendet, das Leiden der Bevölkerung nicht verringert.

Szenario 2: Patt

Die Waffen reichen aus, um die Initiative der russischen Truppen zu brechen. Die Front friert ein, entlang der Linien Ende April oder einige Kilometer zu Gunsten oder Ungunsten der Ukraine. Auch das kann zu mehr Bombardierungen, zusätzlich zu einem Stellungskrieg, zu einer Fortsetzung der Donbass-Situation seit 2014 auf einem höheren, brutaleren Niveau führen. Eine Lösung im Sinne einer Erlösung der Bevölkerung wäre auch das nicht.

Szenario 3: Ukrainische Offensive

In diesem Szenario gäbe es tatsächlich die Möglichkeit zu weniger Krieg: Die ukrainischen Truppen werfen die russischen Einheiten auf die Ausgangsstellungen des 23. Februar zurück und schaffen somit die Grundlage für eine Verhandlungslösung, begünstigt durch eine erneute Antikriegsbewegung in Russland oder einen Palastputsch gegen Putin. Doch das berücksichtigt weder die Dynamik des Krieges noch die Ziele der ukrainischen Regierung und der NATO-Staaten. Die ukrainischen Truppen würden nicht an der Frontlinie des 23. Februar halt machen, sondern versuchen, den gesamten Donbass und die Krim zu erobern. Das würde den ukrainischen Verteidigungs- zu einem Angriffskrieg machen, würde „Rache“-Gräueltaten der ukrainischen Truppen an der dort lebenden Bevölkerung wahrscheinlich machen und gleichzeitig den russischen Imperialismus dazu bringen, den Einsatz zu erhöhen und diese Gebiete mit allen Mitteln zu halten.

Szenario 4: Europäische Eskalation

Vor allem im Fall einer ukrainischen Offensive aber auch bei den vorherigen Szenarien, könnte das russische Regime die Lieferung schwerer Waffen, die zudem mit direkter logistischer Unterstützung und möglicherweise Ausbildung und Einweisung durch NATO-Berater*innen wäre, als direktes Eingreifen der NATO bezeichnen und die Eskalation vorantreiben. Möglich wären Angriffe auf westliche Lieferungen nicht auf ukrainischem Territorium, sondern zum Beispiel an der Grenze zu Polen. Eine solche Eskalation würde die Möglichkeit eines nuklearen Krieges in Europa erhöhen, ob „begrenzt“ oder out of control, lässt sich aus heutiger Sicht nicht sagen.

Die Waffenlieferungen markieren ohne Zweifel den nächsten Schritt zur Beteiligung der NATO an dem Krieg. Die Ausbildung von ukrainischen Soldat*innen in Deutschland, wie von der US-Armee geplant, könnte rechtlich als Kriegsbeteiligung interpretiert werden. Laut Medienberichten befinden sich bereits reguläre britische Einheiten des Special Air Services (SAS) in der Ukraine, um Sabotage-Aktionen vorzubereiten und Ukrainer*innen dafür auszubilden. Das britische Verteidigungsministerium kommentierte „wir äußern und nie zu den Spezialkräften.“

Der angeblich naive Slogan der Friedensbewegung, dass mehr Waffen zu mehr Tod und Leid führen, ist in diesem Fall sachlich korrekt. Die Chancen für Waffenstillstand und Verhandlungen ergeben sich nicht aus der Lieferung schwerer Waffen, sondern aus sozialen und politischen Verwerfungen, perspektivisch vor allem in Russland selbst oder in Belarus, wo es Widerstand gegen den Krieg gibt. Dabei spielt der Kriegsverlauf und damit die Frage, welche Waffen eingesetzt werden, durchaus eine Rolle, aber zu behaupten, dass das Heranschaffen von mehr Waffen in das Kriegsgebiet den Widerstand in Russland befördert, ist nicht haltbar.

Ein Szenario wird auf jeden Fall eintreffen: Durch die Waffenlieferungen werden die Profite der Rüstungskonzerne durch die Decke schießen. Sie können Altbestände „abbauen“. Der „Ringtausch“ – Waffen aus sowjetischer Produktion aus Osteuropa in die Ukraine, NATO-Waffen von Deutschland nach Osteuropa und ganz neue Waffen für die Bundeswehr – ist wie die Lizenz zum Gelddrucken für Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann und die dahinter stehenden Geldgeber*innen. „An jedem Krieg in jedem Land verdient am Schluss die Deutsche Bank“ – dieser Demo-Slogan ist nicht übertrieben.

Wer kontrolliert die Waffen?

Dazu kommt: Es ist nicht eindeutig, wozu die Waffen genutzt werden und bei wem sie landen. Das Selenskyj-Regime hat oppositionelle Parteien verboten, der Geheimdienst SBU hat Festnahmen vorgenommen. Waffen können auch bei innenpolitischen Auseinandersetzungen in der Ukraine eingesetzt werden oder in die Hände von ausländischen Söldner*innen oder rechtsextremen ukrainischen Einheiten gelangen.

Neben demokatischen Rechten sind Arbeitsrechte während des Kriegs massiv eingeschränkt worden. Soziale Absicherung, aber auch Löhne wurden zum Teil gekürzt. Damit rüstet sich die Regierung nicht nur für ein wirtschaftliches Aufblühen nach dem Krieg, sondern auch gegen die organisierte ukrainische Arbeiter*innenklasse, wie die neue Eisenbahngewerkschaft, die als kämpferisch bekannten Bergarbeiter*innen oder die neu entstandenen gewerkschaftlichen Kollektive der Essens-Lieferunternehmen. Gewerkschaftlich organisierte Kolleg*innen sind momentan noch in die Verteilung humanitärer Güter, Medizin oder den Transport fliehender Menschen durch Züge und Busse eingebunden. Sie werden ebenfalls als Held*innen gefeiert, die durch Selbstorganisation Menschen während des Krieges geholfen haben. Nach dem Krieg kann es diese Schicht sein, die auf höhere Löhne, demokratische Rechte und einen Ausbau von Arbeitsschutz usw. pochen wird. Hier wird sich sehr schnell zeigen, wie wenig der Selenskyj-Clique die Arbeiter*innen wert sein werden, die jetzt noch für seine Klasse und ihre eigene Unabhängigkeit mit in den Krieg ziehen.

Imperialistischer Machtkampf

Hinter der Vorstellung, die Lieferung schwerer Waffen würde den Menschen in der Ukraine helfen, steckt die sehr einseitige Idee, das einzige Problem wäre der Aggressor Putin und den Herrschenden und Regierenden in der Ukraine und den NATO-Staaten ginge es lediglich darum, Leid und Schaden von der dortigen Bevölkerung abzuwenden.

Der Krieg in der Ukraine ist jedoch ein Machtkampf zwischen imperialistischen Blöcken um geostrategischen Einfluss, Handelsrouten, Rohstoffe und Märkte. Die Menschen in der Ukraine sind für die beteiligten Mächte Bauern auf dem Schachbrett. Aus Sicht des russischen Regimes schien es die letzte Chance, den Niedergang des eigenen korrupten und wirtschaftlich kriselnden Imperiums aufzuhalten. Selenskyj konnte den Widerstand der Ukrainer*innen nutzen, um sich zum Helden zu stilisieren, nachdem er vorher in Meinungsumfragen ganz unten war. Seine Regierung und die dahinter stehenden Oligarch*innen träumen inzwischen davon, die Gebiete von 2014 zurückzuerobern und als privilegierter Partner des Westens hochgerüstet und wirtschaftlich aufgepäppelt zu werden.

Die USA und die NATO haben während des Truppenaufmarsches bis Februar jedes Gesprächsangebot Putins abgelehnt und deutlich gemacht, dass sie nicht über Sicherheitsgarantien oder eine Umsetzung des Autonomiestatuts („Minsk 2“) für die „Volksrepubliken“ reden würden. Gleichzeitig haben sie erklärt, nicht auf Seiten der Ukraine militärisch einzugreifen. Diese Kombination hat den russischen Einmarsch begünstigt.

Auf der Grundlage des massiven Widerstandes der ukrainischen Bevölkerung sehen die NATO-Länder jetzt die Chance, Russland eine Niederlage zuzufügen. Dies ist inzwischen in den medialen Sprachgebrauch eingesickert. Von Frieden ist keine Rede mehr. Die Sendung „Hart aber fair“ titelte: „Wie kann die Ukraine siegen?“. Aus Sicht der NATO-Staaten agiert Russland perspektivisch als Stellvertreter des großen Konkurrenten Chinas in Europa. Eine Niederlage Russlands würde den USA die Möglichkeit geben, sich auf das Wettrüsten im Pazifik zu konzentrieren. Die berechtigten Interessen der Ukrainer*innen, selbstbestimmt und ohne Besatzung und Krieg leben zu können, sind für den Westen nur Mittel zum Zweck.

Wie Kriege enden

An einem Punkt haben die Kritiker*innen am Pazifismus allerdings Recht: „Frieden schaffen ohne Waffen“ ist nichts als ein frommer Wunsch. Die Waffen sind eine Realität. Mehr Waffen sind nicht der Ansatz zur Beendigung des Krieges, aber die vorhandenen können nicht weg gewünscht werden.

Es gibt im Kern drei Möglichkeiten, wie Kriege enden können: 1) Eine Seite erreicht ganz oder teilweise die Kriegsziele und diktiert die Bedingungen des Friedens. 2) Beide Seiten erreichen den Zustand militärischer, wirtschaftlicher oder moralischer Erschöpfung und schließen einen Kompromiss. 3) Die Menschen rebellieren, weigern sich zu schießen, stoppen die Kriegsmaschinerie. Das Land, in dem diese Bewegung zuerst erfolgreich ist, muss sich aus dem Krieg zurückziehen und seine Kriegsziele aufgeben.

Was können Menschen in Deutschland tun, die den Ukrainer*innen dabei helfen wollen, den Krieg zu beenden? Auch Nachbar*innen, Freund*innen und Kolleg*innen behaupten jetzt, die Friedensbewegung würde nicht helfen. Helfen würde allein die Befürwortung der Waffenlieferungen. Das ist eine Illusion und eine erhoffte Abkürzung, die allerdings nirgendwo hinführt außer in die Eskalation. Wir haben keinen Einfluss auf die Lieferung dieser Waffen, dies wurde von den Regierenden bereits entschieden. Wir haben keinen Einfluss auf die Verwendung der Panzer, die Strategien der Kriegsparteien sind offensichtlich nicht von hier aus beeinflussbar.

Wer wirklich handeln will, muss realistisch einschätzen, an welchen Punkten man ansetzen kann. Einigen dürfte man sich darauf, den Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen, hier ist konkretes Handeln möglich. Die weiteren Optionen, perspektivisch eine Wirkungsmacht zu entfalten, sind: 1) Solidarität mit der Antikriegsbewegung in Russland und Belarus – symbolisch durch gewerkschaftliche Aktionen und praktisch mit Geld. 2) Verhinderung des Aufkommens rechter und nationalistischer Stimmungen hier, z.B. der um sich greifenden „Russenfeindlichkeit“. Der Krieg wird vor allem hierzulande von rechten Kräfte missbraucht, um einer Geschichtsvergessenheit bezüglich der deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg Platz zu machen. Auch das müssen wir bekämpfen. 3) Kritik an und Widerstand gegen die Pläne der eigenen Herrschenden, den Ukraine-Krieg zur Legitimation für massive Rüstungsprogramme zu nutzen, mit denen kommende Kriege vorbereitet und wahrscheinlicher werden. Hier gibt es Netzwerke wie Rheinmetall Entwaffnen. Machen wir uns nichts vor: Die 100 Milliarden Euro Aufrüstung sind nicht für die Ukraine, sondern weitere Kriege, wie auch in Jemen oder Rojava gedacht, an die saudi-arabischen und türkischen Kriegsherren liefern die deutschen Konzerne jetzt schon fleißig Waffen. 4) Internationale Vernetzung von Kriegsgegner*innen, dazu muss auch die Unterstützung von russischen, aber auch ukrainischen Deserteuren gehören. 

Ja, „Frieden schaffen ohne Waffen“ ist in einer Welt, in der diverse kapitalistische Mächte und Blöcke miteinander konkurrieren, illusorisch. Aber „Sicherheit schaffen durch Aufrüstung“ ist ebenso absurd. Das Wettrüsten macht Kriege wahrscheinlicher und mehr Waffen werden diese verlustreicher machen. Die Waffenlieferungen und NATO-Berater*innen und -Ausbilder*innen machen eine Ausweitung des Ukraine-Krieges wahrscheinlicher.

Es geht daher darum, eine Antikriegsbewegung aufzubauen, die den jeweils eigenen Herrschenden in die Parade fährt und sich international vernetzt, um überall Waffenproduktion und -lieferungen in Frage zu stellen, zu erschweren und zu behindern. Die auf allen medialen Kanälen beförderte eindimensionale Sicht, es gäbe einen Bösewicht Putin (oder „die Russen“) und der müsse „nur mal kurz weggebombt werden“ und der Rest wäre fein, macht die Menschen hierzulande zu passiven Zuschauer*innen der Aufrüstung und den damit verbunden Attacken auf den Lebensstandard. Durchbrechen wir diese Passivität.

Bild: Tobias Nordhausen, CC BY-NC-SA 2.0